Diabetes-Medikament Pioglitazon: Entwarnung für Blasenkrebs, aber möglicher Zusammenhang mit anderen Tumorarten

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

28. Juli 2015

Das orale Antidiabetikum Pioglitazon (Actos®) scheint nicht mit einem erhöhten Risiko für Harnblasenkarzinome assoziiert zu sein, wie die Ergebnisse früherer Untersuchungen hatten vermuten lassen. Neue Daten einer großen US-Studie deuten aber auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Prostata- und Pankreaskarzinome hin [1].

Nach einer retrospektiven Studie, die Hinweise auf ein erhöhtes Harnkrebsrisiko geliefert hatte, hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Jahr 2011 von der (Neu)-Verordnung von Pioglitazon abgeraten. Etwa zur gleichen Zeit hob der G-BA die Erstattungsfähigkeit des Insulinsensitizers  auf.

Glitazone spielen in Deutschland geringe Rolle

Prof. Dr. Stephan Jacob

Während Pioglitazon in den USA derzeit noch von bis zu einem Viertel der Diabetespatienten genommen wird, spielt das Medikament auf dem deutschen Markt kaum noch eine Rolle. „Seit die gesetzlichen Krankenkassen Pioglitazon nicht mehr erstatten, wird das Medikament kaum noch verschrieben“, berichtet Prof. Dr. Stephan Jacob vom Vorstand der „Arbeitsgemeinschaft Prävention des Diabetes mellitus Typ 2“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft.

Zur Klärung des Zusammenhangs mit einem eventuellen Blasenkarzinom-Risiko sind nun die 10-Jahres-Ergebnisse dreier großer Datenbankanalysen im Journal of the American Medical Association (JAMA) publiziert worden. Das Autorenteam um Dr. James D. Lewis vom Center for Clinical Epidemiology and Biostatistics der University of Pennsylvania, USA, in Philadelphia berichtet in der Publikation, keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Einnahme von Pioglitazon und einem erhöhten Risiko für Blasenkrebs gefunden zu haben.

„Die Ergebnisse von Lewis und seinen Kollegen sprechen gegen ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko unter Pioglitazon in dem Beobachtungszeitraum von bis zu zehn Jahren“, sagt auch Jacob. Die neuen Daten der 10-jährigen Nachbeobachtung waren sowohl von FDA als auch EMA gefordert worden. Eine Interimsanalyse nach 5 Jahren hatte ein geringfügig, aber signifikant um 40% erhöhtes Risiko für Harnblasenkarzinome bei Patienten gezeigt, die Pioglitazon länger als 2 Jahre nahmen. Daraufhin war die Produktinformation des Medikamentes überarbeitet worden, doch Pioglitazon durfte bis zu den endgültigen Ergebnissen der Beobachtung weiter verkauft werden.

Kein Blasenkrebs, aber möglicherwiese andere Krebsarten?

 
Seit die gesetzlichen Krankenkassen Pioglitazon nicht mehr erstatten, wird das Medikament kaum noch verschrieben. Prof. Dr. Stephan Jacob
 

Bei den 3 Analysen handelt es sich um eine 10-Jahres-Kohortenanalyse mit 193.099 über 40-jährigen Patienten mit Typ-2-Diabetes, um eine Fall-Kontroll-Analyse mit jeweils 464 Blasenkrebspatienten und gematchten Kontrollen sowie um eine zweite Kohortenanalyse von 236.507 Diabetespatienten, in der es um die Risiken für 10 weitere Krebsarten ging. Alle Daten stammen von der US-amerikanischen Krankenversicherung Kaiser Permanente.

