
PD Dr. Lutz Frankenstein
Herzinsuffizienten Patienten sollte bei Bluthochdruck nicht der Angiotensin-Rezeptoren-Blocker (ARB) Olmesartan verordnet werden, falls sie bereits ACE-Hemmer und Betablocker erhalten. Denn diese Triple-Therapie erhöhte in der SUPPORT-Studie nicht nur die Gefahr einer Nierenfunktionsstörung, sondern auch die Sterblichkeit. Die Studie ist kürzlich im European Heart Journal publiziert worden [1].
„Das ist eine wichtige Kernaussage der Studie. Und sie ist mit harten Endpunkten unterlegt“, konstatiert PD Dr. Lutz Frankenstein, Oberarzt in der Abteilung Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des Universitätsklinikums Heidelberg und Leiter der Herzinsuffizienz-Ambulanz, gegenüber Medscape Deutschland.
„Zwar repräsentiert die Studie nicht die größte, wohl aber eine relevante Kohorte, und sie hat ausreichend Endpunkte, um einen validen statistischen Wert liefern zu können. Allerdings gibt es klare Limitationen: So haben die Autoren nicht zwischen der Vielzahl an ACE-Hemmern unterschieden. Und es wurden Patienten mit reduzierter und mit erhaltener Ejektionsfraktion gemeinsam untersucht. Dies reduziert für die einzelnen Gruppen die Anzahl eingeschlossener Patienten deutlich.“
Vor allem Patienten mit milder Herzinsuffizienz beteiligt
Eine japanische Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Yasuhiko Sakata, Department of Cardiovascular Medicine, Tohoku University Graduate School of Medicine and Tohoku University Hospital in Japan, hatte in einer prospektiven randomisierten Open-label-Studie mit verblindeten Endpunkten die Therapien von insgesamt 1.147 Personen mit Bluthochdruck und symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz untersucht. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 66 Jahre, 75% waren männlich.
93% der Studienteilnehmer litten unter einer Herzinsuffizienz der NYHA (New York Heart Association)-Klasse 2, 7% der NYHA-Klasse 3. Der durchschnittliche systolische Blutdruck lag bei 128 mmHg, der diastolische bei 74 mmHg. Nach Randomisierung erhielten 578 Patienten zusätzlich zur vorhandenen Therapie mit Betablocker beziehungsweise ACE-Hemmer noch Olmesartan, die Kontrollgruppe ohne das Sartan umfasste 569 Personen.
Primärer Endpunkt war eine Kombination aus Mortalität jedweder Ursache, nicht tödlichem Myokardinfarkt oder Schlaganfall und Hospitalisierung aufgrund sich verschlechternder Herzinsuffizienz. Den primären Endpunkt erreichten im Laufe des durchschnittlichen Follow-up von 4,4 Jahren 192 Patienten (33,2%) der Olmesartan-Gruppe und 166 Patienten (29,2%) der Kontrollgruppe. Eine renale Funktionsstörung entwickelten 16,8% der Patienten der Olmesartan-Gruppe vs. 10,7% in der Kontrollgruppe.
Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass besonders bei Triple-Therapie mit Olmesartan zusätzlich zur Kombination aus ACE-Hemmer und Betablocker Nierenfunktionsstörungen häufiger waren: bei 21,1% dieser Patienten im Vergleich zu 12,5% in der Gruppe der Kombinationstherapie ohne Olmesartan. Auch der primäre Endpunkt wurde bei Triple-Therapie mit 38,1% häufiger erreicht als in der Gruppe ohne Olmesartan mit 28,2%. Die Gesamtmortalität war ebenfalls in der Olmesartan-Gruppe höher (19,4% vs. 13,5%), wobei insbesondere die Zahl kardiologischer Ereignisse größer war.
Duale Kombinationen mit Olmesartan teilweise hilfreich
Eine duale Kombination von Olmesartan mit einem ACE-Hemmer oder Betablocker war dagegen mit keinen signifikanten Veränderungen des primären Endpunktes assoziiert. Die Kombination von Olmesartan mit Betablockern allein zeigte sogar einen gewissen schützenden Effekt. Die allgemeine Mortalität war nämlich mit 9,4% (10/106) bei Patienten mit Betablockern und Olmesartan geringer als mit 22,1% (23/104) bei Patienten, die nur Betablocker erhielten. Dieser schützende Effekt trat nicht auf, wenn ein ACE-Hemmer allein mit Olmesartan eingenommen wurde.
