„Einzigartiger Durchbruch“ bei Ebola-Vakzine: rVSV-EBOV zeigt 100 Prozent Wirksamkeit, doch es braucht noch weitere Daten

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

3. August 2015

Ist mit dem Impfstoff rVSV-EBOV nun der Durchbruch im Kampf gegen Ebola gelungen? Bei einem großen Feldversuch in Guinea schützte das Vakzin jedenfalls zuverlässig vor einer Ansteckung mit dem Ebola-Virus. Das ist das Ergebnis eines am Freitag den 31. Juli 2015 in The Lancet veröffentlichten Zwischenberichts [1]. „Der Wirkstoff schützte die Geimpften  zu 100 Prozent“, so Dr. Marie Paule Kienly von der WHO und Ko-Autorin der Studie, bei einem virtuellen Press Briefing der WHO in Genf. Von einer „extrem vielversprechenden Entwicklung“ sprach auch WHO-Chefin Dr. Margaret Chan in einer Pressemitteilung der WHO.

Die Studie startete am 1. April 2015 in Basse-Guinea – der einzigen Region Guineas, in der im April 2015 noch neue Ebola-Fälle diagnostiziert worden waren. Wurde ein neuer Fall bekannt, boten die Forscher allen erwachsenen Kontaktpersonen des Erkrankten auf Basis des informed consent die Vakzine an. Viele, aber nicht alle, nahmen das Angebot an. Vom Versuch ausgeschlossen waren Schwangere und stillende Mütter.

In 90 Clustern wurden 7.651 Probanden in die Interimsanalyse einbezogen. 48 dieser Cluster (4.123 Probanden) wurden randomisiert zur sofortigen Impfung mit rVSV-ZEBOV und 42 Cluster (3.528 Probanden) wurden zur Impfung nach 3 Wochen eingeteilt. In der Gruppe mit der sofortigen Impfung traten keine Ebola-Fälle auf. Dagegen traten in der Gruppe, die erst nach 3 Wochen geimpft worden war, 16 Ebola-Fälle auf. Die Effektivität liegt damit bei 100% (95%-Konfidenzintervall: 74,7–100,0; p = 0,0036). Geimpft wurde mit einer einzelnen intramuskulären Injektion von rVSV-ZEBOV.

Die Ring-Immunisierung schützt auch Ungeimpfte

 
Die Strategie der Impfung ist, einen Ring um die infizierte Person zu ziehen und ihre Kontakte und deren Kontakte zu immunisieren gegen Ebola – das soll die weitere Ausbreitung des Virus verhindern. Dr. Marie Paule Kienly
 

„Aufgrund dieser Ergebnisse stoppten wir die Randomisierung und alle Kontakte wurden sofort geimpft. Wir hoffen, dass es uns damit gelingt, die Ebola-Transmission in Guinea auf Null zu bringen“, berichtete Kienly. „Die Strategie der Impfung ist, einen Ring um die infizierte Person zu ziehen und ihre Kontakte und deren Kontakte zu immunisieren gegen Ebola – das soll die weitere Ausbreitung des Virus verhindern. Diese ‚Ring-Immunisierung‘ ist in den 60er Jahren angewandt worden um die Pocken auszurotten“, erläuterte Kienly weiter.

Die Zwischenergebnisse zeigen, dass die Vakzine sicher ist. Es fanden sich auch erste Hinweise, dass ungeimpfte Personen indirekt vor Ebola geschützt sind, wenn das VSB-ZEBOV entsprechend der Ring-Vakzination angewandt wird. Die Gesamt-Effektivität des Vakzins bei Erwachsenen – sowohl bei den Geimpften als auch bei denen, die sich nicht hatten impfen lassen, lag bei 75%. Der Impfstoff wurde gut vertragen – nur ein geimpfter Patient litt an Fieber, das in kausalen Zusammenhang mit der Impfung gebracht und als ernstzunehmende Nebenwirkung gewertet wurde. Dieser Patient genas aber ohne Komplikationen. Geplant ist nun, auch 13 bis 17 Jahre alte Probanden und möglicherweise auch 6 bis 12 Jahre alte Kinder in die Studie einzuschließen.

Ärzte ohne Grenzen setzen die Vakzine auch beim Pflegepersonal ein

Die klinische Studie wird von der WHO, dem Norwegian Institute of Public Health und guineischen Behörden durchgeführt und läuft weiter. Beteiligt ist auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen: Sie haben den Impfstoff 1.200 Menschen in Guinea verabreicht, die in engem Kontakt zu Ebola-Infizierten stehen wie Ärzte, Pflegepersonal, Sanitäter, Laboranten, Reinigungskräfte und Beerdigungs-Teams.

