Gebärmutter-Transplantation funktioniert, aber sollte das Organ nach erfolgreichen Geburten wieder raus?

Gerda Kneifel

Interessenkonflikte

11. Juni 2015

Kinder zu gebären, könnte künftig sogar für Frauen möglich sein, die keine eigene Gebärmutter haben. Im vergangenen Jahr haben 3 Frauen ihre Kinder mit einem fremden Uterus ausgetragen [1]. Der schwedische Gynäkologe Prof. Dr. Mats Brännström, Department of Obstetrics and Gynecology von der Sahigrenska-Universität Göteborg, hat als erster Mediziner weltweit Frauen zur Schwangerschaft nach einer Uterustransplantation verholfen. Nun will er noch die Operationszeit deutlich verkürzen.

Prof. Dr. Markus Fleisch

„Die Daten von Brännström und seinen Kollegen sind sehr positiv und stimmen hoffnungsvoll“, meint Prof. Dr. Markus Fleisch, stellvertretender Direktor der Universitäts-Frauenklinik Düsseldorf. „Aber sie erlauben zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage über die Anwendbarkeit für Patientinnen weltweit.“ Zum einen handele es sich um eine zwar wissenschaftlich gut gemachte, aber mono-institutionelle Studie von nur einer Expertengruppe. „Zum anderen ist ein wesentlicher Aspekt des Erfolgs die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Solche Teams wie das in Schweden müssen sich an anderen Stellen erst finden“, gibt Fleisch zu bedenken.

Doch es gibt auch Schwierigkeiten zu bedenken, die nicht zuletzt die langfristige Behandlung betreffen. „Da Abstoßungsreaktionen auch noch nach vielen Jahren auftauchen und chronifizieren können und die Immunsuppression in diesem Fall einzig wegen eines nicht lebenswichtigen Transplantats durchgeführt wird, wird es schwer, sie zu rechtfertigen“, glaubt Fleisch. „Es muss also die Dauer der Transplantation überprüft werden. Wenn eine Frau zwei Kinder mit dem Organ zur Welt gebracht hat und der Kinderwunsch als Auslöser für die Operation damit ja erfüllt ist, sollte man über eine Entfernung nachdenken.“

Tatsächlich denken die Schweden offenbar darüber nach, die Organe spätestens nach 2 Geburten wieder herauszunehmen. „Ich kann mir vorstellen, dass dabei auch die Probanden-Versicherungen dieser Studie ein Wort mitreden, weil sie nicht für die Risiken eines transplantierten Organs aufkommen wollen, das nicht lebenswichtig ist“, kommentiert der Düsseldorfer Gynäkologe.

Gute Ergebnisse, aber noch keine allgemein anwendbare Methode

Die weltweit erste klinische Studie zur Uterustransplantation am Menschen läuft derzeit noch an der Universität Göteborg. Insgesamt 11 Transplantationen, davon 9 erfolgreiche, wurden bislang vorgenommen. Im September 2014 ging dann die Nachricht von der Geburt des ersten Kindes aus einer transplantierten Gebärmutter um die Welt. Die Mutter war die fünfte Frau, der eine fremde Gebärmutter eingepflanzt worden war.

Diese Methode könnte jungen Patientinnen, die keine Gebärmutter haben, eine ganz neue Möglichkeit eröffnen, ein eigenes Kind zu bekommen. Prof. Dr. Markus Fleisch

„Diese Methode könnte jungen Patientinnen, die keine Gebärmutter haben, sei es, weil sie am Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom leiden oder weil sie ihnen zum Beispiel wegen einer Krebserkrankung entfernt wurden, eine ganz neue Möglichkeit eröffnen, ein eigenes Kind zu bekommen“, glaubt Fleisch. „Zumindest für diejenigen, für die aus unterschiedlichen Gründen eine Leihmutterschaft im Ausland oder eine Adoption nicht in Frage kommen.“

Das Interesse an dem neuen Verfahren ist groß. Auch aus Deutschland waren bereits Besuchergruppen in Göteborg, um sich vor Ort ein Bild zu machen. „Die konkrete Planung oder sogar Umsetzung ähnlicher Programme hatte das meines Wissens aber bisher nicht zur Folge“, schränkt der Düsseldorfer Gynäkologe ein – weder in Deutschland noch andernorts.

Ein Grund dafür dürfte sein, dass die bislang gesammelten Daten, so hoffnungsfroh sie auch stimmen mögen, noch nicht für eine breitere Anwendung des Verfahrens ausreichen. „Alle warten erst einmal ab, wie sich die Sache weiter entwickelt“, so Fleisch. „Das Vorgehen ist ethisch nicht unbedenklich, denn die für die Transplantation notwendige, aber medizinisch nicht ungefährliche Immunsuppression wird für ein Organ vorgenommen, das nicht lebenswichtig ist.“ Daher dürfte es für Wissenschaftler auch nicht einfach sein, im Einklang mit den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen zu agieren.

Ein wichtiger Aspekt ist allerdings auch die interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die sich an der Universität in Göteborg über Jahre gebildet hat. Brännström betont bei seinen Vorträgen und in seinen Arbeiten stets die Bedeutung eines eingespielten „starken“ Teams mit Gynäkologen, Transplantationsmedizinern oder auch Gefäßspezialisten. Sein eigenes Team hat sich laut Brännström über Jahre hinweg entwickelt.

Sind Sicherheit von Mutter und Kind gegeben?

Bei der Mutter des ersten aus einer transplantierten Gebärmutter geborenen Kindes war der Uterus von einer 61-jährigen Bekannten transplantiert worden. Es kam während der Schwangerschaft zu einer milden Abstoßungsreaktion sowie zu einer Präeklampsie, deren Ursache laut Brännström ungeklärt blieb.

