London – Rund ein Drittel der Hypertonie-Patienten erreichen auch mit 2 Blutdrucksenkern nicht den Zielwert. Dann werden in der Regel 3 Wirkstoffe aus den Klassen A, C und D eingesetzt: ein ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker (A), ein Kalziumkanalblocker (C) und ein Diuretikum (D). Für mindestens 10%, nach anderen Quellen sogar 15 bis 20% aller Hypertoniker reicht aber selbst diese Dreifachtherapie einschließlich eines Diuretikums noch nicht aus – sie gelten als therapieresistent.
„Altes“ Medikament in neuer Studie untersucht
Beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC) in London wurde nun für solche Fälle ein altbekanntes Antihypertensivum wieder neu in den Fokus gerückt: Der diuretisch schwach wirksame Mineralkortikoidrezeptorantagonist Spironolacton [1].
„Spironolacton wird bereits seit 50 Jahren zur Blutdrucksenkung eingesetzt und es gibt aktuelle Hinweise auf einen Effekt bei therapieresistenter Hypertonie“, betonte der Kardiologe Prof. Dr. Bryan Williams vom Institute of Cardiovascular Sciences University College London. Die Erkenntnisse passten zu seiner Hypothese, dass eine therapieresistente Hypertonie unter A-C-D-Therapie vorrangig ein Problem erhöhter Natriumretention mit niedrigen Reninspiegeln sei, erklärte er. Hier könne die zusätzliche Diurese der beste Ansatz sein.
Bislang sei aber Spironolacton noch nie in einer prospektiven, kontrolliert-randomisierten Studie gegen andere Antihypertensiva zur Behandlung der therapieresistenten Hypertonie getestet worden. Das haben nun Williams und seine Kollegen nachgeholt: In der firmenunabhängig durchgeführen PATHWAY-2-Studie wurde Spironolacton mit dem Alphablocker Doxazosin und dem Betablocker Bisoprolol sowie mit Placebo verglichen, jeweils als Zusatztherapie zu A-C-D. Spironolacton überzeugte dabei mit einer signifikant stärkeren Blutdrucksenkung als die beiden anderen Wirkstoffe und Placebo.
„Wir sollten Hochdruckpatienten nicht als ‚therapieresistent‘ klassifizieren, bevor nicht eine Spironolactonbehandlung erfolglos geblieben ist“, forderte Williams als Konsequenz. Zudem möchte er vor dem Hintergrund der deutlichen Überlegenheit von Spironolacton einen entsprechenden Stellenwert des Medikaments in künftigen Leitlinien für die weltweit etwa 100 Millionen Menschen mit vermeintlich therapieresistentem Bluthochdruck.
Prof. Dr. Hugo A. Katus, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg und designierter Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bestätigte im Gespräch mit Medscape Deutschland: „Es ist eine probate Empfehlung, bei therapieresistenter Hypertonie einen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten zu geben. Denn die Ursache ist offenbar häufig ein Hyperaldosteronismus. Dieser kann nicht nur bei niedrigem, sondern auch bei normalem Kaliumspiegel vorliegen.“
Crossover-Studiendesign
In die multizentrische prospektive, doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Studie waren 335 Patienten eingeschlossen, deren systolischer Praxis-Blutdruck mit einer A-C-D-Behandlung nicht unter 140 mmHg (Diabetiker: 135 mmHg) und deren zu Hause gemessener Blutdruck nicht unter 130 mmHg gesenkt werden konnte.
314 Patienten wurden tatsächlich mit den Studienmedikamenten behandelt. „Sie bekamen nacheinander jeweils 12 Wochen lang entweder einmal täglich 25 bis 50 mg/Tag Spironolacton oder 4 bis 8 mg/Tag Doxazosin oder 5 bis 10 mg/Tag Bisoprolol oder Placebo als Zusatztherapie“, erklärte Williams das Crossover-Studiendesign. „Die Behandlung mit den vier Substanzen erfolgte in zufälliger Reihenfolge, wobei jeder Patient im Laufe der Studie jeden Wirkstoff erhalten sollte.“ Letztlich durchliefen 230 Teilnehmer alle 4 Studienphasen.
Die Patienten waren durchschnittlich 61 Jahre alt und 94 kg schwer, knapp 69% waren Männer. 14% litten an Diabetes und 8% waren Raucher. Ihr anfänglicher selbst gemessener Blutdruckwert lag im Schnitt bei 147,6/84,2 mmHg und ihr anfänglicher Praxisblutdruck bei 157/90 mmHg.
