Cannabis: Mögliche Gesundheitsschäden sind auch ein Argument für die Entkriminalisierung des Kiffens

Andrea Wille

Interessenkonflikte

27. Mai 2015

Die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis ist wieder in vollem Gange. So hat kürzlich eine parteiübergreifende Initiative von jeweils einem Abgeordneten der Grünen und der CDU im Bundestag eine kontrollierte Abgabe von Cannabis als Genussmittel gefordert. Und während sich die Grünen bereits seit Jahren für eine Legalisierung stark machen, sprach sich nun auch auf einem Parteitag der FDP in Berlin die Mehrheit der Mitglieder für eine Freigabe der Droge unter strengen Auflagen aus. Nicht zuletzt durch die Legalisierung in einigen Staaten in den USA, wurde das Thema auch in Deutschland wieder angestoßen.

Prof. Dr. Derik Hermann

Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe ist jedoch gegen eine Freigabe von Cannabis und verweist dabei auf die gesundheitlichen Risiken. Auch die Drogenbeauftrage Marlene Mortler (CSU) lehnt die Legalisierung insbesondere aus Jugendschutzgründen ab.

Die Meinungen der Experten gehen auseinander

Prof. Dr. Derik Hermann, leitender Oberarzt an der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim hält dagegen, ein besserer Jugendschutz sei gerade ein Argument für einen kontrollierten legalen Verkauf von Cannabis: „Unter den jetzigen Verbotsbedingungen kaufen Jugendliche ohne Alterskontrolle von zweifelhaften Dealern eventuell verunreinigtes Cannabis – völlig unkontrolliert. Eine gewisse Kontrolle bei einem potentiellen legalem Verkauf von Cannabis wird sicher nicht komplett verhindern, dass Cannabis an Jugendliche weitergegeben wird, aber es wäre eine Verbesserung im Vergleich zur jetzigen Situation.“

Hermann tritt für einen Mittelweg ein, bei dem Cannabis legal gekauft werden kann, aber trotzdem strenge Regeln und Kontrollen gelten, die dafür sorgen, dass der Cannabiskonsum möglichst wenig gesundheitsschädlich verläuft.

Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl

Auch Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover, spricht sich gegenüber Medscape Deutschland für eine Legalisierung aus: „Ich halte es nicht für sinnvoll, dass Cannabis-Konsum illegal ist. Es ist mittlerweile völlig unstrittig, dass Alkohol viel mehr schädigt und deutlich mehr Abhängige schafft. Es ist doch paradox, dass wir eine schädlichere Droge erlauben.“  Müller-Vahl erforscht die Behandlung des Tourette-Syndroms mit (-)-trans-Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin.

Gegen eine Legalisierung spricht sich Prof. Dr. Beat Lutz aus, Direktor des Instituts für Physiologische Chemie, der mit seiner Arbeitsgruppe die Funktionen des Endocannabinoid-Systems erforscht: „Die Legalisierungsfrage ist eine Frage des jeweiligen Standpunktes. Meiner Ansicht nach ist Cannabis ein Medikament – Nebenwirkungen eingeschlossen – und kein Genussmittel. Daher sollte es auch wie ein Medikament behandelt werden.“ Im Gegensatz zu Cannabis hätten Alkohol und Nikotin beispielsweise nie eine medizinische Applikation gehabt, so Lutz. „Natürlich sind Alkohol und Nikotin gesundheitsschädlich, aber das ist kein Argument zu sagen, dann sollte Cannabis auch erlaubt werden.“

Schwarzmarkt schwächen – Prävention und Aufklärung fördern

 
Unter den jetzigen Verbotsbedingungen kaufen Jugendliche ohne Alterskontrolle von zweifelhaften Dealern eventuell verunreinigtes Cannabis – völlig unkontrolliert. Prof. Dr. Derik Hermann
 

Ein Argument der politischen Befürworter lautet, ein Ende des Verbots könnte die organisierte Kriminalität schwächen. Zudem würden enorme Kosten in der Strafverfolgung eingespart und dieses Geld könnte zusammen mit Steuereinnahmen in Drogenprävention und Aufklärung investiert werden. Viele sehen die Verbotspolitik als gescheitert an, die zwar den Konsum toleriert, aber den Erwerb von Cannabis unter Strafe stellt.

 
Es ist mittlerweile völlig unstrittig, dass Alkohol viel mehr schädigt und deutlich mehr Abhängige schafft. Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl
 

„Dass ein Verbot nicht zu weniger Konsum führt, zeigen Vergleiche von Ländern mit liberaler Cannabispolitik mit Ländern mit restriktiver Cannabispolitik und Vorher-Nachher-Vergleiche, wenn die Cannabispolitik liberalisiert oder verschärft wurde“, erklärt Hermann. Diese Vergleiche würden zeigen, eine Verschärfung führe nicht zu weniger Konsum und umgekehrt eine Liberalisierung nicht zu mehr Konsum. Dabei bezieht sich Hermann auf Daten der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) [1]. Untersucht wurde, inwiefern Gesetzesänderungen in Bezug auf Cannabiskonsum die Häufigkeit des Konsums beeinflussten. Hierbei konnte in keine Richtung ein Zusammenhang festgestellt werden.

 
Meiner Ansicht nach ist Cannabis ein Medikament – Nebenwirkungen eingeschlossen – und kein Genussmittel. Prof. Dr. Beat Lutz
 

Insofern werde Hermann zufolge der Justizapparat durch Cannabis-assoziierte „opferfreie“ Vergehen ineffizient belastet. Auch Müller-Vahl unterstreicht diesen Aspekt: „Wir bestrafen ein opferloses Delikt, eine Handlung, mit der man nur sich selbst schadet. Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung schädigen sich auch selbst, aber dort wird die Freiheit der einzelnen Person nicht eingeschränkt.“ Selbst bei einer Droge wie Heroin würden legale Zugangswege für Süchtige geschaffen, so Müller-Vahl. In dem Fall sei die Toleranz also in gewissem Maße da. „Das Verbot von Cannabis besteht einfach aus einer Tradition heraus und ich denke es wäre klug, aus diesen Denkmustern herauszutreten.“

Müller-Vahl betont zudem, das derzeitige Verbot erschwere es, Jugendliche über die Droge aufzuklären: „Das Verbot führt dazu, dass nicht offen über den Konsum diskutiert werden kann. Und auch die Aufklärung über Sucht und Nebenwirkungen von Cannabis leidet darunter. Denn Cannabis-Konsumenten, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, werden sich durch dieses Tabu seltener jemandem anvertrauen.“

Kommentar

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