In Basket-Studien werden Patienten mit Krebserkrankungen unterschiedlicher Lokalisation, deren Tumor die gleiche Mutation aufweist, „in einen Topf geworfen“. In einem Editorial in der aktuellen Ausgabe des New England Journal of Medicine setzen sich Prof. Dr. David J. Hunter von der Harvard T. H. Chan School of Public Health, Boston, und Prof. Dr. Ralph B. D’Agostino, Mathematiker/Statistiker und Biostatistiker an der Universität in Boston, kritisch mit diesem neuen Studiendesign auseinander [1].
Ihrer Meinung nach kann es jedoch die bisher durchgeführten großen Phase-3-Studien an einzelnen lokalisierten Karzinomen nicht ersetzen. Basket-Studien können aber erste Hinweise auf mögliche Effekte gezielt wirkender Therapieformen geben.
Dies war auch der Fall in der von einer internationalen Arbeitsgruppe um Prof. Dr. David M. Hyman vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, im New England Journal of Medicine publizierten Basket-Studie mit Vemurafenib bei Nicht-Melanom-Patienten. Dabei zeigte der BRAF-V600-Inhibitor nur bei Patienten mit Lungenkarzinom sowie Histiozytosen eine Wirkung, bei allen anderen untersuchten Tumoren war jedoch nur in Einzelfällen ein Ansprechen nachweisbar [2].
Gleiche Mutation – gleiche Behandlung?
Neue Erkenntnisse zur Tumorbiologie und besonders zu den genetischen Veränderungen haben in den letzten Jahren zu großen Fortschritten in der Krebsforschung geführt. Wie Hunter und D’Agostino erläutern, haben das International Cancer Genome Consortium (ICGC) und der Cancer Genome Atlas (TCGA) Tausende von Tumoren von mehr als einem Dutzend unterschiedlichen anatomisch definierten Krebsformen sequenziert und neue Subklassifikationen eingeführt, die auf somatischen Mutationen basieren.
So konnten die zunächst nur in einer Tumorentität nachgewiesenen EGFR- und BRAF-Mutationen auch bei an anderer Stelle lokalisierten Tumoren gefunden werden. Dies legt nahe, dass Arzneistoffe, die bei der einen Krebsform mit der entsprechenden Mutation wirken, auch bei an anderer Stelle lokalisierten Karzinomen mit der gleichen Mutation wirksam sein könnten. Aufgrund der genetischen Befunde wurde vorgeschlagen, dass die konventionelle Nosologie der Karzinome nach ihrem Entstehungsorgan durch eine neue Einteilung ersetzt werden sollte, die auf den somatischen Mutationen der Tumoren basierte.
Die Erkenntnis, dass eine genetische Veränderung an verschiedenen Stellen im Körper einen Tumor hervorrufen kann, hat auch zur Entwicklung eines neuen Studiendesigns beigetragen, den Basket-Studien. Hierbei werden Patienten mit verschiedenen Tumorentitäten in eine Studie eingeschlossen, wenn die Tumoren die gleiche Mutation aufweisen. Der Studieneinschluss erfolgt also nicht aufgrund der Tumorhistologie, sondern aufgrund einer spezifischen Mutation, die mit einem spezifischen Arzneistoff behandelt werden kann.
Aus statistischer Sicht könnten diese Basket-Studie als parallele Phase-2-Studien angesehen werden, so die Editorialisten. Um auf akzeptable Patientenzahlen zu kommen, seien in der Regel multizentrische Studien erforderlich. Aufgrund der kleinen Patientenzahlen würden die Konfidenzintervalle der Ansprechraten sehr breit. Die kurze Dauer der Studien bedinge, dass Überlebensraten und toxische Effekte nicht beurteilt werden könnten.
