Das Chikungunya-Virus ist in Spanien angekommen: Zum ersten Mal hat sich in Valencia ein Spanier im eigenen Land mit der tropischen Infektionskrankheit angesteckt. Das haben die spanischen Behörden nun bestätigt [1]. 2007 gab es bereits Infektionen in Italien, auch in Frankreich traten einzelne Fälle auf.
Auch in Süddeutschland ist mit autochthonen Infektionen zu rechnen

Dr. Jonas Schmidt-Chanasit
Experten fürchten, dass das Virus, das durch den Stich der Tigermücke übertragen wird, nach seiner rasanten Ausbreitung in Mittel- und Südamerika nun auch verstärkt in Europa auftritt. Nach Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik und Leiter der Arbeitsgruppe Arbovirologie am Bernhard Nocht Institut in Hamburg, muss auch in Süddeutschland mit autochthonen Chikungunya-Virus-Infektionen gerechnet werden.
„Die Gefahr einer Ansteckung breitet sich aus“, so Schmidt-Chanasit und verweist auf den Fund einer stabilen Tigermücken-Population Ende Juli in Freiburg. Zwar tauchten in den vergangenen Jahren immer mal wieder Tigermücken (Aedes albopictus) in Süddeutschland auf, eine stabile Population aber war bislang nicht gefunden worden.
Die Freiburger Population wurde in einer Gartenanlage in der Nähe des Güterbahnhofes entdeckt. Wahrscheinlich kamen die Tiere über den Fernlastverkehr aus Südeuropa. Für die Bekämpfung müssen Wasserlöcher und Regentonnen mit einer speziellen Chemikalie in Tablettenform versetzt werden – das ist aufwändig und teuer.
Bislang kein Virus-Nachweis bei invasiven Stechmücken
Bislang sind alle in Deutschland gefangenen „invasiven“ Stechmücken negativ auf Chikungunya-Viren getestet worden. Unter „invasiv“ versteht man die Ausbreitung einer Art innerhalb eines Gebietes, in dem sie nicht heimisch ist und oft negative Effekte auf ihre Umwelt bzw. auf die einheimischen Arten ausübt.
Dass Chikungunya unter Bedingungen auftreten kann wie in der Freiburger Gartenanlage, hält Schmidt-Chanasit für nicht unwahrscheinlich: „Die Hitzeperiode und die Feuchtigkeit schaffen ideale Bedingungen: Je wärmer es ist, desto besser entwickelt sich das Virus. Hinzu kommt eine hohe Bevölkerungsdichte mit vielen Fernreisenden.“ Bisher wurde Chikungunya in Deutschland bisher nur bei Reiserückkehrern diagnostiziert – seit 2006 sind es laut Robert Koch-Institut jährlich zwischen 9 und 54 Fälle.
Alphaviren wie Chikungunya sind zwar nicht dafür bekannt, ständig zu mutieren, doch trotzdem sie sind wandlungsfähig. So ermöglichte eine Mutation ihnen, nicht nur die Gelbfiebermücke sondern auch die asiatische Tigermücke als Überträger zu nutzen. Diese fühlt sich auch in gemäßigteren Temperaturen wohl. „Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass es dem Virus gelingt, sich an unsere heimischen Stechmücken anzupassen“, meint Schmidt-Chanasit. Auch eine Pathogenitätsänderung hält er für unwahrscheinlich.
Die asiatische Tigermücke ist aggressiver als unsere einheimischen Stechmücken. Die Weibchen stechen nicht nur in der Dämmerung, sondern auch tagsüber, und durch Kleidung. Laut der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage ist dies trotzdem kein Grund zur Besorgnis – bisher sei kein Fall in Deutschland bekannt, bei dem eine schwere Krankheit durch Mückenstiche übertragen wurde.
