Der Konsum von Zitrusfrüchten – insbesondere von Grapefruits und Orangensaft – ist laut einer aktuellen Veröffentlichung im Journal of Clinical Oncology mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines malignen Melanoms verbunden [1]. Wer beispielsweise täglich mehr als 1,6 Portionen Zitrusprodukte verzehrt, erhöht demnach sein Melanom-Risiko um 36% im Vergleich zu Menschen, die weniger als 2-mal pro Woche Zitrusprodukte zu sich nehmen.
Erstautor Dr. Shaowei Wu, Warren Alpert Medical School an der Brown University in Providence, USA, und seine Kollegen gehen davon aus, dass der von ihnen gezeigte kanzerogene Effekt auf das in den Zitrusfrüchten enthaltene Psoralen, einer Grundsubstanz der linearen Furanocumarine, zurückzuführen ist. Aufgrund seiner photosensibilisierenden Eigenschaften wird es in der dermatologischen Praxis häufig gemeinsam mit UV-A-Licht („PUVA“) zur Behandlung von Hautkrankheiten wie Psoriasis oder Neurodermitis eingesetzt.

Prof. Dr. Stephan Grabbe
Experimentelle Studien hätten aber auch bereits Hinweise auf einen photokanzerogen Effekt der Stoffe geliefert, schreiben Wu und seine Kollegen. Und auch die PUVA-Therapie sei bereits in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung maligner Melanome gebracht worden. Mit der vorliegenden Studie wurde nun erstmals auch eine Verbindung zwischen dem Verzehr Psoralen-haltiger Lebensmittel und einem erhöhten Melanom-Risiko hergestellt.
Prof. Dr. Stephan Grabbe, Direktor der Hautklinik des Universitätsklinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, rückt jedoch gegenüber Medscape Deutschland die vorliegenden Resultate zurecht. So sei etwa die berechnete Korrelation zwischen dem Zitrusfrüchte-Konsum und einem malignen Melanom im Vergleich zur Korrelation bei bekannten Karzinogen wie beispielsweise dem Tabakrauch immer noch verhältnismäßig niedrig.
„Verschiedene Details – wie zum Beispiel der Umstand, dass zwar Grapefruits und Orangensaft, aber nicht Grapefruitsaft und ganze Orangen das Melanom-Risiko erhöhen – ergeben in der Zusammenschau ein hochgradig fragwürdiges Bild“, meint der Mainzer Dermatologe.
Grapefruits erhöhen das Hautkrebsrisiko – Grapefruitsaft dagegen nicht
Die prospektive Kohortenstudie umfasste Daten von 63.810 weißen Frauen aus der Nurses’ Health Study (1984–2010) und von 41.622 weißen Männern aus der Health Professionals Follow-Up-Study (1986–2010).
Über die gesamten Studienzeiträume wurden die Teilnehmer im Abstand von 2 bis 4 Jahren detailliert zu ihrer Ernährung befragt. Unter anderem gaben sie dabei an, wie häufig sie im Wochendurchschnitt eine halbe Grapefruit, eine ganze Orange oder ein Glas Orangen- oder Grapefruitsaft zu sich genommen hatten (jeweils auf das vergangene Jahr bezogen). Außerdem wurden sie aufgefordert, 2-mal jährlich von neu diagnostizierten malignen Melanomen zu berichten. Diese persönlich übermittelten Angaben wurden anhand pathologischer Berichte verifiziert.
Insgesamt wurden so in den 24- bzw. 26-jährigen Studienzeiträumen 1.840 maligne Melanome dokumentiert – und unter den Patienten waren offenbar überdurchschnittlich viele Liebhaber von Zitrusfrüchten. Im Vergleich zu Studienteilnehmern, die weniger als 2-mal pro Woche Zitrusfrüchte oder -säfte konsumierten (260 Fälle auf 404.850 Personenjahre), erhöhte sich zumindest das Melanomrisiko bei täglichem Verzehr von 1 bis1,5 Portionen/Tag um 27% (488 Fälle auf 491.559 Personenjahre) bzw. bei einem Verzehr von 1,6 Portionen/Tag um 36% (273 Fälle auf 257.901 Personenjahre).
Als besonderes auffälliges Risiko entpuppten sich dabei die – gegenüber Orangen – besonders Psoralen-haltigen Grapefruits: Im Vergleich zu Menschen, die die Zitrusfrüchte komplett gemieden hatten (317 Fälle auf 515.163 Personenjahre), erhöhte sich das Melanom-Risiko bei Studienteilnehmern, die sich mindestens 3-mal wöchentlich eine halbe Grapefruit schmecken ließen, um 41% (306 Fälle auf 260.825 Personenjahre). Aber auch, wer ein oder mehr Gläser Orangensaft pro Tag zu sich genommen hatte, wies noch ein um 25% erhöhtes Krebsrisiko auf (305 Fälle auf 324.057 Personenjahre), im Vergleich zu Teilnehmern, die weniger als ein Glas pro Woche getrunken hatten (359 Fälle auf 505.507 Personenjahre).
Auf den Verzehr ganzer Orangen oder von Grapefruitsaft ließen sich die Ergebnisse wie von Grabbe beschrieben tatsächlich nicht übertragen – hierbei stellten die Wissenschaftler kein erhöhtes Risiko fest.
Zitrusfrüchte: Bitte weiterhin essen
Nun bleibt die Frage, welche Konsequenzen die publizierenden Wissenschaftler selbst aus ihren Ergebnissen ziehen. Vom Konsum der Zitrusfrüchte abraten, wollen sie jedenfalls nicht. „Diese Studie bedeutet nicht, dass wir über den Konsum von Zitrusfrüchten beunruhigt sind“, erklärte Co-Autor Dr. Abrar Qureshi, Leiter der dermatologischen Abteilung der Warren Alpert Medical School, in einer Presseinformation der Brown University. „Tatsächlich ist der Verzehr von Zitrusprodukten sehr wichtig für die Versorgung mit Vitamin C und anderen sehr gesunden Inhaltsstoffen.“ In der Publikation weist das Autorenteam zudem auf potentielle positive Auswirkungen des Früchtekonsums bei chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Brustkrebs hin.
Für spezielle Verhaltensempfehlungen für Menschen mit einem hohen Zitrusfrüchte-Konsum sei es ebenfalls noch zu früh – hierfür seien noch weitere, die Resultate bestätigende Studien nötig, schreiben sie.
Trotzdem sollten sich Menschen zumindest für ein paar Stunden nach dem Konsum Psoralen-haltiger Früchte nur vorsichtig Sonnenstrahlen aussetzen, meint Qureshi. Im Endeffekt heiße das, dass sie sich an die allgemein üblichen Empfehlungen halten sollten: eine Sonnenceme mit Lichtschutzfaktor 30 bis 50 benutzen sowie speziell mittags die Haut mit langer Kleidung schützen und einen breitkrempigen Hut tragen.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Die Schattenseite der Zitrusfrüchte: Erhöht Grapefruit-Psoralen beim Sonnetanken das Melanom-Risiko? - Medscape - 21. Jul 2015.
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