Zeitarbeitsfirmen werben zunehmend damit, dass sie beim Fachpfleger-Mangel der Kliniken in die Bresche springen können. „Viele Kliniken kommen heute ohne qualifiziertes Zeitarbeitspersonal nicht mehr aus. So haben wir schon häufig helfen können, damit gerade in den Bereichen OP und Intensiv der geordnete Krankenhausbetrieb aufrechterhalten werden konnte“, sagt der Geschäftsführer Iperdi Holding Nord GmbH Thomas Rehder gegenüber Medscape Deutschland.
Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Forsa unter 100 Direktoren deutscher Krankenhäuser sieht sich nur noch jedes 4. deutsche Krankenhaus in der Lage, dem Mangel an Pflegekräften zu begegnen. Auch das Krankenhaus Barometer 2013 machte den Engpass deutlich: 34% der Krankenhäuser gaben in einer Umfrage an, Probleme zu haben, offene Stellen im Pflegedienst auf Normalstationen zu besetzen – mangels geeignetem Personal; 40% hatten es schwer, Fachkräfte für die Intensivpflege zu bekommen. 29% der Kliniken klagten über eine Personalflaute im OP-Bereich.
Kritik: Pflegenotstand auf normalen Stationen ist Ärzten egal
„Vor allem im OP- und Intensivbereich tun die Kliniken viel, um die Lücken zu stopfen, gegenbenfalls mit Zeitarbeit“, bestätigt Johanna Knüppel, Referentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe – Bundesverband (DBfK) gegenüber Medscape Deutschland.
Der Grund: Intensivstationen müssten stillgelegt werden, wenn dort der Personalbestand eine kritische Grenze unterschreitet. Dies wirkt sich auf die Erlöse des Krankenhauses direkt aus, weil dann Operationen ausfallen. Ob jedoch genügend qualifiziertes Pflegepersonal auf den Normalstationen vorhanden ist, sei der Klinikleitung oft herzlich egal, meint Knüppel. „Dort wird rücksichtlos belegt, sehr oft auch noch die Gänge und Einschubbetten.“
Neu einbestellte Patienten kämen zum Teil auf die Station, ohne dass der Vorgänger bereits entlassen worden sei. „Für die Pflegenden ist das eine immense zusätzliche Belastung, auf die niemand Rücksicht nimmt“, kritisiert die DBfK-Referentin.
Haben Fachkräfte überhaupt Zeitarbeit nötig?
Knüppel sieht die Zeitarbeit skeptisch: „Es fragt sich, welches Personal kommt, und ob man sich als Klinikbetreiber nicht ein Qualitätsrisiko ins Haus holt“, meint sie. Gut qualifizierte Kräfte, gerade mit Expertise für den OP oder im Intensivbereich, seien auf dem Arbeitsmarkt so gefragt, dass sie selbst Bedingungen stellen könnten und auch bessere Löhne verhandeln könnten. „So jemand hat es nicht nötig, sich von einem Zeitarbeitsunternehmen vermitteln zu lassen, das ja mitverdienen will“, sagt Knüppel.
Iperdi-Geschäftsführer Rehder sieht das anders: „Zumeist ist der Verdienst bei einem Personaldienstleister besser als in der Direktbeschäftigung im Krankenhaus. Bei iperdi liegt der Vorteil sowohl in den besseren Verdienstmöglichkeiten als auch in der Möglichkeit, sich fortzubilden und zu qualifizieren“, betont er.
In der Zeitarbeitsfirma könnten auch Mitarbeiter beschäftigt werden, die aufgrund ihrer Lebenssituation nur in bestimmten Schichten arbeiten können – etwa in der Früh- oder Spätschicht oder an Wochenenden. Dazu gehörten Mütter, Alleinerziehende, nebenberuflich Studierende oder jüngere Kräfte, die Erfahrungen in mehreren Kliniken sammeln wollten.
„In den Kliniken gibt es nur selten Abweichungsmöglichkeiten zu den bestehenden Dienstplänen“, so Rehder. Iperdi-Mitarbeiter seien zudem flexibler als Mitarbeiter, die seit 20 Jahren in einem Krankenhaus arbeiten, betont er. Die Pflegekräfte wechselten häufig zwischen 2 bis 3 Kliniken hin und her. Nach 12 Monaten hätten die Kliniken die Möglichkeit, Fachkräfte kostenfrei zu übernehmen.
Personalnotstand: ein hausgemachtes Problem?
Kann Zeitarbeit eine Lösung für den Personalnotstand in der Pflege sein? „Sie kann im Wesentlichen hilfreich sein, um kurzfristige Engpässe aufgrund von Krankheit, Elternzeit oder während der Zeit einer Stellen-Neubesetzung aufzufangen“, so Holger Mages, Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gegenüber Medscape Deutschland. Zeitarbeitsfirmen seien aber aus der Sicht der DKG kaum geeignet, einem generellen Fachkräftemangel zu begegnen.
Der größte Teil des Fachkräftemangels sei hausgemacht – durch jahrelanges Sparen an der falschen Stelle und Verschleißen der Motivation und Gesundheit der Mitarbeiter, meint Knüppel. Von den Kliniken ausgebildetes Pfegefachpersonal wechsle häufig nach der Ausbildung in eine andere Branche oder beginne ein Studium, weil der Berufsalltag wenig attraktiv sei.
Diesen Artikel so zitieren: Mangel an Fachkrankenpflegern in den Kliniken: Zeitarbeitsfirmen wollen die Lücken stopfen – OP und Intensiv bevorzugt - Medscape - 29. Jun 2015.
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