Erster spanischer Patient, der sich lokal mit dem Virus infiziert hat
Bei dem spanischen Patienten dagegen sind die Ärzte sicher, dass er sich in Spanien angesteckt hat. Er ist damit der erste spanische Patient, der sich lokal mit dem Virus infiziert hat. Bisher sind in Spanien 86 Chikungunya-Patienten bekannt, die nach einer Afrika- oder Südamerika-Reise erkrankten.
Die asiatische Tigermücke, die das Virus überträgt, ist in beliebten europäischen Urlaubszielen verbreitet. Dazu gehören neben Spanien auch Kroatien, Frankreich, Griechenland, Italien, Malta und die Türkei. Bislang trat Chikungunya-Fieber vorwiegend in Afrika, Südostasien, dem indischen Subkontinent und auf den Inseln im Indischen Ozean auf. Nur vereinzelt trugen Touristen den Erreger in andere Länder.
Seit Dezember 2013 scheint sich das Virus aber rasant auszubreiten. So haben Gesundheitsbehörden in Süd- und Mittelamerika seitdem rund 1,3 Millionen lokal erworbene Fälle von Chikungunya-Fieber registriert.
Bei persistierenden Gelenkbeschwerden daran denken!
In der Erstphase unterscheidet sich Chikungunya kaum von einem Infekt, typisch sind Fieber bis 40 Grad Celsius und Abgeschlagenheit, Schüttelfrost und Hautrötungen sowie Kopf- und Muskelschmerzen. Im späteren Verlauf können Gelenkbeschwerden auftauchen, die der Erkrankung den Namen gegeben haben – das Wort Chikungunya heißt der gekrümmt Gehende und stammt aus der Eingeborenensprache in Tansania.
Bei akuten, aber auch über Monate persistierenden Gelenkbeschwerden sollte deshalb differenzialdiagnostisch auch an eine Chikungunya-Infektion gedacht werden, betont Schmidt-Chanasit. Zwar sind die Verläufe nicht so dramatisch wie unter Dengue, doch es kann sich eine lang anhaltende Polyarthralgie entwickeln. Die Therapie erfolgt symptomatisch.
Die meisten Patienten erholen sich nach wenigen Tagen von selbst wieder. Bei Säuglingen, älteren Menschen oder chronisch Kranken kann es jedoch zu schweren Komplikationen wie einer Leber- oder Herzmuskelentzündung kommen. In der Regel heilt die Infektion folgenlos aus, doch bei gefährdeten Personen – Kinder, Senioren und Patienten mit geschwächtem Immunsystem – kann die Erkrankung auch zum Tod führen. Wer einmal daran erkrankt ist, erwirbt nach derzeitigem Wissensstand eine lebenslange Immunität.
Symptomatische Therapie mit NSAR – bald auch ein Impfstoff?
Nachweisen lässt sich das Virus durch das antikörperbasierte ELISA-Verfahren und durch Immunfluoreszenztests. In den ersten Krankheitstagen kann virale RNA allerdings nur mittels RT-PCR im Serum des Patienten nachgewiesen werden. Antikörper finden sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ab der 2. Krankheitswoche sind dann IgM- und IgG-Antikörper nachweisbar.
Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht in Deutschland eine Meldepflicht für Labore. Für Ärzte besteht Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod, und wenn die Erkrankung als hämorrhagisches Fieber verläuft.
Eine spezifische Therapie gegen das Chikungunya-Fieber gibt es nicht. Symptomatisch wird mit fiebersenkenden Mitteln und mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt. Hinsichtlich eines Impfstoffes gäbe es gute und aussichtsreiche Kandidaten. Schmidt-Chanasit ist zuversichtlich, dass es bald zu Phase-3-Studien kommen wird. „Ich rechne noch nicht im nächsten Jahr damit, aber in fünf Jahren wird das schon anders aussehen.“
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Chikungunya-Fieber: Erste autochthone Infektion in Spanien, Tigermücken auch bei uns - Medscape - 11. Aug 2015.
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