Düsseldorf – Die Prävention der Mutter-Kind-Übertragung von HIV funktioniert in Deutschland – zum Zeitpunkt der Entbindung ist die HIV-Viruslast bei 85% der schwangeren HIV-positiven Frauen nicht nachweisbar (<50 HIV-RNA-Kopien/ml Blut); die Transmissionsrate liegt unter 1%. Und die HIV-Medikamente schaden den Kindern nicht: Die Fehlbildungsrate beträgt 3,8% und entspricht damit der in der Allgemeinbevölkerung.

Dr. Annette Haberl
Das sind die ersten Ergebnisse des von der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) 2012 initiierten HIV-Schwangerschaftsregisters. Dieses Register dokumentiert erstmals systematisch Daten zum Verlauf der Schwangerschaften von HIV-positiven Frauen, zur Transmissionsprophylaxe, zur Geburt und zum Outcome der HIV- und ART(antiretrovirale Therapie)-exponierten Kinder. Vorgestellt wurden die Daten auf dem 7. Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress (DÖAK) von Dr. Annette Haberl, Ärztin am HIV Center des Universitätsklinikums Frankfurt [1].
In diesem nationalen Schwangerschaftsregister können HIV-Behandler, Gynäkologen/Geburtshelfer und Pädiater jeweils getrennt nach der Geburt des Kindes einmalig einen Online-Dokumentationsbogen ausfüllen. Die mütterlichen und kindlichen Daten der 3 Fachrichtungen werden mit Hilfe des RKI-(Robert Koch-Institut) Codes in der Datenbank zusammengeführt. Bislang haben sich insgesamt 57 Zentren beim Schwangerschaftsregister registriert, davon dokumentieren bereits 29 Zentren.
Prävention der HIV-Übertragung auf das Kind erfolgreich
„Frauen machen in Deutschland zwar ‚nur‘ knapp 20 Prozent der von HIV-betroffenen Personen aus, aber sie sind eine besondere Gruppe“, betonte Haberl. „Wir wissen beispielsweise schon länger, dass der Verlauf der HIV-Infektion und die Verträglichkeit der HIV-Therapie bei Frauen anders sind als bei Männern. Besonders wichtig sind auch das frauenspezifische Thema Schwangerschaft und die Verträglichkeit der HIV-Medikamente nicht nur für die schwangeren Frauen, sondern auch für die Kinder.“
In Deutschland werden pro Jahr schätzungsweise 250 bis 300 HIV-exponierte Kinder geboren. „Nun haben wir erstmals Daten aus dem nationalen HIV-Schwangerschaftsregister. Und die gute Nachricht ist nicht nur, dass wir überhaupt systematische Daten haben, sondern vor allem, dass wir sehr erfolgreich in der Prävention der Mutter-Kind-Übertragung sind.“
Zum Zeitpunkt der Auswertung lagen insgesamt 564 Dokumentationsbögen vor: 308 Bögen von HIV-Behandlern, 123 Bögen von Gynäkologen/Geburtshelfern und 133 Bögen von Pädiatern. Das Durchschnittsalter der Schwangeren lag bei 31,2 Jahren. Insgesamt 60% der Frauen waren afrikanischer Ethnizität, 34% kaukasisch und 6% anderer Herkunft.
Bei fast allen Frauen zum Zeitpunkt der Geburt kein HIV mehr nachweisbar
Insgesamt 47% der Frauen erhielt die HIV-Diagnose erstmals im Rahmen einer Schwangerschaftsvorsorge, davon 26% während der aktuellen Schwangerschaft. Rund Zweidrittel wurden bereits vor der Schwangerschaft von einem HIV-Behandler betreut. Vor der Schwangerschaft erhielten 160 Frauen eine antiretrovirale Therapie, davon 60% eine Kombination aus einem geboosterten Proteaseinhibitor und 2 Nukleosidanaloga.
In der Schwangerschaft wurde bei 134 Frauen eine HIV-Therapie erstmals angesetzt. 70% der Frauen setzten die HIV-Therapie nach der Schwangerschaft fort. Zum Beginn der Schwangerschaft lag die HIV-Viruslast bereits bei 47% der Frauen unter der Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml, zum Zeitpunkt der Entbindung war das bei 85% der Schwangeren der Fall. Weitere 12% hatten zum Zeitpunkt der Entbindung eine HIV-Viruslast von unter 1.000 Kopien/ml.
Damit sei das Ziel „nicht nachweisbare Viruslast zum Zeitpunkt der Geburt“, um das Risiko einer vertikalen Transmission so gering wie möglich zu halten, bei den meisten Frauen erreicht, freute sich Haberl. Bei nur einem Kind kam es zu einer HIV-Infektion, das entspricht einer Transmissionsrate von 0,75%.
Die Geburt der Kinder erfolgte durchschnittlich in der 38. Schwangerschaftswoche. Die häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft waren vorzeitiger Blasensprung und behandlungsbedürftige Wehentätigkeit. Insgesamt 110 (85%) der dokumentierten 133 Kinder erhielten für durchschnittlich 24 Tage nach der Geburt eine Postexpositionsprophylaxe. Bei 5 Kindern wurde eine Fehlbildung dokumentiert: Es traten Hufeisenniere, Seh- und Hörstörung und offenes Formen ovale, Laryngomalazie, Ventrikel- und Vorhofseptumdefekte sowie Hexadactylie auf.
HIV-Test in der Schwangerschaftsvorsorge wichtig!
„Diese Daten zeigen, dass sich die Frauen frühzeitig beim HIV-Behandler vorstellen und mehr als die Hälfte bereits eine antiretrovirale Therapie vor der Schwangerschaft erhalten“, sagte Haberl. „Anderseits erhält knapp die Hälfte der Frauen die HIV-Diagnose erst im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge – das unterstreicht die besondere Bedeutung des HIV-Testangebots in der Schwangerschaftsvorsorge.“
In den letzten Jahren stieg Haberl zufolge die Anzahl der HIV-Tests bei Schwangeren kontinuierlich. „Das ist sehr erfreulich. Wir haben viel erreicht und sollten in unseren Bemühungen, den HIV-Test jeder Schwangeren anzubieten, nicht nachlassen.“
REFERENZEN:
1. 7. Deutsch-Österreichischer AIDS-Kongress (DÖAK), 24. bis 27. Juni 2015, Düsseldorf
Diesen Artikel so zitieren: Deutsche HIV-Erfolgsstory: Mutter-Kind-Übertragung dank wirsamer Therapie gestoppt - Medscape - 9. Jul 2015.
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