Düsseldorf – Trotz anamnestisch fehlender Symptome konnte in einer Hamburger Studie bei knapp 14% der HIV-positiven Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), eine behandlungsbedürftige Gonorrhoe, Chlamydia-trachomatis-Infektion oder Syphilis nachgewiesen werden. „Wir müssen mehr und häufiger auf diese Infektionen untersuchen, auch asymptomatische Patienten“, forderte deshalb der Studienleiter Prof. Dr. Andreas Plettenberg vom ifi-Institut für interdisziplinäre Medizin, Zentrum Infektiologie, an der Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg, auf dem 7. Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses und betonte: „Wir brauchen in Deutschland einen akzeptierten Standard, am besten eine S3-Leitlinie, wann, wie oft und wie ein Screening auf sexuell übertragbare Infektionen (STI) stattfinden soll.“[1]
Üblicherweise erfolge eine Diagnostik und anschließende Therapie einer Erkrankung, wenn auch Symptome vorliegen. Fehlten diese, so kann nach ausgewählten Fällen nur per Screening gefahndet werden. In Deutschland gebe es ein Screening auf Mamma-, Zervix-, Kolon- und Prostatakarzinom sowie Melanom, sagte Plettenberg. Ebenso werde ein Screening auf Glaukom und kardiovaskuläre Risikofaktoren angeboten, zählte er die wichtigsten Screening-Programme auf.
Ein Screening auf Infektionen sei dagegen eher selten, die wichtigsten seien Tuberkulose-Screening vor Gabe von TNF-alpha-Inhibitoren bei rheumatischen Erkrankungen, MRSA-Screening bei stationärer Aufnahme und das jährliche Chlamydia-trachomatis-Screening bei Frauen im Alter von 18-25 Jahren oder vor einer geplanten Schwangerschaft.
Asymptomatische STIs auf dem Vormarsch
Plettenberg zufolge häufen sich in den letzten Jahren Berichte über asymptomatische STIs bei HIV-infizierten Patienten, die unter Umständen ein erweitertes Screening auf Gonorrhoe, Syphilis und Chlamydia trachomatis erfordern. Am ifi-Institut Hamburg wird allen HIV-positiven Patienten empfohlen, sich alle 12 Monate einer standardisierten Gesundheitsuntersuchung zu unterziehen. Diese umfasst unter anderem eine komplette körperliche Untersuchung, Inspektion der Mundhöhle, rektale digitale Untersuchung, Syphilis-Serologie, Ergometrie, Oberbauchsonografie, Echokardiographie und Routinelabor.
Eine weitere STI-Diagnostik erfolgt, wenn eine STI nachgewiesen wurde, Patienten Symptome angeben, bei Patienten mit Risikokontakten oder mit Partnerinfektionen und wenn die behandelnden Ärzte dies für sinnvoll erachten.
Es existiere aber kein für die Ärzte verbindlicher Standard, weitere STI-Diagnostik in bestimmten Zeitintervallen durchzuführen, so Plettenberg, und es blieben offene Fragen, z. B. ob mit diesem Vorgehen STI übersehen würden, ob mehr STI-Diagnostik nötig sei und wie oft asymptomatische STI überhaupt aufträten.
Studie ergibt 14 Prozent asymptomatische STIs
Um diese Fragen beantworten zu können, wurde die Häufigkeit von STIs bei 251 konsekutiven HIV-positiven MSM, die sich zur jährlichen Gesundheitsuntersuchung im Zeitraum Mai 2013 bis März 2014 vorstellten, untersucht. Die Patienten füllten einen Fragebogen aus, der auch Fragen zum Sexualleben umfasste, sie wurden körperlich untersucht und es wurden 3 Abstriche aus dem Pharynx (2x trocken, 1x mit Medium), 2 Abstriche aus dem Anus (1x trocken, 1x mit Medium) und 2 Proben aus dem Morgenurin genommen sowie Blut abgenommen.
Die MSM waren im Median 46 Jahre alt, knapp die Hälfte waren Single oder hatten zurzeit keine feste Beziehung und ein Drittel lebte in einer offenen Beziehung. 41% der MSM gaben an, in den letzten 6 Monaten nicht mehr als 1 Sexualpartner gehabt zu haben und jeweils 27%, dass sie 2 bis 5 bzw. mehr als 5 Sexualpartner hatten.
Eine behandlungsbedürftige STI wurde bei 13,4% der asymptomatischen HIV-positiven MSM diagnostiziert (positive Syphilis-Serologie (IgG): 48%; positiver Syphilis-IgM-Nachweis: 3,2%; therapiebedürftige Syphilis: 1,2%; Gonorrhoe: 4,8%; Chlamydia trachomatis: 10,4%; Trichomoniasis: 0%, HCV1: 2,4%; HSV2: 5,2%; Hochrisiko-HPV: 60,2%; ESBL: 5,2%; beta-hämolysierende Streptokokken: 29,5%)
Plettenberg rechnete bei den 3 therapiebedürftigen Syphilis-Fällen vor, dass diese Zahl pro Jahr 2,4 Fälle auf 100 MSM entsprechen. Das sind bei jährlich zirka 1.500 betreuten MSM am ifi-Institut etwa 60 zu erwartende therapiebedürftige Syphilis-Fälle. Gonorrhoe und Chlamydia trachomatis wurden überwiegend rektal (85%) gefunden, pharyngeale und urethrale Lokalisationen waren selten (6% und 9%). Nur ein Drittel der Patienten mit Gonorrhoe und Chlamydia trachomatis hätten dazu passende Symptome in den letzten 12 Monaten bemerkt.
„Als Folge dieser Studie wird am ifi-Institut zukünftig routinemäßig neben Syphilis auch auf Gonorrhoe und Chlamydia trachomatis untersucht und das Untersuchungsintervall vermehrt vom individuellen Risikoverhalten abhängig gemacht“, kündigte Plettenberg an.
REFERENZEN:
1. 7. Deutsch-Österreichischer AIDS-Kongress (DÖAK), 24. bis 27. Juni 2015, Düsseldorf
Diesen Artikel so zitieren: Andere sexuell übertragbare Infektionen bei HIV-Infizierten – screenen auch ohne Symptome? - Medscape - 3. Jul 2015.
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