
Dr. Theodor Windhorst
Das Thema Delegation/Substitution ist nicht neu. Bereits im Jahr 2008 hat sich der Deutsche Ärztetag in Ulm vor dem Hintergrund von zu geringen Finanzmitteln im Gesundheitswesen sowie der ärztlichen Nachwuchsproblematik damit beschäftigt. Es stellt sich seitdem immer wieder die Frage: Inwieweit können ärztliche Leistungen auf nicht-ärztliche Berufe im Sinne der Arztentlastung übertragen werden? Und wie kann die Qualität der Patientenversorgung dabei aufrechterhalten werden?
Die Position der Ärzteschaft ist eindeutig: Unser Anliegen ist die Verbesserung und Weiterentwicklung der bisherigen Zusammenarbeit und Aufgabenverteilung zwischen ärztlichen und nicht-ärztlichen Gesundheitsfachberufen. Dies ist angesichts des steigenden medizinischen Versorgungsbedarfes und medizinischen Fortschritts sowie wegen einer älter werdenden Gesellschaft, immer komplexerer Versorgungsabläufe und enger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen dringend erforderlich.
Wir müssen im Sinne einer guten und effektiven Patientenversorgung die teamorientierte Kooperation von Ärzten und Angehörigen anderer medizinischer Fachberufe wieder mehr in den Mittelpunkt stellen und brauchen eine koordinierte und transparente Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams.
Bei der notwendigen Zusammenarbeit der Gesundheitsfachberufe muss es aber klare Grenzen geben. Der Mangel an ärztlichen und pflegerischen Fachkräften darf nicht dazu führen, dass sich die Fachberufe gegenseitig aushöhlen und damit quasi kannibalisieren. Ein Gegeneinander gilt es zu verhindern. Vielmehr müssen wir uns im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten respektieren.
Die Ärzteschaft wehrt sich dagegen, dass ärztliche Kompetenz durch Substitution zugunsten anderer Berufe aufgelöst wird. Eine katalogisierte und damit automatisierte Delegation kann etwa ebenso wie eine regelhafte Delegation den heimlichen Einstieg in die Substitution bedeuten. Neue Zwischenebenen machen die Patientenversorgung nicht besser, aber teurer. Ärztliche Tätigkeiten dürfen nicht aus wirtschaftlichen Gründen auf dafür nicht ausgebildete Personen verschoben werden, dann verlieren sie nämlich den Charakter der ärztlichen Tätigkeit.
Ist das Ausüben von Heilkunde eine ärztliche Aufgabe? Natürlich – und dann hat der Patient Anspruch auf Diagnose und Behandlung unter ärztlicher Verantwortung. Anders sieht es aus, wenn ärztliche Tätigkeiten unter Verantwortung des Arztes delegiert werden sollen. Zu einem Dialog, zur Entlastung des Arztes Tätigkeiten unter Beibehaltung der ärztlichen Verantwortung zu delegieren, sind wir jederzeit bereit. Der Physician Assistant zum Beispiel kann auf der Grundlage seiner Ausbildung die Durchführungsverantwortung für Anordnungen des Arztes tragen.
Die verantwortlichen Entscheidungen bei Diagnostik und Therapie sowie die Budget-Verantwortung müssen jedoch dem Arzt vorbehalten bleiben. Schließlich hat der Patient ein Anrecht darauf, bei Krankheit auf dem Niveau des Facharztstandards behandelt zu werden. Diese Qualitätsstufe dürfen wir nicht aufgeben.
Ich warne vor einem Angriff auf die Grundfesten des Arztberufes aus ökonomischen Gründen. Einen Pseudo-Arzt mit Namen „Billiger Jakob“ darf es nicht geben. Was wir wollen, ist Arztentlastung auf hohem Niveau. Gegen einen „Dr. Light“ wehren wir uns. Diagnostik und Therapie müssen ebenso in ärztlicher Hand bleiben wie die ganzheitliche Verantwortung für ärztliches Handeln. Die Forderung einer Versorgung mit Facharzt-Qualität geschieht nicht aus Gründen der Besitzstandswahrung, sondern um die Qualität der Patientenversorgung weiter zu gewährleisten und die Attraktivität des ärztlichen Berufsbildes zu erhalten.
Ich möchte eine konstruktive Zusammenarbeit aller Berufsgruppen in der Gesundheitsversorgung erreichen. In der heutigen modernen und komplexen Medizin müssen natürlich auch die nichtärztlichen Gesundheitsberufe in die Versorgungskonzepte einbezogen werden. Dabei muss aber jede Gruppe für ihren eigenen Bereich die Verantwortung übernehmen. Es gilt auch hier: Schuster, bleib’ bei Deinen Leisten!
Diesen Artikel so zitieren: Was darf nur ein Arzt? Ein Plädoyer gegen Kannibalismus unter den Gesundheitsberufen - Medscape - 3. Jun 2015.
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