Als primärer Studienendpunkt wurde der selbst gemessene Blutdruck gewählt, um die sogenannte Weißkittel-Hypertonie auszuschließen. Die Auswertung erfolgte hierarchisch: Zunächst sollte die Überlegenheit von Spironolacton vs Placebo nachgewiesen werden, falls diese gegeben war, die Überlegenheit von Spironolacton vs Durchschnitt der beiden Vergleichsmedikamente und schließlich die Überlegenheit von Spironolacton vs jedes der beiden aktiven Vergleichsmedikamente.
Überlegenheit von Spironolacton überzeugend nachgewiesen
„Spironolacton war in der Studie jedem der Komparatoren überlegen“, gab Williams das Resultat bekannt. Im Einzelnen senkte Spironolacton den häuslichen systolischen Blutdruck
• um 8,7 mmHg mehr als Placebo,
• um 4,26 mmHg mehr als die beiden anderen Wirkstoffe im Durchschnitt,
• um 4,03 mmHg mehr als Doxazosin allein und
• um 4,48 mmHg mehr als Bisoprolol allein.
Der Vorteil für Spironolacton war jeweils hochsignifikant (p < 0,001).
Am Ende des 12-wöchigen Therapiezyklus hatte Spironolacton die selbst gemessenen systolischen Blutdruckwerte um durchschnittlich 12,8 mmHg auf 134,9 mmHg gesenkt. Mit Doxazosin wurden 139 mmHg (-8,7) erreicht, mit Bisoprolol 139,4 mmHg (-8,3) und mit Placebo 143,6 mmHg (-4,1).
Die Entwicklung der in der Praxis gemessenen systolischen Blutdruckwerte war sehr ähnlich; auch hier war Spironolacton in allen Vergleichen hochsignifikant überlegen. Der Unterschied betrug 9,9 mmHg zwischen der Spironolacton- und der Scheinbehandlung sowie 4,4 mmHg zwischen Spironolacton und den beiden anderen Medikamenten einzeln oder zusammen. Unter Spironolacton nahm der systolische Blutdruck laut Praxismessung in 12 Wochen im Schnitt um 20,7 mmHg ab.
Einen selbst gemessenen Blutdruckwert unter 135 mmHg – dies war die Zielvorgabe der Studie – erreichten 57,8% der Patienten unter Spironolacton, 41,7% unter Doxazosin, 43,6% unter Bisoprolol und 24,4% unter der wirkstofffreien Therapie.
Kaliumspiegel und Nierenfunktion überwachen!
Schwere unerwünschte Wirkungen waren in Williams‘ Studie insgesamt selten und in den Gruppen vergleichbar häufig (Spironolacton 2,3% vs Doxazosin 2,6% vs Bisoprolol 1,7% vs Placebo 1,7%). Nur 3,4 vs 2,9 vs 10 vs 2,6% der Patienten beendeten die Studie aufgrund unerwünschter Wirkungen vorzeitig.
Williams wies allerdings darauf hin, dass bei einer Langzeittherapie mit Spironolacton die Plasmakaliumspiegel und die Nierenfunktion der Patienten überwacht werden müssten.
Das bestätigte auch Katus. Auf Nachfrage von Medscape Deutschland sagte er zum Problem der potenziellen Hyperkaliämie und Verschlechterung der Nierenfunktion unter einer kombinierten Spironolacton- und ACE-Hemmer-Behandlung: „Dies sind klinische relevante Nebenwirkungen. So wurde zum Beispiel nach Veröffentlichung der RALES-Studie und dadurch bedingtem häufigerem Einsatz von Spironolacton eine Zunahme stationärer Behandlungen wegen Hyperkaliämie von circa 2,5 auf zehn Prozent beobachtet. Deshalb muss das Serumkalium und die Nierenfunktion vor allem bei den älteren Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sorgfältig überwacht werden.“
Gynäkomastien in Kauf nehmen?
Zudem würde Katus „wegen der Möglichkeit von Gynäkomastien als unerwünschter Wirkung bei jüngeren Männern eher einen neueren Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten einsetzen, etwa Eplerenon“.
In der PATHWAY-2-Studie von Williams und Kollegen waren keine Gynäkomastien aufgetreten, dies war aber in der gerade einmal 12-wöchigen Behandlungsphase auch nicht zu erwarten. „In Langzeitstudien sehen wir diese Nebenwirkung bei etwa sechs Prozent der Patienten“, berichtete Williams und befand, dies sei ein Preis, den man für die endlich erfolgreiche Blutdruckkontrolle zahlen könne.
REFERENZEN:
1. Kongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 2. September 2015, London
Diesen Artikel so zitieren: Therapieresistenter Hochdruck: Laut britischer Studie mit Spironolacton oft in den Griff zu bekommen - Medscape - 10. Sep 2015.
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