Seit wenigen Wochen ist der monoklonale Antikörper Pembrolizumab nun auch in Europa für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Melanom zugelassen. Die Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA beruht auf der Tatsache, dass Patienten mit Pembrolizumab als Monotherapie länger überleben als mit der bisherigen Ipilimumab-Standardtherapie.
Eine soeben in Diabetes Care publizierter Fallbericht weist jedoch darauf hin, dass Pembrolizumab als lebensbedrohliche Nebenwirkung einen fulminanten Typ-1-Diabetes (FD) auslösen kann [1]. Wie die Erstautorin Dr. Caroline Gaudy von der Abteilung für Dermatologie und Onkologie des La Timone-Krankenhauses in Marseille schreibt, handelt es sich um eine Frau kaukasischer Abstammung ohne diabetische Vorerkrankung.
Wie bereits von Medscape Deutschland berichtet, gelten als häufigste Nebenwirkungen mit autoimmunem oder immunbedingtem Hintergrund unter Pembrolizumab-Therapie Hypothyreoidismus und Hyperthyreoidismus. Schwere immunvermittelte Endokrinopathien sind laut dem EU-Gesundheitsregister vereinzelt als Nebenwirkung bekannt, auch die Entstehung von Typ-1-Diabetes. Die von den französischen Medizinern beschriebene fulminante Verlaufsform ist dort allerdings nicht aufgeführt.
Pathophysiologische Merkmale sprachen eindeutig für fulminanten Diabetes
FD ist eine seltene, aber lebensbedrohliche Form des Diabetes mellitus, die vor allem in Ostasien vorkommt. Kennzeichnend ist eine besonders schnell verlaufende und nahezu vollständige Zerstörung der Beta-Zellen des Pankreas, die sich unter anderem in einer abrupt einsetzende Ketoazidose bei gleichzeitig niedrigem HbA1c-Wert äußert. Zur Entstehung der Krankheit soll eine genetische Prädisposition in Zusammenhang mit einer Virusinfektion und deren Immunreaktion beitragen, so die Autoren.
„Bei unserer Patientin fanden wir weder einen Hinweis auf eine Virusinfektion noch die für Japaner typische HLA-Haplotypen bei FD“, schreiben die Autoren. Die Patientin war jedoch wegen eines fortgeschrittenen Melanoms mit dem PD1-Inhibitor Pembrolizumab behandelt worden, und zwar unmittelbar nachdem sie eine Ipilimumab-Therapie abgeschlossen hatte.
2 Wochen nach der zweiten Pembrolizumab-Injektion erschien die 44 Jahre alte Frau wegen Erbrechens und Verwirrtheit in der Notaufnahme. Ihr akuter Zustand war gekennzeichnet durch Polyurie, Polydipsie und einem deutlichen Gewichtsverlust in den letzten 2 Wochen. Die Untersuchung ergab eine schwere Hyperglykämie und eine diabetische Ketoazidose, begleitet von akutem Nierenversagen und erhöhtem Lipase-Spiegel. Eine Pankreatitis konnte ausgeschlossen werden.
Durch die intravenöse Gabe von Insulin ließ sich der Blutzuckerspiegel schnell regulieren. „Überraschenderweise“, so die Beschreibung der Autoren weiter, „war der Wert für den HbA1c-Wert mit 6,85% subnormal.“ … lag laut den Autoren die Diagnose eines FD nahe.
Duale Checkpoint-Blockade als mögliche Ursache
Die Autoren halten einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Pembrolizumab-Therapie und dem FD-Ausbruch für plausibel. Sie verweisen dabei unter anderem auf Befunde, wonach die beobachteten Nebenwirkungen von Pembrolizumab bei Melanom-Patienten hauptsächlich immunvermittelt sind und im Tierversuch durch die PD1-Blockade ein Typ-1-Diabetes hergerufen werden konnte.
Für die Schwere der Stoffwechselentgleisung bei ihrer Patientin dürfte die Behandlung mit Ipilimumab mitverantwortlich sein, vermuten die Autoren weiter. Im Gegensatz zu Pembrolizumab, das den T-Zellrezeptor für das „programmed cell death protein“ (PD 1) blockiert, setzt Ipilimumab den CTLA-4-Rezeptor außer Kraft. Sei die Wirkung von Ipilimumab bei der Gabe vom Pembrolizumab noch nicht vollständig abgeklungen, käme es zu einer doppelten Checkpoint-Blockade, welche bekannter Weise immunvermittelte Nebenwirkungen verstärke, so die französischen Mediziner.
Mit Hilfe einer Basis-Bolus-Insulin-Therapie ist der Blutzuckerspiegel der Patientin inzwischen wieder unter Kontrolle und die Pembrolizumab-Therapie konnte ohne weitere Nebenwirkungen fortgeführt werden. Angesichts des Trends, dass PD1-Inhibitoren verstärkt auch bei anderen Krebsarten verabreicht werden sollen, raten Gaudy und seine Mitautoren, sich bei der Therapie darauf einzustellen, dass eine Gefahr für dieser äußerst schwere, wenn auch seltene Komplikation besteht.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Melanom-Therapie mit Pembrolizumab: Fulminanter Typ-1-Diabetes als seltene Komplikation - Medscape - 3. Sep 2015.
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