Metaanalyse: Tägliche telemedizinische Datenkontrolle nach ICD-Implantation reduziert inadäquate Schocks

Matthias Manych

Interessenkonflikte

11. Juni 2015

Dr. Mattias Roser

Die telemedizinische Nachsorge bei Patienten mit implantierbarem Kardioverter-Defibrillator (ICD) ist verglichen mit der Routinekontrolle in der betreuenden Klinik ebenso sicher und in Bezug auf das Patientenüberleben mindestens ebenbürtig. Das ist das Ergebnis einer kürzlich im Journal of the American Academy of Cardiology publizierten Metaanalyse von 9 randomisierten kontrollierten Studien [1].

 
Die kurze Follow-up-Zeit … führt wahrscheinlich zu einer Unterschätzung des Telemonitoring-Nutzens. Dr. Mattias Roser
 

Wie Dr. Mattias Roser gegenüber Medscape Deutschland sagt, zeige die Studie mit zusammen fast 6.500 Patienten zwar ein ausgewogenes Ergebnis. „Doch die kurze Follow-up-Zeit ist eine Limitierung der in der Metaanalyse ausgewerteten randomisierten Studien und führt wahrscheinlich zu einer Unterschätzung des Telemonitoring-Nutzens“, erklärt der Leiter der Elektrophysiologie der Medizinischen Klinik für Kardiologie am Campus Benjamin Franklin der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In den analysierten Studien, in denen das ICD-Telemonitoring mit der Routinekontrolle in der Klinik verglichen wurde, betrug die Nachbeobachtungszeit 12 bis 36 Monate.

Begrenzte Aussagekraft bei 3 Jahren Nachbeobachtung

Die Gruppe um Erstautor Nirmalatiban Parthiban, Perdana University – Royal College of Surgeons in Ireland in Serdang, Malaysia, konnte bei der Gesamtsterblichkeit keine deutlichen Unterschiede zwischen der telemedizinischen und der konventionellen ICD-Kontrolle feststellen. Hinsichtlich kardiovaskulärer Todesursachen gab es mit einem Chancenverhältnis (Odds Ratio, OR) von 0,66 einen statistisch nicht signifikanten Trend zugunsten des Telemonitorings. Auch die Hospitalisierungsraten waren mit beiden Nachuntersuchungsmethoden vergleichbar.

 
Wir haben gelernt, dass die Reduktion jeglicher Art von Elektroschocks, inadäquate wie unnötige, für den Patienten Lebenszeit bedeutet. Dr. Mattias Roser
 

Werden der Therapiebeginn und der Krankheitsverlauf berücksichtigt, könnten in der untersuchten Nachbeobachtungszeit von maximal 3 Jahren auch kaum Mortalitätsunterschiede herauskommen, so Roser. Da immer früher mit der Therapie begonnen werde, würden so Verschlechterungen im natürlichen Erkrankungsverlauf verzögert – die Patienten bleiben über längere Zeiträume stabil.

„Wenn ein Patient in den nächsten 3 Jahren keine Verschlechterung seiner Herzinsuffizienz und kein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen haben wird, dann werden wir in einer randomisierten kontrollierten Studie mit vergleichsweise kleinen Patientenzahlen auch keinen Vorteil sehen können“, erklärt der Kardiologe. Interessant für Roser ist ein Zeitraum von 5 bis 10 Jahren – der Bereich, in dem ein ICD seiner Erfahrung nach besonders sinnvoll ist.

Weniger inadäquate Elektroschocks, frühere Ereignisregistrierung, schnellere Entscheidungen

Parthiban und seine Mitautoren werteten auch Daten zu inadäquaten Elektroschocks und zur benötigten Zeit aus, bis ein klinisches Ereignis wahrgenommen oder bis eine klinische Entscheidung getroffen wird. Die Metaanalyse ergab, dass das Telemonitoring die Rate inadäquater Elektroschocks statistisch signifikant um 45% (OR: 0,55) verringerte.

Das kann für die Patienten einen Überlebensvorteil bedeuten. „Wir haben gelernt, dass die Reduktion jeglicher Art von Elektroschocks, inadäquate wie unnötige, für den Patienten Lebenszeit bedeutet“, betont Roser. Je früher Abweichungen oder kardiale Ereignisse, wie z.B. asymptomatische Rhythmusstörungen, registriert werden, desto eher können Ärzte gegensteuern.

Gegenüber den Routinekontrollen verkürzt sich nach der Metaanalyse mit telemedizinischer Nachsorge die Zeit bis zur Wahrnehmung eines Ereignisses bzw. bis zu einer klinischen Entscheidung um 27 Tage – ein Wert, den Roser aus dem klinischen Alltag bestätigen kann.

Tägliche Herzdatenkontrolle

Bei 3 der analysierten Studien nahm trotz einer relativ kurzen Nachbeobachtungszeit von 12 bis 24 Monaten die Sterblichkeit um 35% ab. Das Ergebnis wurde entscheidend durch Daten der IN-TIME-Studie (Influence of Home Monitoring on Mortality and Morbidity in Heart Failure Patients with Impaired Left Ventricular Function) beeinflusst, wie Parthiban und seine Kollegen berichten. Möglicherweise wurde eine verringerte Sterblichkeit beobachtet, weil die übertragenen Daten täglich überprüft wurden sowie strukturiert auf übermittelte Warnsignale reagiert wurde.

Roser hält das Telemonitoring besonders dann für sinnvoll, wenn die Daten jede Nacht an die Klinik übertragen werden, ohne dass der Patient etwas dafür anschließen oder einstellen muss. Auch Dr. James V. Freeman von der Yale University in New Haven, Connecticut, und Dr. Leslie Saxon von der University of Southern California in Los Angeles gehen in ihrem begleitenden Editorial auf diesen Aspekt ein [2].

Ihrer Ansicht nach ist es nur bei kontinuierlicher Datenübertragung möglich, die Vorteile des Telemonitorings vollständig umzusetzen. Gerade die Effizienz drahtloser Netzwerke biete die Chance, den Nutzen der Implantate zu steigern. Freeman und Saxon beurteilen in diesem Zusammenhang „big data“ als Weg, das Telemonitoring zu optimieren, um die klinischen Ergebnisse zu verbessern.

 

REFERENZEN

1. Parthiban N, et al: J Am Coll Cardiol (online) 13. Mai 2015

2. Freemann JV. et al: J Am Coll Cardiol (online) 13. Mai 2015

 

Kommentar

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