
PD Dr. Jan-Thorsten Gräsner
Bei Herzstillstand ist schnelles Handeln gefragt. Laien bilden in der Rettungskette dabei oftmals das erste Glied. Wie eine japanische Studie unter der Leitung von Dr. Shinji Nakahara von der Abteilung für Notfallmedizin am Teikyo Universitätsklinikum belegt, tragen sie dazu bei, dass mehr Patienten ohne neurologischen Schaden überleben. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt im Journal der American Medical Association veröffentlicht [1). Diese werden tendenziell von einer US-amerikanischen Studie in derselben JAMA-Ausgabe bestätigt, die eine Arbeitsgruppe um Dr. Carolina Malta Hansen vom Duke Institut für Klinische Forschung in Durham vorgenommen hat [2].
In den allermeisten Fällen genügt die manuelle Herzdruckmassage, um die Überlebenschancen zu erhöhen. So interpretieren Dr. Graham Nichol und Dr. Francis Kim von der Universität Washington in Seattle in JAMA die japanische Studie [3]. Davon ist auch PD Dr. Jan-Thorsten Gräsner vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel überzeugt. „Frühestmöglich begonnen und möglichst unterbrechungsfrei durchgeführt, kann die Herzdruckmassage die Überlebensrate nahezu verdreifachen“, sagt der Sprecher des Deutschen Reanimationsregisters gegenüber Medscape Deutschland.
Gesundes Überleben korreliert mit Herzdruckmassage
Die Ergebnisse der Japaner machen deutlich: Die Herzdruckmassage durch Laien rettet nicht nur Leben, sondern trägt dazu bei, dass das Gehirn keinen dauerhaften Schaden nimmt. Ausgewertet wurden die in einem Reanimationsregister gesammelten Daten von 167.912 Patienten, die außerhalb einer Klinik einen Herzstillstand erlitten hatten und von Laien erstversorgt worden waren.
Ihre Zahl hatte von 2005 auf 2012 von 17.882 auf 23.797 zugenommen. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Patienten, die ohne neurologischen Schaden überlebten, von 3,3% auf 8,2%. Dies war assoziiert mit einer steigenden Tendenz, dass Laien die Wiederbelebung durch Herzdruckmassage versuchten. Der Einsatz dieser Erstmaßnahme stieg allgemein von 38,6% auf 50,9% und in Bezug auf die Gruppe ohne neurologische Schäden von 53,7% auf 68,9%. Bewertet wurde dabei der neurologische Status der Patienten einen Monat nach dem Ereignis bzw. zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik.
Als ähnlich günstig für ein neurologisch unauffälliges Überleben erwies sich der Einsatz von öffentlich verfügbaren automatisierten externen Defibrillatoren (AED), ob durch Laien allein oder von Laien und professionellen Ersthelfern in Folge. Wo AED in Japan verfügbar sind, greifen Laien inzwischen vermehrt zu dieser Maßnahme (0,1% in 2005 vs 2,3% in 2012), wenn auch weiterhin eher selten. Gräsner verweist darauf, dass in Deutschland sogar nur in 0,5% der Fälle die erste Defibrillation durch Laien erfolgt. Allerdings sei zu bedenken, dass auch nur ein kleiner Anteil der Fälle defibrillierbar sei.
Einen entsprechend günstigen Einfluss früher Erstversorgung durch Laien können auch Hansen und seine Kollegenmit ihrer Studie für ausgewählte Landkreise des US-Bundesstaates North Carolina belegen. Danach nahm im Auswertungszeitraum von 2010 bis 2013 die Anzahl der Fälle zu, bei denen Laien kardiopulmonale Erstmaßnahmen (CPR) ergriffen und Ersthelfer in Folge defibrillierten (14,1% in 2010 auf 23,1% in 2013).
Als Folge davon konnten mehr Patienten das Krankenhaus lebend verlassen. „Dass mehr Patienten mit einer günstigen neurologischen Prognose überlebten, beobachteten wir ausschließlich bei denjenigen, die durch Laien per CPR erstversorgt worden waren“, schreiben die US-Studienautoren. Ihr Anteil stieg von 7,1% in 2010 auf 9,7% in 2013.
Die Bereitschaft zur Ersthilfe lässt sich steigern
Die günstigen Daten aus North Carolina hängen mit einem landesweiten Trainings- und Weiterbildungsprogramm für Laien und professionelle Ersthelfer zusammen. Laut Gräsner besitzt auch in Deutschland die Laienreanimation Steigerungspotential. „Vor zwei Jahren lag die Quote handelnder Laien noch bei 20 Prozent, heute sind es 31 Prozent“, erläutert der Direktor des Kieler Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin gegenüber Medscape Deutschland. Gefördert werde diese Handlungsbereitschaft seit 2012 durch die Kampagne „Ein Leben retten“, die die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten ins Leben gerufen haben.
„Die Sterblichkeit nach einer Wiederbelebung bleibt allerdings im Falle von Herzstillstand in vielen Gemeinden hoch“, geben die beiden US-Kommentatoren mit Blick auf North Carolina zu Bedenken. Um mehr Leben unbeschadet retten zu können, fordern sie neben mehr Geld für Forschung und kontrollierte Studien eine Prozessoptimierung der Rettungskette.
In diese Richtung zielen auch die Anstrengungen in Deutschland, wo jährlich circa 70.000 Menschen nach akutem Herzstillstand sterben. „Profis wie Anästhesisten und Notärzte bilden sich nach europaweiten Standards weiter und engagieren sich direkt in der Laienausbildung“, betont Gräsner. Konkret helfe auch der Profi in der Rettungsleitstelle dem Laien durch lebensrettende Anweisungen. Weitere Experten-Forderungen, was alles noch im Hinblick auf eine Optimierung gemeinsam getan werden sollte, sind in den 10 Thesen des so genannten Bad Boller Reanimationsgespräches 2015 nachzulesen.
REFERENZEN:
1. Nakahara S, et al: JAMA 2015;314:274-254
Diesen Artikel so zitieren: Zwei Studien belegen: Wiederbelebung durch Laien verringert neurologische Defekte bei Überlebenden - Medscape - 30. Jul 2015.
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