Berlin – „Die Erforschung der immunologischen Checkpoint-Blockade beim malignen Melanom hat die Tür geöffnet für die Behandlung weiterer Krebsentitäten mit diesem Wirkprinzip.“ Das betonte Prof. Dr. Martin Röcken, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Hautklinik Tübingen und Präsidiumsmitglied der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), im Gespräch mit Medscape Deutschland.
Der Experte bezog sich dabei auf Immuntherapien mit Antikörpern gegen Programmed Death-1 (PD-1), ein Oberflächenprotein der T- und B-Lymphozyten, sowie gegen dessen Liganden PD-L1. PD-1-Antikörper wie Pembrolizumab (Keytruda®, MSD) und Nivolumab (Opdivo®, Bristol-Myers Squibb) greifen an wichtigen Schaltstellen der körpereigenen Tumorabwehr ein. Deshalb werden sie, ebenso wie die Antikörper gegen CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4), als „Checkpoint-blockierende Therapien“ bezeichnet.
Nach einem Jahr noch die meisten Melanompatienten am Leben
Bei einer Pressekonferenz auf der DDG-Tagung wurde unter anderem auf die randomisierten Studien mit Anti-PD-1 Antikörpern eingegangen [1]. In diesen Studien wurde bei Patienten mit inoperablem oder metastasiertem Melanom die Wirksamkeit der Behandlung mit einem Anti-PD-1-Antikörper untersucht. Verglichen wurde das geschätzte Einjahresüberleben unter Anti-PD-1 Antikörper-Therapie und unter zugelassener Dacarbazin- oder Ipilimumab-Therapie.
Dabei zeigte sich, dass unter den Anti-PD-1-Antikörper-Therapien etwa zwei Drittel der Patienten noch mindestens 1 Jahr lebten, während die Kontrollen signifikant kürzer überlebten. Auch das progressionsfreie Überleben war in beiden Studien signifikant besser bei den Patienten, die einen PD-1-Antikörper erhalten hatten, erreichte aber nicht die 50%-Schwelle. In die Studien wurden 834 beziehungsweise 418 Patienten aufgenommen.
In einer 3. Studie wurde bei Patienten mit metastasiertem Melanom eine Kombination aus einem Anti-PD-1-Antikörper und einem CTLA-4-Antikörper (Ipilimumab, Yervoy®, Bristol-Myers Squibb) mit der Anti-CTLA-4-Antikörper-Monotherapie verglichen. Hier zeigte sich, dass unter der Kombinationstherapie im Untersuchungszeitraum 30 von 72 Patienten einen Progress hatten oder starben, während dies unter der Monotherapie bei 25 von 37 Patienten der Fall war. Das deutet darauf hin, dass mit der Kombinationstherapie nach einem Jahr noch etwa 60% der Patienten ohne Progress sein werden.
„Die Studien weisen darauf hin, dass auch noch nach anderthalb Jahren etwa 60 Prozent der Patienten unter einer Anti-PD1-Antikörper-Therapie am Leben sein werden“, so Röcken auf Nachfrage von Medscape Deutschland, „und dies durchschnittlich bei besserer Verträglichkeit und höherer Lebensqualität als mit der Anti-CTLA-4-Monotherapie. An unerwünschten Wirkungen beobachten wir am ehesten Autoimmunkrankheiten der Hormon-bildenden Organe, Diarrhöen und Leberwerterhöhungen, diese können wir aber in aller Regel beherrschen.“
Von Anti-CTLA-4 zu Anti-PD-1 und Anti-PD-L1?
Dabei galt der als Monotherapie unterlegene CTLA-4-Antikörper Ipilimumab zum Zeitpunkt seiner Zulassung im Jahre 2011 selbst als ein großer Fortschritt: „Mit dem Anti-CTLA-4-Antikörper konnte erstmals nachgewiesen werden, dass eine Immuntherapie bei Patienten mit metastasiertem Melanom Sinn machen kann“, erinnerte Röcken. „Obwohl keiner der zuvor untersuchten Immunansätze sich im großen Stil therapeutisch durchsetzte, hatten die untersuchten Immuntherapien immer wieder bei einigen Patienten zu einer Response geführt. Deshalb wurde der Ansatz, das Immunsystem gezielt zu beeinflussen, beim malignen Melanom weiterverfolgt.“
Ipilimumab brachte damals den Stein ins Rollen. Es war nach Röckens Worten „nach 35 Jahren – nach der Implementierung der Stammzelltransplantation – der erste neue Ansatz im Bereich der täglichen Krebsimmuntherapie überhaupt.“ Der Effekt auf das Überleben sei aber noch nicht so groß gewesen, während er mit den PD-1- und PD-L1-Antikörpern deutlich stärker ausgeprägt sei: „Sie haben den Durchbruch gebracht“, so Röcken.
Vom Hautkrebs zum Lungen-, Blasen-, Nierenzell- und Mammakarzinom
Von der Erforschung der Checkpoint-Blockade bei Hautkrebs profitieren auch weitere Fachdisziplinen, wie Röcken auf Nachfrage von Medscape Deutschland betonte: „Inzwischen wurde die klinische Entwicklung solcher Therapien auf zusätzliche Krebsentitäten ausgeweitet, etwa nicht-kleinzelliger Lungenkrebs, Nierenzellkarzinom, Blasenkarzinom und Brustkrebs.“ Auch hier gibt es bereits vielversprechende Daten.
Pipelines gut gefüllt, auch Kombinationen sind denkbar
Etliche weitere Checkpoint-blockierende Wirkstoffe sind in klinischer Entwicklung. „In Phase-3-Studien befinden sich Kombinationstherapien, die eine Remissionsrate von 80% erwarten lassen“, berichtete DDG-Präsident Prof. Dr. Alexander Enk, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Hautklinik Heidelberg, bei der Pressekonferenz.
„Die medizinischen Möglichkeiten und Grenzen liegen im Spannungsfeld der individuellen Risiken.“ Diese betreffen laut Enk etwa die Balance zwischen Tumorkontrolle und Autoimmunerkrankungen.
REFERENZEN:
1. 48. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), 29. April bis 2. Mai 2015, Berlin
Diesen Artikel so zitieren: Malignes Melanom: Dermato-Onkologie Vorreiter bei der Checkpoint-Blockade - Medscape - 21. Mai 2015.
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