Der Deutsche Hausärzteverband sieht seine Befürchtung bestätigt: Die 118 Millionen Euro, die laut des Honorarabschlusses 2014 extrabudgetär für nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPa) zur Verfügung gestellt wurden, sind bisher kaum abgerufen worden.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, äußert in in einer Pressemitteilung seines Verbandes denn auch seinen Unmut: „Immer mehr Hausärztinnen und Hausärzte berichten, dass leider genau das eingetreten ist, was wir bereits im vergangenem Jahr, kurz nach dem Honorarabschluss, befürchtet und vor dem wir gewarnt haben: Durch die abwegigen EBM-Regelungen zur Verwendung der zusätzlichen Honorarmittel im hausärztlichen Bereich werden Hausärztinnen und Hausärzte massiv diskriminiert und gleichzeitig wird versucht, Selektivverträge zu behindern.“
Delegationsleistungen für alle?
Offenbar erfüllen also nur wenige Hausärzte im Land die Bedingungen, an die KBV und die Krankenkassen im vergangenen Jahr die Verteilung der Mittel geknüpft haben. Durch die Regelung wird die Förderung zunächst ausgeweitet und dann eingschränkt. So sollen ab 1. Januar 2015 alle Hausarztpraxen von der Förderung der Delegation ärztlicher Leistungen profitieren können und nicht, wie bisher, nur solche, die in unterversorgten Gebieten arbeiten.
Für höchstens 600 Fälle erhalten die Hausärzte also unabhängig vom Versorgungsgrad 2,20 Euro Zuschlag auf die Strukturpauschale. Für jeden Hausbesuch einer NäPa werden ihnen 17,05 Euro gezahlt und 12,50 Euro für jeden Mitbesuch. Zugleich wird die Gruppe der infrage kommenden Praxen auch wieder eingeschränkt: So kritisiert Weigeldt, dass das Geld dezidiert an die Förderung von NäPas gekoppelt sei, obwohl es doch zur Förderung der Delegation ärztlicher Leistungen allgemein gedacht war. „Das Geld steht allen Hausärzten zu!“, betont denn auch Weigeldts Sprecher Vincent Jörres gegenüber Medscape Deutschland.
Der Hausärzteverband verweist auf die vielen Praxen, die keine NäPas beschäftigen, sondern speziell ausgebildete Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAHs). Jörres gibt ihre Zahl mit rund 6.700 in deutschen Hausarztpraxen an. Die VERAH-Qualifikation ist eine Initative der Hausärzteverbandes. Um nun aus VERAHs NäPas zu machen und damit an das zusätzliche Geld zu kommen, muss flächendeckend nachqualifiert werden.
Selbst wenn bereits NäPas in der Praxis arbeiten, muss der Chef noch 860 Fälle pro Quartal vorweisen, um gefördert zu werden oder mindestens 160 Patienten im Quartal behandeln, die 75 oder älter sind. Denn die NäPas sollen besonders in stark frequentierten Praxen zum Einsatz kommen. „Diese Bedingungen sind aber zum Beispiel in den Städten oft gar nicht erfüllbar“, sagt Jörres. „Ein Großteil der Hausärzte bleiben deshalb bei der Förderung außen vor.“
Hausärzteverband: Zuschüsse sind Bremse für die HzV
Als politisch besonders haarige Angelegenheit sieht der Hausärztverband die Bedingung, dass Patienten, die ein Hausarzt in die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) eingeschrieben hat, von jenen 860 Fällen abgezogen werden müssen. Die HzV-Patienten wirken also als Bremse. Fatal, findet der Hausärzteverband. Denn HzV-Praxen kommen damit kaum an die Fleischtöpfe. Der Verband sieht zudem seinen liebsten Selektivvertrag bekämpft. „Die Regelungen haben zur Konsequenz, dass Hausärztinnen und Hausärzte, die an Selektivverträgen teilnehmen, bei der Verteilung des zusätzlichen Honorars deutlich schlechter gestellt werden“, lässt sich Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg und 2. stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, in der Pressemittelung des Verbandes zitieren.
Tatsache ist: Nur wenige Ärzte rufen die Mittel ab. Nach Angaben von Verbandssprecher Jörres häufen sich die Berichte von Mitgliedern darüber, dass sie keine zusätzlichen Mittel erhalten. Eine Stichprobe bei einigen KVen ergaben ein ähnliches Bild. So wurden in Bremen an extrabudgetärem Zuschlag zur Pauschale im Quartal 1/2015 gerade mal 46.000 Euro abgerufen, wie die Christoph Fox, Sprecher der KV Bremen, auf Anfrage von Medscape Deutschland mitteilt.
In Baden-Württemberg waren es nur 600.000 Euro, wie Renate Matenaer von der Pressestelle der KVBW sagt: „Die Reduktion kam vor allem aufgrund der Patienten im Selektivvertrag zustande“, so Matenaer. In Bayern flossen lediglich 800.000 Euro, wie Birgit Grain, stellvertretende Pressesprecherin der KV Bayern mitteilt.
In Niedersachsen läuft es anders. Denn der Löwenanteil der HzV ist hier als Add-on-Vertrag, also unter Einbeziehung der KV Niedersachsen organisiert. „Und ein Add-on-Vertrag gilt nicht als Selektivvertrag“, sagt Dr. Uwe Köster, stellvertretender Pressesprecher der KV Niedersachsen. Damit werden die eingeschriebenen Patienten auch nicht von der für den Zuschlag geforderten Zahl von 860 Patienten abgezogen. Zudem erhalten Niedersächsische Ärzte schon seit 2014 aus einem eigens geschaffenen KVN-Topf von 3,5 Millionen extrabudgetäres Geld, um besonders qualifizierte Medizinische Fachangestellte (MFA) zu fördern. Diese Förderung läuft noch bis zum Sommer 2016. Insgesamt kommt also von der NäPa-Förderung wenig in der Versorgung an.
Die KBV reagierte nüchtern auf den entsprechenden Protest des Hausärzteverbandes. Dr. Roland Stahl, Pressesprecher der KBV, erklärt auf Anfrage von Medscape Deutschland: „Die Kritik können wir nicht nachvollziehen. Die eigentliche Leistung kann ja sehr wohl abgerechnet werden. Einzig der Strukturzuschlag kann nicht erhoben werden. Dieser wird ja bereits im Selektivvertrag selbst abgerechnet und soll nicht doppelt bezahlt werden.“
Für den Hausärzteverband ist das kein Argument. Er besteht darauf, dass alle Hausärzte in den Genuss des Zuschlages kommen und dass die HvV nicht zum Hemmnis wird. Verbandssprecher Jörres: „Wir haben bereits 2014 vorgeschlagen, dass das Geld als Erhöhung der Chronikerpauschale ausgezahlt wird.“
Diesen Artikel so zitieren: Deutscher Hausärzteverband protestiert: Die extrabudgetäre Förderung für nichtärztliche Praxisassistentinnen funktioniert nicht - Medscape - 2. Sep 2015.
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