Nachdem der erste Gehaltsreport 2013 vor allem die harten Fakten um Bruttoeinkommen und Patientenzahlen erhoben hatte, hat Medscape in diesem Jahr an einigen Stellen genauer nachgehakt. Die neue Umfrage differenziert z.B. nach Alter, Geschlecht, Hausarzt und Facharzt. Auch den internationalen Vergleich mit Frankreich, Großbritannien und den USA haben wir angestellt – bei dem übrigens deutsche Ärzte relativ gut wegkommen.
Neu sind auch Fragen dazu, wie Ärzte mit ihren Einkünften umgehen: Wir fragten z.B. nach Geldanlagen und Verschuldung. Subjektive Faktoren wie Zufriedenheit und Motivation im Beruf fanden sich bereits in der letzten Studie – und wurden auch in diesem Jahr wieder abgefragt. Der diesjährige Gehaltsreport wurde wie im Jahre 2013 unter Medscape-Nutzern durchgeführt. Es haben sich nahezu 400 Teilnehmer aus verschiedenen Fachrichtungen beteiligt.
Gehaltsentwicklung im Allgemeinen positiv
Die Einkünfte der befragten Ärzten in Deutschland waren 2014 im Verhältnis zum Vorjahr wie auch zu vergleichbaren internationalen Umfragen höher. Am häufigsten gaben jüngere Ärzte unter 40 Jahren, nämlich 44% von ihnen, an, dass sie mehr Geld als im Vorjahr zu verdienten.
Niedergelassene erzielten seltener eine Steigerung und häufiger einen Verlust bei ihren Einkünften als angestellte Ärzte in Krankenhäusern. Im internationalen Vergleich nahm laut dieser Daten das Einkommen bei mehr deutschen Ärzten im letzten Jahr zu (nämlich bei 32%) als in Großbritannien (23%), Frankreich (22%) und den Vereinigten Staaten (24%).
Die Zahl derer, die im Vergleich zum letzten Jahr Verluste hinnehmen mussten, war bei uns außerdem geringer als in den anderen Ländern. Trotz dieser eigentlich erfreulichen Zahlen fühlt sich eine Mehrheit von 59% der deutschen Befragten nicht ausreichend für die von ihnen geleistete Arbeit bezahlt. Dieser Wert ist höher als in England oder den USA (55% bzw. 50%), aber niedriger als in Frankreich, wo 64% der Ärzte unzufrieden mit ihrem Gehalt sind. Im Vergleich zur Umfrage von 2013 ist die Unzufriedenheit der bei uns Befragten trotz der Einkommenszuwächse sogar noch um 3% gestiegen.
Ärztinnen verdienen noch immer weniger
Im Mittel erzielten Ärztinnen aus der Patientenbehandlung ein Jahreseinkommen von 78.000 Euro, während ihre männlichen Kollegen 120.000 Euro erhielten. Barbara Schmeiser, Vizepräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, überraschen diese Zahlen nicht: „Frauen sind in ärztlichen Leitungsfunktionen nach wie vor unterrepräsentiert und erhalten in der Regel geringere Gehälter als männliche Kollegen. Zudem verhandeln sie häufig schlechter, wenn es um leitende Positionen geht.“
Außerdem seien Ärztinnen überwiegend in Facharztgruppen im unteren Einkommensbereich zu finden wie in der Allgemeinmedizin oder der Kinderheilkunde. Ein weiterer Grund ist aus ihrer Sicht, dass sich Ärztinnen für die einzelnen Patienten mehr Zeit nähmen. Diese zeitaufwendigere sprechende Medizin und eine damit einhergehende ganzheitliche Betrachtungsweise würden jedoch nicht honoriert.
In den privaten Partnerschaften der Ärztinnen ist auch das Einkommengefälle in der Regel nicht so groß wie bei ihren männlichen Kollegen: Sie haben sehr viel seltener einen Lebenspartner, der beträchtlich weniger verdient. Mit 28 gegenüber 55% ist der Wert bei den Ärztinnen nur halb so hoch. 26% der Ärztinnen, aber nur 5% der Ärzte haben ein geringeres Gehalt als ihr Partner oder ihre Partnerin.
Der Unterschied zwischen Haus- und Fachärzten schrumpft
Ein überraschender Aspekt in unserer diesjährigen Umfrage war, dass die Verdienste von Fachärzten und Hausärzten nicht mehr so stark differierten. Im Mittel erzielten Fachärzte 2014 ein Jahreseinkommen von 114.000 Euro, Haus- und Allgemeinärzte von 110.000 Euro nach Abzug von Steuern und Abgaben, aber vor Abzug der Einkommensteuer. „Die Vergütung der Hausärztinnen und Hausärzte ist in den letzten Jahren gestiegen“, bestätigt Vincent Joerres, Sprecher des Deutschen Hausärzteverbandes. „Dies liegt insbesondere an den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung der Hausärzteverbände, durch welche inzwischen immer mehr Hausärztinnen und Hausärzte eine faire Vergütung erzielen und gleichzeitig ein Konkurrenzdruck auf das Kollektivvertragssystem aufgebaut worden ist.“
Dass sich die ehemals große Lücke zwischen Haus- und Facharztgehältern immer mehr schließe, liege auch daran, dass Hausärzte z.B. überdurchschnittlich häufig den allgemeinen Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte übernähmen, erklärt er weiter. So kämen sie auf höhere Stundenzahlen und schließlich einen höheren Verdienst. Zudem seien Schwankungen innerhalb der Gruppe der Fachärzte zu beachten.
Insgesamt sind die befragten Ärzte glücklich mit ihrer Situation
Eine überwältigende Mehrheit von 95% aus der Umfrage ist froh, Arzt zu sein. Trotzdem würden 14% die Medizin nicht mehr als Berufsfeld wählen, wenn sie noch einmal wählen könnten. In unserem Report von 2013 dachten noch 17% so.
Die größte Motivation ziehen 45% der teilnehmenden Ärzte aus Deutschland aus ihrer Befähigung auf ihrem Gebiet. Dies ist auch der größte Anreiz für ihre Kollegen in Großbritannien (40%). In Frankreich allerdings ist die Dankbarkeit von und die Beziehung zu Patienten wichtiger: 36% gaben dies als wichtigsten Punkt an.
Immerhin für 13% der Befragten in Deutschland ist dennoch das Gehalt das Wichtigste an ihrem Beruf, in Frankreich und England sind es nur 7 und 8%. Gegenüber 2013 ist dies eine deutliche Veränderung. Damals hielt ein Drittel den Verdienst für die größte Quelle der Zufriedenheit im Arztberuf.
Finanziell haben die Befragten mehrheitlich keine großen Sorgen. 76% der Befragten hatten im letzten Jahr keine signifikanten Verluste. 65% sagen, dass sie im Einklang mit ihren finanziellen Möglichkeiten leben und geringe oder keine Schulden haben. 70% der Umfrageteilnehmer geben ein Nettovermögen von unter 500.000 Euro an. Mit 44% stellt die Hypothek auf das Eigenheim die häufigste Verschuldung dar. Mehr als die Hälfte hat sich laut eigenen Angaben keinen größeren Fehler bei einer Vermögensanlage vorzuwerfen.
Aus all diesen Zahlen lässt sich schließen, dass Ärzte auch im Jahre 2015 in finanzieller Sicherheit leben – und dass ihnen die Freude am Beruf mehr wert ist als ihr Nettovermögen.
Diesen Artikel so zitieren: Medscape-Gehaltsreport 2015: Einkünfte steigen, aber Ärztinnen hinken weiter hinterher - Medscape - 2. Sep 2015.
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