„Es ist bemerkenswert, dass die duale Kombination von ACE-Hemmern und Olmesartan mit einer niedrigeren Rate an neu aufgetretenem Vorhofflimmern verbunden war“, konstatieren Sakata und seine Kollegen, „und dass Olmesartan und Betablocker assoziiert waren mit einer niedrigeren Mortalität ohne Entwicklung einer renalen Dysfunktion. Daher kann man davon ausgehen, dass die Triple-Therapie gesundheitsschädlich ist, während die duale Kombinationstherapie, insbesondere Olmesartan und Betablocker, Patienten mit Bluthochdruck und chronischer Herzinsuffizienz einen Benefit bringen könnte.“
Allerdings sei bei der dualen Kombination von Olmesartan und ACE-Hemmern Vorsicht geboten: Denn einige neuere Studien zeigten, dass eine duale Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) die Mortalität nicht senken konnte, dafür aber „mit einem exzessiven Risiko unerwünschter Nebenwirkungen, inklusive renaler Dysfunktion, Hyperkaliämie und Hypotension insbesondere bei Patienten mit Herzinsuffizienz assoziiert war“, so die Autoren.
In Deutschland selten Dreier-Kombination
In Deutschland wird laut Frankenstein eine Dreier-Kombination nur selten angewendet. „Spätestens seit der ONTARGET-Studie geht man hier extrem vorsichtig mit der Kombination von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern um.“ Die ONTARGET-Studie war eine der ersten Studien, die gezeigt hatte, dass eine sogenannte duale RAS-Blockade, in diesem Fall über die Kombination des ARB Telmisartan und des ACE-Hemmers Ramipiril, die Patienten vermehrt arterielle Blutdruckabfälle, Synkopen und auch Nierenfunktionsstörungen erlitten.
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC), angesiedelt in der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), hatte daraufhin im Frühjahr vergangenen Jahres vor dieser Kombination gewarnt (wie Medscape Deutschland berichtete).
„Laut Leitlinien ist für Herzinsuffizienz die Kombinationstherapie Betablocker und ACE-Hemmer erste Wahl“, so Frankenstein. „Bei Bluthochdruck wird hierzulande aus der Gruppe der RAS-Inhibitoren zusätzlich Spironolakton gegeben – besonders wenn man eine adrenale Komponente des Hypertonus vermutet. ARB werden nur dann gegeben, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden. Das ist die deutsche Versorgungsrealität, die von den Hausärzten so seit längerem erfolgreich praktiziert wird und auch durch die SUPPORT-Studie bestätigt wird.“
Repräsentativität nach oben nicht gegeben
„Stationär werden jährlich über 390.000 Patienten aufgrund einer chronischen Herzinsuffizienz behandelt, ohne die Patienten zu zählen, die wegen einer anderen Diagnose eingeliefert werden und begleitend eine chronische Herzinsuffizienz haben“, rechnet Frankenstein vor. Von diesen Patienten haben laut dem Heidelberger Register 30 bis 40% Bluthochdruck – und das nur bezogen auf die systolische Herzinsuffizienz. „Dann kommen noch die ambulant versorgten Patienten dazu, die in der hausärztlichen Versorgung gut 2% aller Patienten ausmachen. Das ist schon eine riesige Zahl von Menschen, für die diese Studie wichtig ist.“
Allerdings, so die Kritik des Heidelberger Kardiologen, ist das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmer mit 66 Jahren noch relativ jung. „Im niedergelassenen Bereich werden vor allem ältere Patienten über 65 Jahren aufgrund von Herzinsuffizienz behandelt. Diese Altersgruppe macht in der Studie gerade einmal 30 bis 35% aus. Das ist nicht mehr repräsentativ, und das ist ein weiteres limitierendes Problem der Studie: Da wo es ernst wird, ab 70 Jahren, da wird es in der Studie dünn“, gibt Frankenstein zu bedenken.
Zudem könne man die Studienergebnisse durch und vor allem für die relativ kleine Gruppe der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ohne eingeschränkte Pumpfunktion nicht unbedingt verallgemeinern.
„Die diastolische Herzinsuffizienz – oder präziser die Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion – dringt als Entität auch nur zögerlich ins Bewusstsein der Ärzte“, bedauert Frankenstein. „Die diagnostischen Kriterien sind noch nicht vollständig fixiert, und vor allem konnte für diese Erkrankungsgruppe noch immer keine wirksame Therapie gefunden werden.“
Es bleiben also noch immer viele Fragen offen.
REFERENZEN:
1. Sakata Y, et al: Eur Heart J. 2015; 36(15):915-923
Diesen Artikel so zitieren: SUPPORT-Studie: Mit Olmesartan in Kombination mit ACE-Hemmer und Betablocker erhöhte Sterblichkeit und mehr Nierenfunktionsstörungen - Medscape - 30. Jun 2015.
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