Sekundärprävention nach Myokardinfarkt: Frauen erreichen seltener die Therapieziele

Axel Viola

Interessenkonflikte

26. Juni 2015

Nach einem Myokardinfarkt werden Frauen anders sekundärpräventiv versorgt als Männer. Dieses Ergebnis – statistisch signifikant – stammt aus einer Analyse des schwedischen SWEDEHEART-Registers, die kürzlich im European Journal of Preventive Cardiology veröffentlicht worden ist. [1]

Grundlage der Analyse sind die Datensätze von 51.620 Patienten (25,9% Frauen) im Alter bis 75 Jahre, die im Zeitraum zwischen 2005 und 2014 einen Myokardinfarkt überlebt hatten. Die Patientendaten wurden jeweils für einen Zeitraum bis 12 Monate nach dem Myokardinfarkt ausgewertet. Mit der Registerauswertung sollte untersucht werden, inwiefern die Ziele einer Sekundärprävention in Schweden umgesetzt bzw. erreicht werden.

Frauen erreichen seltener die Zielwerte bei Blutdruck und Blutfetten

Nach Ansicht der Autoren um Dr. Kristina Hambraeus von der kardiologischen Abteilung des Falun-Hospitals in Schweden sollten auf Basis ihrer Erkenntnisse die Anstrengungen verstärkt werden, um die Empfehlungen nationaler und internationaler Leitlinien zur Prävention eines erneuten Herzinfarktes umzusetzen.

Allerdings haben sie im Verlauf ihrer Untersuchung auch durchaus Verbesserungen bei verschiedenen Maßnahmen zur Sekundärprävention beobachtet. Vor allem 4 Medikamentengruppen werden bekanntlich nach Infarkt empfohlen: Statine, ASS, ACE-Hemmer bzw. Sartane und Betablocker. Nach den schwedischen Registerdaten stieg die Rate der Patienten, die zwischen 2005 und 2012 ein Statin erhielten, signifikant von 89,5% auf 91,8%. Ähnliches gilt für die ASS-Gabe (90,9 auf 92,2%; p = 0,017) und ACE-Hemmer (50,2 auf 53,9%; p = 0,013) oder Angiotensin-Rezeptorblocker (19,3 auf 27,4%; p < 0,001).

Besonderen Handlungsbedarf in der Sekundärprophylaxe sehen die schwedischen Wissenschaftler bei Frauen. Diese stünden im Vergleich zu Männern schlechter da. So wurden bei 67% der Männer, aber nur bei 63,3% der Frauen die angestrebten Ziele bei den Blutfettwerten erreicht (LDL unter 100 mg/dl bzw. 2,5 mmol/l). Ähnliches gilt für die Blutdrucksenkung, auch hier erreichten Frauen im Vergleich zu Männern (61,9 vs. 66,4%) seltener die angestrebten Zielwerte unter 140 mmHg systolisch.

Zweifel an einem grundsätzlichen Ungleichgewicht in der Sekundärprävention

Prof. Dr. Uwe Zeymer

Prof. Dr. Uwe Zeymer, Oberarzt der Medizinischen Klinik B am Klinikum Ludwigshafen und Vorstandsmitglied des Instituts für Herzinfarktforschung in Ludwigshafen, sieht die Daten aus dem schwedischen Register mit aus Deutschland stammenden Versorgungsdaten auf ähnlichem Niveau.

Allerdings hegt er Zweifel, ob es tatsächlich ein grundsätzliches Ungleichgewicht in der Sekundärprävention zwischen Frauen und Männern gibt. „Wir haben uns in unseren Registern ausführlich mit dieser Frage beschäftigt“, berichtet Zeymer im Gespräch mit Medscape Deutschland. In „aller Regel“ sei es so, dass altersadjustiert kein Unterschied in der Versorgung von Frauen und Männern zu beobachten sei. Das gelte sowohl für den Einsatz von beispielsweise Maßnahmen zur Revaskularisierung wie PCI oder Bypass-Operation, als auch für die Weiterbehandlung zur Sekundärprävention.

 
Ich wehre mich immer ein bisschen gegen die Behauptung, dass Frauen schlechter behandelt werden. Prof. Dr. Uwe Zeymer
 

„Ich wehre mich immer ein bisschen gegen die Behauptung, dass Frauen schlechter behandelt werden“, sagt Zeymer. Die in SWEDEHEART beobachten geschlechts-assoziierten Unterschiede wurden allerdings ebenfalls beobachtet, nachdem die Daten altersadjustiert ausgewertet worden waren.

Aus Sicht des Ludwigshafener Kardiologen sind die Unterschiede, die in der SWEDEHAERT-Studie beschrieben werden, nicht so gravierend, dass sie zwingend eine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung dokumentieren. So seien in SWEDEHEART beispielsweise zwar die Blutdruckwerte bei den Frauen statistisch signifikant im Mittel schlechter kontrolliert als bei Männern, aber ob dieser Unterschied auch klinische Relevanz besitze, könne daraus nicht unbedingt abgeleitet werden, sagt Zeymer.

Sind Frauen empfindlicher für Nebenwirkungen der Sekundärprävention?

Konkrete Gründe, weshalb Frauen nach einem Myokardinfarkt anders versorgt werden als Männer, können auch Hambraeus und Kollegen anhand der Daten des SWEDEHEART-Registers nicht nennen. Zwei Vermutungen stellen sie zur Diskussion: Zum einen vermuten sie, dass sowohl die betreuenden Ärzte als auch die Patienten selbst einer Fehleinschätzung unterliegen, wie groß der Einfluss der Kontrolle von Risikofaktoren tatsächlich ist – und diese deshalb vernachlässigen; zum anderen mutmaßen sie, dass Frauen möglicherweise häufiger über unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen klagen und daher die Medikamente nicht so zuverlässig nehmen.

Doch auch dies hält Zeymer für eher unwahrscheinlich: „Aus den randomisierten Studien gibt es keine sicheren Hinweise, dass Frauen häufiger von Nebenwirkungen bestimmter Medikamente betroffen sind als Männer.“

 

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Kommentar

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