Von den 193.099 Patienten mit Typ-2-Diabetes wurden während des Beobachtungszeitraumes knapp 34.181 mit Pioglitazon behandelt. 1.261 (0,65%) erkrankten in dieser Zeit an Blasenkrebs. Bei Pioglitazon-Anwendern lag die Blasenkrebsinzidenz bei 89,8 pro 100.000 Personenjahre. Bei den Patienten, die nicht mit Pioglitazon behandelt wurden, betrug die Inzidenz 75,9 pro 100.000 Personenjahre. Das Krebsstadium unterschied sich nicht zwischen Pioglitazon-Anwendern und Nicht-Anwendern. Nach Korrektur für potenzielle Störfaktoren fand sich keine statistisch signifikante Assoziation zwischen der Einnahme von Pioglitazon und dem Blasenkrebsrisiko. Die Hazard Ratio lag bei 1,06.

In der Fall-Kontroll-Analyse, die Anpassungen um Ethnie, Raucherstatus, möglicherweise mit dem Blasenkrebsrisiko assoziierte Berufe, Häufigkeit von Harnwegsinfekten und den HbA1c-Wert umfasste, waren die Ergebnisse ähnlich: kein erhöhtes Blasenkrebsrisiko bei Patienten, die Pioglitazon eingenommen hatten.

In der Kohortenanalyse, die sich mit dem Risiko für 10 andere Krebsarten befasste, hatten 16% (38.190) der 236.507 Teilnehmer schon einmal Pioglitazon eingenommen. 6,8% (15.992) von ihnen erkrankten an irgendeiner Form von Krebs. Die Anwendung von Pioglitazon war mit einem erhöhten Risiko für Prostatakrebs assoziiert. Die Inzidenz lag bei 453 pro 100.000 Personenjahre – verglichen mit 449 pro 100.000 Personenjahre bei den Nicht-Anwendern (HR: 1,13).

Für Pankreaskarzinome fanden die Autoren eine noch deutlichere Erhöhung des Risikos. Bei den Pioglitazon-Anwendern betrug die Inzidenz 81 pro 100.000 Personenjahre, bei den Nichtanwendern waren es 48 pro 100.000 Personenjahre (HR: 1,41). Für die anderen 8 untersuchten Krebsarten fand sich kein signifikanter Zusammenhang mit der Einnahme von Pioglitazon.

Kausal oder Zufall?

 
Die Ergebnisse von Lewis und seinen Kollegen sprechen gegen ein erhöhtes Blasen- krebsrisiko unter Pioglitazon in dem Beobachtungs- zeitraum von bis zu zehn Jahren. Prof. Dr. Stephan Jacob
 

Im Hinblick auf das Pankreaskrebsrisiko merken die Autoren allerdings an, dass auch andere Diabetesmedikamente eine Assoziation aufwiesen, z.B. Sulfonylharnstoffe und Insulin. Dies deute auf eine umgekehrte Kausalität hin, da die Hyperglykämie eben auch eine frühe Manifestation von Pankreaskarzinomen sei. Diese Erklärung wird gestützt von der Beobachtung, dass sich das Risiko für Pankreaskrebs im Verlauf seit Beginn der Pioglitazon-Einnahme verringerte.

„Die erhöhten Risiken für Prostata- und Pankreaskarzinome, die mit dem Einsatz von Pioglitazon assoziiert sind, bedürfen der weiteren Erforschung, um herauszufinden, ob die beobachteten Assoziationen kausal sind oder aber dem Zufall geschuldet, auf Störfaktoren zurückzuführen sind oder es sich um umgekehrte Kausalität handelt“, schreiben Lewis und Kollegen.
„Aus Beobachtungsstudien lassen sich immer nur Hinweise ableiten”, bestätigt Jacob. „Sie können aber keine endgültigen Beweise liefern.“ Grundsätzlich bewertet der niedergelassene Diabetologe den Zusammenhang zwischen Pioglitazon und Krebs als „kompliziert“, denn in anderen Studien habe man auch schon andere und sogar negative Assoziationen – also schützende Effekte – bezüglich anderen Krebsarten gefunden.

 

REFERENZEN:

1. Lewis JD, et al: JAMA 2015;314(3):265-277

 

Kommentar

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