Sie fordern: „Es müssen Phase-3-Studien mit geeigneten primären Endpunkten, ausreichend hohen Patientenzahlen, Kontrolle der Vielfältigkeit und unter Beachtung von Sicherheitsfragen durchgeführt werden.“
Basket-Studie mit Vemurafenib
Hyman und seine Kollegen publizierten nun vorläufige klinische Ergebnisse einer Basket-Studie mit Vemurafenib, einem oral applizierbaren Inhibitor der BRAF-V600-Kinase. In die von Roche und Genentech unterstützte Phase-2-Studie waren 122 meist vorbehandelte Patienten mit einer BRAF-V600-positiven Krebserkrankung (keine Melanompatienten) eingeschlossen. Am häufigsten waren Patienten mit Kolorektalkarzinom (n = 37), nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) (n = 20), Erdheim-Chester-Erkrankung oder Langerhans-Zell-Histiozytose (n = 18), Hirntumoren (n = 13), Cholangiokarzinom (n = 8), anaplastischem Schilddrüsenkarzinom (n = 7) und multiplem Myelom (n = 5).
95 Patienten wurden mit einer Vemurafenib-Monotherapie und 27 Patienten mit Kolorektalkarzinom mit Vemurafenib plus Cetuximab behandelt. Primärer Endpunkt war die Ansprechrate, zu den sekundären Endpunkten gehörten das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben.
Die Studie ergab, dass nur bei den Patienten mit NSCLC (43%) und mit Erdheim-Chester-Erkrankung oder Langerhans-Zell-Histiozytose (42%) deutliche Ansprechraten erreicht wurden. Bei den anderen Tumorentitäten kam es nur vereinzelt zu einem Ansprechen auf Vemurafenib.
Die Ergebnisse zeigen also, so Hunter und D’Agostino, „dass das Ansprechen einer spezifischen Mutation vermutlich von der anatomischen Lokalisation des Primärtumors abhängt und dass die Voraussagemöglichkeiten einer neuen Einteilung basierend auf spezifischen Mutationen überbewertet werden“. Vermutlich sei die Kombination aus Mutationsspektrum und anatomischer Lokalisation eines Tumors besser geeignet, um das Ansprechen auf eine Therapie vorauszusagen als nur einer dieser Faktoren.
Bedeutung des Mutationsspektrum nicht überbewerten
Die Autoren der Vemurafenib-Studie bezeichneten es als ihr Ziel „Aktivitätssignale in verschiedenen Tumortypen zu identifizieren, die in nachfolgenden Studien mit robusten Wirksamkeitsendpunkten untersucht werden können.“ Die Editorialisten zweifeln jedoch die Durchführbarkeit solcher Studien an, so fragen sie: „Können solche größeren, präziseren Studien in einem Umfeld durchgeführt werden, in dem ein Off-Label-Einsatz dieser Substanzen möglich ist? Möchten Pharmafirmen solche Studien finanzieren? Möchten die Patienten in solche Studien aufgenommen werden?“
Sie bezweifeln, dass die Onkologie in der Praxis künftig eher durch eine Arzneimittelauswahl basierend auf einer Mutationsanalyse und Ergebnissen kleiner Studien vorangebracht wird als durch die Kombination von anatomischer Lokalisation des Tumors und groß angelegten Phase-3-Studien. Darüber hinaus weisen sie darauf hin, dass die Gefahr einer Überbewertung des Mutationsspektrums durch die begrenzte Zahl etablierter aktivierender Mutationen im Verhältnis zur viel größeren Zahl potenzieller biologisch relevanter, bislang noch nicht bekannten Tumormutationen hoch sei.
Basket-Studien seien zwar eine gute Möglichkeit, um erste Informationen zu Tumoren mit bestimmten Mutationen zu erhalten, die möglicherweise auf ein spezielles Arzneimittel reagieren, aber „solche Studien für jede potentielle Target-Mutation, für alle potenziellen Arzneistoffe, für alle anatomischen Lokalisationen zu planen, dies überfordert die Kapazitäten unseres derzeitigen Systems mit Forscher- und Industrie-initiierten Studien“.
REFERENZEN:
1. Hunter DJ, et al: NEJM 2015;373:691-693
2. Hyman DM, et al. NEJM 2015;373:726-36
Diesen Artikel so zitieren: Neuer Ansatz für Krebs-Studien: Ist der Mutationstyp entscheidender als die Lokalisation? - Medscape - 20. Aug 2015.
Kommentar