Kirchen zur Sterbehilfe: Verhindern, dass „Suizidbeihilfe zur alltäglichen Selbstverständlichkeit wird“

Christian Beneker

Interessenkonflikte

1. Juli 2015

Die beiden großen christlichen Kirchen haben sich am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme zu der Sterbehilfedebatte am morgigen Donnerstag im Bundestag für ein gesetzliches Verbot der organisierten Formen der Beihilfe zur Selbsttötung ausgesprochen. „Wir müssen verhindern, dass die Suizidbeihilfe in unserem Land zur alltäglichen Selbstverständlichkeit wird“, heißt es in der heute veröffentlichten Erklärung [1].

Die Erklärung, gezeichnet vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,Kardinal Reinhard Marx, und dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, richtet sich auch an Ärzte und hält in der Einleitung unmissverständlich fest, dass ein Verbot für die Beihilfe zur Selbsttötung muss für alle Vereine, Organisationen sowie Einzelpersonen, aber auch für Ärzte gelten müsse, die den assistierten Suizid als Behandlungsoption in geschäftsmäßiger Form anbieten.

Am Donnerstag wird der Bundestag über die Gesetzesvorschläge diskutieren, die die Sterbehilfe neu regeln wollen. Bereits im November 2014 hatten die Abgeordneten in einer Orientierungdebatte das Thema diskutiert (wie Medscape Deutschland berichtet hat). Jetzt liegen 4 Gesetzesentwürfe auf dem Tisch. Bisher gilt in Deutschland folgende Regelung: Die aktive Sterbehilfe, also das so genannte Töten auf Verlangen ist verboten. Nicht verboten ist dagegen der assistierte Suizid, etwa das Bereitstellen eines tödlichen Medikamentes für den Sterbewilligen.

Für Ärzte allerdings gilt diese Straffreiheit nicht. Ihr Berufsrecht verbietet ihnen auch diesen assistieren Suizid. Allerdings wird das Verbot in verschiedenen Landesärztekammern unterschiedlich ausgelegt. Grundsätzlich aber ist den Medizinern als Ärzten untersagt, was ihnen als Bürger erlaubt ist.

Dem Bundestag geht es aber nicht nur um die Situation der Ärzte. Sondern auch um die Frage, ob in Deutschland die Beihilfe zum Suizid geschäftsmäßig oder gewerbsmäßig, also organisiert und gegen Bezahlung etwa durch bestimmte Vereine betrieben werden darf.

Was unterscheidet die vier fraktionsübergreifenden Gesetzesentwürfe?

Aus ärztlicher Sicht am weitesten geht wohl der Entwurf einer über 30-köpfigen Abgeordnetengruppe um die beiden Politikerinnen Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke). Sie wollen die Sterbehilfe grundsätzlich erlauben, auch durch Sterbehilfe-Vereine. Ärzte sollen als Helfer zur Selbsttötung assistieren dürfen, es aber nicht müssen. Die Sterbewilligen müssen in der Lage sein, frei verantwortlich zu entscheiden. Das ärztliche Berufsrecht soll an dieser Stelle außer Kraft gesetzt werden. Jedes kommerzielle Angebot zur Sterbehilfe soll dagegen strafrechtlich verboten werden.

Eine Abgeordnetengruppe um den CDU-Politiker Peter Hinze und den SPD-Gesundheitsexperten Prof. Dr. Karl Lauterbach befürwortet in ihrer Vorlage ebenfalls den ärztlich assistierten Suizid. Dazu soll im Bürgerlichen Gesetzbuch ein entsprechender Paragraf zur ärztlich begleiteten Lebensbeendigung eingefügt werden. Die Abgeordneten betonen hier die Kompetenz der Ärzte zur Sterbebegleitung. Dachach soll jedoch geschäftsmäßige Sterbehilfe nicht mehr möglich sein. Der Sterbewillige muss volljährig sein, einwilligungsfähig und unheilbar krank, um die Assistenz des Arztes in Anspruch nehmen zu können. Und Bedingung ist: Mindestens 2 Ärzte müssen den Patienten zu dem Sterbewunsch beraten haben.

Für ein strenges Verbot jeder Art von Sterbehilfe stimmen die Abgeordneten Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger von der CDU in ihrem Antrag. Sie fordern Freiheitsstrafen für jeden, der einen anderen zum Suizid anstiftet oder ihm beim Suizid assistiert. Nur so seien Kranke und Schwache zu schützen.

Ein weiterer fraktionsübergreifender Antrag (der Medscape Deutschland vorliegt) – unter anderem vom Michael Brand (CDU) und Harald Terpe (Grüne) –, will vor allem die „geschäftsmäßige Sterbehilfe" mit der Androhung von bis zu 3 Jahren Gefängnis verbieten. Wer die Beihilfe zum Suizid organisiert und als bezahlte Dienstleistung anbietet, soll sich strafbar machen. Die nicht organisierte Assistenz zum Suizid wäre damit allerdings straffrei. Mit der Regelung soll eine gesellschaftliche Gewöhnung an den assistierten Suizid verhindert werden.

Kirchen gegen die Aufweichung des Tötungstabus

 
Gerade Menschen, die ... oft Angst davor haben, anderen zur Last zu fallen, würden hierdurch unter einen subtilen sozialen Druck geraten. Reinhard Marx und Dr. Heinrich Bedford-Strohm
 

Der Ansatz der beiden großen christlichen Kirchen dürfte dem zuletzt beschriebenen Antrag von Brand und Terpe am nächsten stehen. „Ohne ein klares gesetzliches Zeichen gegen geschäftsmäßig angebotene Beihilfe zum Suizid befürchten wir eine zunehmende Aufweichung des Tötungstabus in unserer Gesellschaft“, heißt es in der Stellungnahme der beiden Vorsitzenden. „Gerade Menschen, die sich auf Grund ihres Alters, von Gebrechlichkeit oder schwerer Krankheit ohnehin in einer schwierigen Lebenssituation befinden und oft Angst davor haben, anderen zur Last zu fallen, würden hierdurch unter einen subtilen sozialen Druck geraten. Darin sehen wir eine erhebliche Gefahr für die Würde des menschlichen Lebens.“

Zugleich betonen die beiden Vorsitzenden die große Bedeutung der Hospiz- und Palliativversorgung. „Die Gesellschaft und insbesondere die Politiker unseres Landes sind aufgerufen, jedes Leben in seiner ganzen Gebrechlichkeit und Verletzlichkeit zu schützen und die Rahmenbedingungen für eine angemessene menschliche und medizinische Fürsorge am Lebensende zu schaffen“, so Bedford-Strohm und Marx. „In einer humanen Gesellschaft muss es ein wichtiges Anliegen sein, dass Menschen am Lebensende gut versorgt und begleitet in Würde sterben können.“

 

REFERENZEN:

1. Pressemeldung der evangelischen und katholischen Kirche Deutschlands: Parlamentarische Beratungen zur Neuregelung der Suizidbeihilfe im Deutschen Bundestag / Stellungnahme von Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm, 1. Juli 2015

 

Kommentar

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