 
Es handelt sich um einen einzigartigen Durchbruch – doch wir brauchen noch mehr Daten, um sagen zu können, wie wirksam diese Prävention tatsächlich ist. Dr. Bertrand Draguez
 

Dr. Bertrand Draguez, medizinischer Leiter bei Ärzte ohne Grenzen, ist aufgrund der Interimsdaten zuversichtlich: „Der Impfstoff schützt Menschen effektiv gegen Ebola. Auch wenn er bislang erst an einer kleinen Stichprobe von Probanden getestet wurde und noch viel mehr Forschung und Analyse nötig ist, sollte dieser Impfstoff angesichts des Ausmaßes der gegenwärtigen Epidemie angewendet werden, um Menschen zu schützen, die Ebola unmittelbar ausgesetzt sind, etwa Kontaktpersonen Infizierter sowie die Menschen, die Ebola in vorderster Reihe bekämpfen“, so Draguez in einer Meldung von Ärzte ohne Grenzen.

Mit rVSV-EBOV sei zum ersten Mal der Nachweis erbracht, dass ein Impfstoff gegen Ebola tatsächlich wirksam sei. „Es handelt sich um einen einzigartigen Durchbruch – doch wir brauchen noch mehr Daten, um sagen zu können, wie wirksam diese Prävention tatsächlich ist. Unklar ist zum Beispiel noch, wie schnell der Schutz einsetzt und wie lang er anhält. All dies muss noch weiter erforscht werden“, betont Draguez.

Betroffene Länder sollten das Vakzin im Rahmen einer Studie schnellstmöglich einsetzen

Das derzeitige Muster der Epidemie, bei dem sporadisch relative kleine Übertragungsketten auftauchen, bedeute, dass die Krankheit in allen Bereichen weiter bekämpft werden müsse, so Draguez. Dies umfasse Behandlung, Isolierung, Arbeit mit den Gemeinden, sichere Bestattungen, Gesundheitsaufklärung, psychosoziale Unterstützung und das Verfolgen der Kontakte.

 
Wir sollten unsere Energie und Mittel darauf konzentrieren, die Menschen rund um diese infizierten Patienten zu impfen. Dr. Bertrand Draguez
 

Ein präventiver Ansatz wie die Impfung könne dazu beitragen, die Unterbrechung der Übertragungsketten zu beschleunigen, indem gezielt die Kontaktpersonen der Erkrankten und Verstorbenen sowie die medizinischen Helfer geimpft werden.

„Nachdem wir wissen, dass der Impfstoff wirkt, sollten diejenigen, die ihn am dringendsten brauchen, ihn unbedingt so schnell wie möglich bekommen, um die existierenden Übertragungsketten zu unterbrechen. Der gezielte Ansatz der klinischen Studie sollte sofort auf weitere Personen, die ebenfalls einem hohen Risiko ausgesetzt sind, ausgeweitet werden. Die Regierungen der betroffenen Länder sollten den Impfstoff so schnell, wie es ihnen nur möglich ist, im Rahmen der klinischen Studie einsetzen.“ Die Ebola-Fälle treten in Hotspots auf, sind also lokal recht begrenzt. Draguez fordert deshalb: „Wir sollten unsere Energie und Mittel darauf konzentrieren, die Menschen rund um diese infizierten Patienten zu impfen. Sie sind diejenigen, die das größte Risiko einer Infektion tragen.“

Studienautoren glauben, dass sich die Ergebnisse auf Sierra und Liberia übertragen lassen

In einer Pressemitteilung des Lancet stellte Studien-Ko-Autor Prof. Dr. John-Arne Røttingen von der Universität Oslo in Norwegen fest: „Unsere Studienergebnisse sind ermutigend denn sie legen nahe, dass die Ring-Vakzinierung substanziell die Ebola-Raten in der Gemeinschaft reduzieren kann. Aufgrund der Art und Weise wie das Ebola Virus sich über Regionen und Länder verbreitet, glauben wir, dass diese Ergebnisse sich auf andere Regionen von Guinea und auf Sierra Leone und Liberia übertragen lassen.“

Ob aber das Vakzin ein lizensierter Impfstoff gegen die Ausbreitung von Ebola werde, sei noch ungewiss, so Røttingen und betont, dass weitere Evidenz notwendig sei, um die Sicherheit und Effektivität des Impfstoffs zu evaluieren, bevor er außerhalb eines klinischen Settings eingesetzt werden könne.

Darauf hebt auch das zugehörige Editorial im Lancet ab: „Diese Studie wird Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Prüfung und Erörterung sein. Doch was bedeuten die Ergebnisse für die Menschen mit hohem Ebola-Risiko in Westafrika? Die Vakzine ist bislang nicht lizensiert. Mehr Daten zur Effektivität sind notwendig, bevor sie breit eingesetzt werden kann“, heißt es dort.

Die Neuansteckungen in Guinea Liberia und Sierra Leone sind seit Anfang des Jahres stark zurückgegangen, doch besiegt ist das Virus noch längst nicht. Solange es neue Fälle gibt, kann die Epidemie jederzeit wieder aufflammen. In Westafrika wurden seit Ende 2014 mehr als 11.200 Ebola-Tote registriert, mehr als 27.700 haben sich laut WHO infiziert.

 

REFERENZEN:

1. Henao-Restrepo AM, et al: The Lancet (online) 31. Juli 2015

 

Kommentar

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