San Francisco – Eine endovaskuläre Thrombektomie kann bei Patienten mit schweren Schlaganfällen die Dauer des Krankenhausaufenthaltes drastisch reduzieren, berichtete auf dem Kongress der Society of Interventional Surgery in San Francisco Dr. Sanjeev Nayak [1]. Der Neuroradiologe am University Hospital of North Midlands im britischen Stoke-on-Trent gilt als einer der Pioniere der mechanischen Thrombektomie, und er hat damit mehr Patienten behandelt als jeder andere Arzt in Großbritannien.

Prof. Dr. Hans Christoph Diener
„Die vorgelegten Zahlen sind realistisch“, kommentiert gegenüber Medscape Deutschland Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen. Die Kostenstruktur im Vereinigten Königreich, wo die Studie gemacht wurde, sei der deutschen sehr ähnlich, so Diener.
Nayak hatte in San Francisco die Daten einer prospektiven Registerstudie präsentiert. Teilgenommen hatten 198 Patienten, die an Nayaks Klinik zwischen Januar 2010 und Dezember 2014 behandelt worden waren, und deren Daten man einer historischen Kohorte aus der gleichen Klinik gegenüber stellte. Es ergab sich ein frappierender Unterschied in der mittleren Dauer des Klinikaufenthaltes: Waren es ursprünglich 90 Tage gewesen, so mussten die thrombektomierten Patienten durchschnittlich nur noch 14 Tage im Hospital bleiben.
Die Mortalitätsrate für die neuen Patienten betrug nach 90 Tagen 17%, eine Vergleichszahl für die frühere Kohorte berichtete Nayak jedoch nicht. Im Mittel hätten die per mechanischer Thrombektomie behandelten Patienten jedoch bessere Werte auf der modifizierten Rankin Skala (mRS) erreicht, die den Grad der Behinderung misst. 47% hätten nach 90 Tagen einen mRS < 2 gehabt, was der Fähigkeit entspricht, unabhängig zu leben, so Nayak. Unter den Überlebenden konnte der weitaus überwiegende Teil (91%) nach Hause entlassen werden und musste nicht in ein Pflegeheim.
„Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die Prognose schwerer Schlaganfälle mit Verschluss der distalen Arteria carotis interna oder der proximalen Arteria cerebri media verbessert werden kann, wenn es gelingt, das Gefäß zeitnah zu rekanalisieren“, erinnert Diener mit seinem Kollegen S. Nitschmann (Lippetal) in einer aktuellen Zusammenfassung der niederländischen MR-CLEAN-Studie, die bei 502 Patienten in 16 Zentren ebenfalls deutliche Vorteile für eine zusätzliche endovaskuläre Therapie erbrachte.
Nach anfänglich schlechten Rekanalisierungsraten wurden neue Stent-Systeme entwickelt, die auf Mikrokathetern platziert sind und bei denen zunächst der Führungsdraht durch den lokalen Thrombus geführt wird. Anschließend wird der Stent entfaltet und zusammen mit dem gefangenen Thrombus wieder entfernt.
Die MR-CLEAN-Studie erbrachte damit eine Rekanalisierungsquote von 75% gegenüber 33% mit rein systemischer Thrombolyse. Zusammen mit drei kleineren Studien (zwischen 70 und 316 Patienten) sei dies der Durchbruch für die interventionelle Therapie schwerer Schlaganfälle, urteilt Diener.
Die finanziellen Implikationen dieses Durchbruchs hob Nayak in San Francisco hervor: Er nutzte dazu eine Shift-Analyse, bei der anhand der per mRS gemessenen Verbesserungen die Einsparungen für die Klinik und für die Pflegekosten deduziert werden.
„Für unsere Patientenserie ergaben sich Netto-Einsparungen von £ 3,2 Millionen (ca. 4,5 Millionen Euro) oder £ 684.000 je 100.000 Einwohnern.“ Davon würden etwa 60% auf den reduzierten Klinikaufenthalt entfallen und 40% auf die Pflegekosten. Zwischen 20.000 und 25.000 Patienten jährlich könnten im Vereinigten Königreich von der mechanischen Thrombektomie profitieren, wenn man sie zur Standardbehandlung bei Schlaganfällen der großen Gefäße nutzen würde.
Solche Szenarien setzen allerdings eine flächendeckende Versorgung mit einer entsprechenden Infrastruktur voraus. In den bisher vorliegenden Studien sei die Rekanalisierung ausschließlich von entsprechend trainierten Neuroradiologen, Neurochirurgen oder Neurologen vorgenommen worden, betont Neurologe Diener.
„Der Wirksamkeitsnachweis der interventionellen Therapie bedingt jetzt, dass deutlich mehr Stroke Units mit interventionellen Neuroradiologen ausgestattet werden müssen“, so Diener. Dort, wo diese Spezialisten fehlen, wird derzeit noch vor Ort mit der systemischen Thrombolyse begonnen und der Patient nach dem Motto „drip and ship“ mit laufender Lyse in ein entsprechendes Zentrum geschickt.
REFERENZEN:
1. Society of Interventional Surgery (SNIS) 12th Annual Meeting, 27. bis 30. Juli 2015, San Francisco
Diesen Artikel so zitieren: Mechanische Thrombektomie nach Schlaganfall: Verbessert das Ergebnis und senkt außerdem die Kosten - Medscape - 18. Aug 2015.
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