Präeklampsien treten auch unabhängig von Transplantationen bei einem bestimmten Prozentsatz von Schwangeren auf. Prof. Dr. Markus Fleisch

Die Uterustransplantation könnte hierfür ein Grund gewesen sein, doch Fleisch hält das für nicht sicher: „Es ist nicht auszuschließen, dass sie für eine Präeklampsie, die ja auch mit einer Plazenta- und Gefäßproblematik zusammenhängt, prädestiniert. Andererseits treten Präeklampsien auch unabhängig von Transplantationen bei einem bestimmten Prozentsatz von Schwangeren auf. Um eine tatsächliche Risikoerhöhung zu belegen, bräuchte es mehr Daten.“

Die Spenderinnen der beiden anderen Schwangeren waren jeweils die 50 Jahre alten Mütter der Organ-Empfängerinnen. Eine Organspende innerhalb der Familie reduziert natürlich aufgrund der genetischen Übereinstimmungen zwischen Mutter und Tochter die Risiken einer Transplantation in Bezug auf Abstoßungsreaktionen.

Die beiden Schwangerschaften verliefen im Vergleich zur ersten denn auch unproblematisch. Dennoch wurden auch die Kinder dieser beiden Frauen mit Kaiserschnitt entbunden. Im ersten Fall war die Entscheidung im Zuge der Präeklampsie und der Tatsache, dass die Herztöne des ungeborenen Kindes abnormal waren, gefallen. Bei den beiden folgenden Geburten im November 2014 wurden die Kaiserschnitte unabhängig von kritischen Situationen vorgenommen.

„Ich denke, ein Kaiserschnitt ist in diesen Fällen wohl zu bevorzugen, denn die Nähte sind potentielle mechanische Schwachstellen. Auch das Wehenverhalten eines transplantierten Uterus unter Geburt ist mir nicht bekannt“, meint Fleisch dazu.

Alter ein Schwachpunkt?

In allen 3 Fällen wurden die Kinder in älteren Organen ausgetragen, die Spenderinnen waren alle bereits in der Menopause. Die hormonelle Stimulation im Rahmen der assistierten Reproduktion, hält Fleisch insgesamt für eher unproblematisch. „Die Gefährdungspotentiale wie etwa das Überstimulationssyndrom sind bekannt.“

Das Argument von Brännström und seinen Kollegen, mit der Verwendung älterer Organe deren Funktionalität sicherzustellen, weil die Spenderinnen bereits selbst Kinder in die Welt gesetzt hatten, hält Fleisch jedoch für fragwürdig. „Ich weiß nicht, ob die Hypothese, die Organe seien funktionell geeignet, standhält. Man muss auch bedenken, dass wenig über die funktionelle Lebensdauer von Gebärmüttern bekannt ist.“

Rechtfertigung einer Immunsuppression ist problematisch

Das eigentlich Problematische an dem schwedischen Verfahren ist für Fleisch die Immunsuppression. „Sie ist natürlich ein massiver medizinischer Eingriff und muss gerechtfertigt werden. Bei einer Herztransplantation ist die Situation eine ganz andere, weil sie überlebensnotwendig ist. Aber bei der Transplantation einer Gebärmutter geht es nur um Fragen der Lebensqualität und -planung. Das sind völlig andere ethische Aspekte.“

Zur Immunsuppression während einer Schwangerschaft, äußert sich Fleisch vorsichtig. Während der ersten mit einer transplantierten Gebärmutter auftretenden Schwangerschaft war es in der 18. Schwangerschaftswoche zu einer milden Abstoßungsreaktion gekommen, die mit Corticosteroiden, Azathioprin und Tacrolimus behandelt worden war.

Man muss auch bedenken, dass wenig über die funktionelle Lebensdauer von Gebärmüttern bekannt ist. Prof. Dr. Markus Fleisch

„Korticosteroide während einer Schwangerschaft sind nicht das Problem, sie sind mit Schwangerschaften kompatibel“, erläutert Fleisch. „Damit haben wir lange und sehr gute Erfahrungen. Aber zu Immunsuppressiva wie Tacrolimus während der Schwangerschaft gibt es wenige Daten. Die vorhandenen Daten beziehen sich meist auf den Einsatz von Tacrolimus bei Nierentransplantationen. Aber wir haben natürlich noch nichts zu Uterustransplantationen.“ Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie jedenfalls verweist bezüglich Erfahrungen mit Tacrolimus lediglich auf Fallberichte und kleine Studien.

Brännström plant inzwischen eine Studie mit Fragebogen und Interviews, um die psychologischen Aspekte und Fragen zur Lebensqualität nach Uterustransplantation und Schwangerschaft zu untersuchen. „In seinem Vortrag in unserem Kinderwunschzentrum kündigte er an, generell mit der Uterustransplantation assoziierte Probleme eruieren zu wollen“, berichtet Fleisch.

Darüber hinaus denkt der agile Schwede aber auch daran, die mit über 10 bis 12 Stunden noch sehr lange Operationszeit zu reduzieren. Hierfür plant er mithilfe von 3D-Rotationsangiographie die Arterien und Venen der Gebärmutter vor der Operation aufzuzeigen, um die Operation besser planen zu können. Sogar mit biotechnologisch hergestellten Uteri will Brännström künftig experimentieren und seiner Zeit weiterhin voraus denken.

REFERENZEN

1. Brännström M: Acta Obstet Gynecol Scand (online) 10. Mai 2015

Kommentar

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