Neues Antidiabetikum hemmt SGLT2 und SGLT1 – und senkt den Insulinbedarf bei Typ-1-Diabetes

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

2. Juli 2015

Prof. Dr. Michael Nauck

Ein neues Gliflozin, das nicht nur SGLT2 inhibiert, sondern auch den für die Glukoseresorption im Darm zuständigen SGLT1-Rezeptor, konnte in einer kleinen Studie bei Patienten mit Typ-1-Diabetes den Bedarf an Bolusinsulin zu den Mahlzeiten reduzieren [1]. Der erhoffte Effekt, so auch das Hypoglykämierisiko zu senken, ließ sich in der Studie allerdings nicht nachweisen.

Die lebensnotwendige Insulintherapie beim Typ-1-Diabetes birgt einige Nachteile, allen voran das Risiko für schwere Hypoglykämien, aber auch die Neigung zur Gewichtszunahme. „Es wird erforscht, ob man zusätzlich zur Insulintherapie eine orale Substanz geben könnte, die den Insulinbedarf senkt und dadurch möglicherweise auch das Risiko für Unterzuckerungen“, erläutert der Diabetologe Prof. Dr. Michael Nauck im Gespräch mit Medscape Deutschland.

 
Es wird erforscht, ob man zusätzlich zur Insulintherapie eine orale Substanz geben kann, die den Insulinbedarf senkt und dadurch möglicherweise auch das Risiko für Unterzuckerungen. Prof. Dr. Michael Nauck
 

Mit dem dualen SGLT1-/2-Hemmer Sotagliflozin ist dies in einer kleinen Studie an 33 Typ-1-Diabetes-Patienten teilweise gelungen: Unter Sotagliflozin reduzierte sich der Bolusinsulinbedarf um mehr als 30%. Auch andere Parametern der glykämischen Kontrolle, etwa der HbA1c-Wert oder die im Blutzuckerzielbereich verbrachte Zeit, verbesserten sich. Während die Patienten in der Placebogruppe ein halbes Kilo zulegten, nahmen die Patienten unter Sotagliflozin 1,7 kg ab.

Auffällig an den Studienergebnissen sei jedoch, dass Sotagliflozin anscheinend keinen Effekt auf den Blutdruck der Probanden hatte, sagt Nauck, der am St. Josef-Hospital der Ruhr-Universität Bochum die Abteilung für Diabetologie leitet: „Der robuste und schon häufig beschriebene Blutdruckeffekt gehört bei den SGLT2-Inhibitoren ganz selbstverständlich dazu.“

SGLT1-Inhibition geht auch ohne Magen-Darm-Symptome

Der primäre Effekt der SGLT1-Inhibition ist die Reduktion des postprandialen Blutzuckerspiegels, indem die Aufnahme von Glukose aus dem Darm verhindert wird. „Lange Zeit wagte man nicht, basierend auf diesem Prinzip ein Medikament zu entwickeln“, berichtet Nauck. Man ging davon aus, dass es ähnliche Symptome wie eine Laktoseunverträglichkeit verursachen würde, wenn man die Glukoseresorption aus der Nahrung verhindert. „Doch die Studie zu Sotagliflozin zeigt, dass man sich da geirrt hat“, betont er.

 
Die Patienten spritzten zwar weniger Insulin, hatten aber nicht signifikant weniger Unterzuckerungen. Prof. Dr. Michael Nauck
 

„Was bei dieser Studie aber enttäuschte, war der fehlende Effekt auf Hypoglykämien. Die Patienten spritzten zwar weniger Insulin, hatten aber nicht signifikant weniger Unterzuckerungen“, sagt Nauck. Lag dies möglicherweise an der zu kleinen Teilnehmerzahl?

„Eine Verringerung des Bolusinsulins könnte zu einem niedrigeren Risiko für postprandiale Hypoglykämien beitragen“, schreiben die Autoren um Arthur T. Sands von der Herstellerfirma Lexicon Pharmaceuticals. Und rein numerisch traten in der Sotagliflozin-Gruppe tatsächlich weniger hypoglykämische Ereignisse auf als unter Placebo. „Mit Sicherheit sagen lässt sich aufgrund dieser Daten aber nur, dass Sotagliflozin das Risiko für Hypoglykämien nicht erhöht“, betonen die Autoren.

Direkter Vergleich notwendig

„Die zu spritzende Insulindosis ist das Gegengewicht zum Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit“, erläutert Nauck. „Man kann einen niedrigeren Bedarf an Insulin also als Maß dafür nehmen, dass die Glukose tatsächlich schlechter resorbiert wurde.“ Dagegen habe in den Studien mit den selektiven SGLT2-Hemmern Empagliflozin und Dapagliflozin das Bolusinsulin nicht signifikant reduziert werden können.

„Es scheint also tatsächlich einen Unterschied  zu machen, ob man einen hochselektiven SGLT2-Inhibitor nimmt oder einen Inhibitor, der beide Glukosetransporter hemmen kann“, sagt Nauck. „Doch um klinische Empfehlungen für die Therapie aussprechen zu können, ist ein direkter Vergleich zwischen Sotagliflozin und einem reinen SGLT2-Inhibitor notwendig.“

 

REFERENZEN:

1. Sands AT et al: Diabetes Care 2015;38:1181–1188

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....