Altersweitsichtigkeit: Großes Marktpotential für intraokulare Linsen?

Laird Harrison

Interessenkonflikte

22. Mai 2015

San Diego – Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Intraokularlinsen erhöhen deutlich die Zahl der Patienten, die von den Kunstlinsen profitieren könnten. Das berichteten Experten auf dem American Society of Cataract and Refractive Surgery 2015 Symposium in San Diego [1].

99,8 Prozent des Marktes fehlen im System

Prof. Dr. Nicole Eter

Nur 0,2% der Amerikaner mit Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) tragen intraokulare Linsen, sagte etwa Dr. Daniel Durrie aus Overland Park, Kansas, während eines Seminars zu neuen Linsen-Technologien. Das seien gerade einmal 280.000 von 187,8 Millionen Patienten, die von den Linsen eigentlich profitieren könnten. „In unserem System fehlen 99,8 Prozent des potentiellen Marktes“, so Durrie.

Auch Prof. Dr. Nicole Eter, Direktorin der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Münster, schließt zwar auf Nachfrage von Medscape Deutschland nicht aus, dass mit der (Weiter)-Entwicklung neuer Modelle zukünftig etwas früher intraokulare Linsen implantiert werden. Größere Sprünge erwartet sie jedoch nicht.

 
In unserem System fehlen 99,8 Prozent des potentiellen Marktes. Dr. Daniel Durrie
 

Nach wie vor sei der Graue Star (Katarakt) die Hauptindikation für die Implantation einer künstlichen Linse. „Der zunehmende Verlust der Akkomodationsfähigkeit der Linse bei Altersweitsichtigkeit verläuft meist parallel zu der altersbedingten Eintrübung der Linse“, erklärt die Expertin. Eine Abgrenzung zweier verschiedener Patientengruppen sei daher schwierig.

Dürrie empfahl Ophthalmologen dagegen bereits, sich am Markt als „Chirurgen dysfunktioneller Linsen“ zu positionieren, die in der Lage sind ein breites Spektrum an Sehschwächen – von der Altersweitsicht bis hin zu Katarakten – zu behandeln. So soll die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen erreicht werden. „Nach meinem Gefühl kommt hier eine große Welle auf uns zu“, sagte er. „Der Markt ist riesig und wächst. Zugleich entwickelt die Industrie die Technologie weiter.“

Entwicklung neuer Technologien bei Intraokularen Linsen

Bedeutende Fortschritte machte beispielsweise Dr. Rex Hamilton von der University of California, Los Angeles, bei den multifokalen Intraokularlinsen aus. Diese Linsen stellen eine Option dar, wenn Patienten eine gute Sehschärfe in allen Entfernungen wünschen.

Im Falle einer pseudophaken Presbyopie stellten zudem die Intraokularlinsen mit erweiterter Tiefenschärfe (extended depth of focus) eine weitere Alternative dar, sagte der Seminarssprecher Dr. Doyle Stulting vom Stulting Research Center in Atlanta. „Sie ermöglichen eine verbesserte Sehschärfe in naher und intermediärer Entfernung mit minimalen Auswirkungen auf die Sehleistung in der Entfernung“, so Stulting.

Zu den neuesten Entwicklungen bei den phaken Intraokularlinsen, welche zusätzlich zu den natürlichen Linsen implantiert werden, äußerte sich Scott Barnes, US Army Chief of Ophthalmology and Refractive Surgery am Fort Bragg in North Carolina. Seine Forschungen wiesen darauf hin, dass diese Linsen eher als LASIK in der Lage seien, die Sehschärfe von Patienten auf über 20/20 (entspricht der vollen Sehstärke) zu verbessern. „75 Prozent unserer Patienten berichteten von dem besten Sehvermögen, das sie jemals hatten.“

Jeder Linsentyp hat potentielle Nachteile

Für die Altersweitsichtigkeit böten die neuen Intraokularlinsen tatsächlich viele Möglichkeiten, sagte Dr. Herbert Kaufman von der Louisiana State University in New Orleans. Er bestätigte die Fortschritte in den letzten Jahren. „Aber jeder Linsentyp weist potentielle Nachteile auf.“

Bei den multifokalen Linsen etwa muss das Gehirn das scharfe Infokusbild und ein oder mehrere nicht im Fokus liegende Bilder auf einmal verarbeiten. „Einige Menschen kommen mit der Multifokalität nicht zurecht. In diesen Fällen müssen die Linsen wieder entfernt werden“, sagte Kaufman.

Empfohlen wird diese Linse besonders den Patienten, die eine Brille als lästig empfinden. „Mit den multifokalen Linsen wird allerdings nicht die Abbildungsqualität von monofokalen Linsen erreicht“, ergänzt Eter. Viele Linsen verursachen zudem bei Dämmerung und in der Nacht Streulicht. Und nicht jeder Patient kann nach der Implantation auf eine Sehhilfe verzichten. „Für das Sehen im intermediären Bereich, z.B. beim Arbeiten am Computer, benötigen viele Menschen trotz der Kunstlinse noch zusätzlich eine Brille“, so Eter.

Für phake Linsen hingegen sei die Patientenklientel stark begrenzt, erklärt die Münsteraner Fachärztin: „Diese Implantate kommen vor allem bei ausgeprägter Kurzsichtigkeit zur Anwendung.“ Außerdem sei die Implantation der Zusatzlinse u.a. mit dem Risiko einer vorzeitigen Trübung der natürlichen Linse verbunden.

Was der Patient mögen wird, weiß man vorher nicht

 
Das Problem besteht darin, dass es keine gute, keine unfehlbare Möglichkeit gibt, herauszufinden, was der Patient mögen wird. Dr. Herbert Kaufman
 

Das Dilemma bei der refraktären Chirurgie sei, so Eter, dass das OP-Ergebnis nicht vorher – etwa mit Kontaktlinsen – simuliert werden könne. „Das Problem besteht darin, dass es keine gute, keine unfehlbare Möglichkeit gibt, herauszufinden, was der Patient mögen wird“, sagte auch Kaufman.

Für altersweitsichtige Patienten, die keine künstliche Intraokularlinse wünschten, gebe es außerdem zunehmend andere Optionen, wie korneale Inlays oder Augentropfen, die die Pupille zusammenziehen und so eine Art Lochblende erzeugen, ergänzte Kaufman.

Aber auch diese Optionen seien nicht ohne Nachteile, erklärt Eter. „Die durch die Tropfen ausgelöste Pupillenverengung führt einerseits zu einer erhöhten Schärfentiefe. Andererseits kann sich die Pupille nicht mehr reflektorisch bei Dunkelheit weit stellen, das Sehen in der Dämmerung und Nacht wird erschwert.“

Und auch bei kornealen Inlays ist die Verschlechterung des Sehvermögens bei Dunkelheit (mit Wahrnehmung von Halos und Schattenbildern) bereits beschrieben worden. Mit den Implantaten könnten zudem nur geringe Fehlsichtigkeiten ausgeglichen werden, sagt Eter.

 

REFERENZEN:

1. American Society of Cataract and Refractive Surgery (ASCRS) 2015 Symposium, 17. bis 21. April 2015, San Diego, USA

 

Kommentar

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