Das Geheimnis des Alters steckt in den Genen: INDY kontrolliert Übergewicht und Insulinresistenz bei Mäusen

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

21. Mai 2015

Prof. Dr. Andreas Birkenfeld

„I’m not dead yet“ – ich lebe immer noch. Dieses Statement begleitet Prof. Dr. Andreas Birkenfeld schon seit vielen Jahren. Denn der Stoffwechselexperte erforscht am Universitätsklinikum Dresden ein „Langlebigkeits-Gen“ mit diesem Namen, kurz INDY genannt, das eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Übergewicht, Typ-2-Diabetes und beim Altern spielt [1]. Außerdem könnte es ein Schlüssel zum längeren Leben sein.

Entdeckt wurde das INDY-Gen von dem US-Forscher Prof. Dr. Steven Helfand, Brown University, Providence, Rhode Island, der vor 15 Jahren an der Universität von Connecticut herausgefunden hat, dass eine verminderte Aktivität des INDY-Gens bei Taufliegen (Drosophila melanogaster) die Lebensdauer verlängert und gleichzeitig die Körperfettmasse verringert. Die Lebensspanne der Taufliegen konnte unter Ausschaltung dieses Gens um 80%, die von Fadenwürmern um etwa 20% verlängert werden.

Birkenfeld, der das INDY-Gen bereits in Yale und an der Berliner Charité erforscht hat, konnte nun einen Mäusestamm züchten, bei dem er das Gen, das bei Säugetieren mINDY heißt, ausschaltet. „Ohne mINDY blieben die Mäuse trotz hochkalorischer Ernährung schlank und entwickelten keinen Typ-2-Diabetes“, berichtet Birkenfeld im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Das fand ich höchst erstaunlich.“

Eine Mäuse-Kontrollgruppe mit mINDY-Gen nahm dagegen unter der gleichen Futtermenge zu und wurde insulinresistent. Ebenso nahmen die INDY-Knockout-Mäuse nicht wie normalerweise im Alter von etwa 9 Monaten zu, sondern blieben schlank.

Jetzt, sagt Birkenfeld, gelte es herauszufinden, ob die Mäuse ohne mINDY-Gen im Alter länger gesund bleiben und länger leben. „Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. Wir haben schon herausgefunden, dass die INDY-Knockout-Mäuse viel Ähnlichkeit haben mit Mäusen, die einfach wenig fressen“, berichtet Birkenfeld über seine neuesten Ergebnisse.

Translationale Forschung: Suche nach Therapieansätzen

 
Was noch nicht klar ist: Ist das Übergewicht eine Folge einer erhöhten Exprimierung des Gens oder umgekehrt? Prof. Dr. Andreas Birkenfeld
 

Ärzte, sagt er, interessiere jetzt, ob diese Zusammenhänge auch beim Menschen eine Rolle spielen. Denn ultimativ sollen seine Erkenntnisse der Untersuchungen an Taufliegen, Fadenwürmern und Mäusen zu therapeutischen Fortschritten bei Patienten etwa mit Übergewicht und Diabetes führen.

„Wir wissen, dass das Gen vorwiegend in der Leber vorkommt und daher schwer zu isolieren ist“, bemerkt Birkenfeld. Erste Messungen an Leberproben von 50 Patienten haben ergeben, dass Übergewichtige und Adipöse eine erhöhte Ausprägung des Gens aufweisen im Vergleich zu dünneren Menschen. „Was noch nicht klar ist: Ist das Übergewicht eine Folge einer erhöhten Exprimierung des Gens oder umgekehrt? Und sind ein ungesunder Lebensstil und die Tendenz zum Übergewicht Voraussetzungen, um das Gen zu aktivieren?“

Idealerweise könne eine Möglichkeit gefunden werden, das Gen auch bei Patienten zu beeinflussen – ein Mittel hierzu ist in der Entwicklung: „Ein absoluter Glücksfall“ – so beschreibt Birkenfeld die Entdeckung eines passenden Hemmstoffs. Es handelt sich um ein „Small Molecule“, eine organische Verbindung, die sich als INDY-Blocker herausstellte.

 
Wir wollen den Zusammenhang zwischen Energie-verbrauch, Insulin-Resistenz und Altern aufdecken, mit dem Ziel, mögliche neue Therapieansätze … für das gesündere Altern zu entwickeln. Prof. Dr. Andreas Birkenfeld
 

Wie jedes Gen werde auch das INDY-Gen in ein Protein übersetzt, das eine bestimmte Funktion im Körper ausübe. Klar sei bisher, dass das INDY-Gen für einen am Stoffwechsel beteiligten Dicarboxylattransporter kodiere, erklärt der international bekannte Glukose- und Lipidstoffwechsel-Experte. „Es hat sich herausgestellt, dass das Molekül, das wir gefunden haben, diesen Transporter hemmt“, vergleichbar mit einem SGLT-2-Hemmer, der renale, natriumgekoppelte Glucosetransporter inhibiere.

Das sei auch der pharmakologische Ansatz, der verfolgt werden müsse, um den Hemmstoff in ein Medikament zu übersetzen. So könnten idealerweise in einigen Jahren erste Studien mit Patienten starten, hofft Birkenfeld. „Wir wollen den Zusammenhang zwischen Energieverbrauch, Insulin-Resistenz und Altern aufdecken, mit dem Ziel, mögliche neue Therapieansätze gegen Fettsucht, Typ-2-Diabetes, die nicht alkoholisch verursachte Fettleber und für das gesündere Altern zu entwickeln.“

In präklinischen Versuchen wurde der „INDY-Blocker“ bereits in Mäusen ausprobiert. „Die Mäuse, die damit behandelt wurden, zeigen ähnliche Eigenschaften wie die INDY-Knockout-Mäuse – der Hemmstoff bewirkt beispielsweise eine deutliche Glukosesenkung“, sagt Birkenfeld. Allerdings seien viele weitere Experimente notwendig, bevor aus dem Wirkstoff ein Arzneimittel entstehe. „Aus 300 vielversprechenden Forschungsansätzen entsteht vielleicht ein Medikament“, sagt Birkenfeld.

 

REFERENZEN:

1. Pressemeldung des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, 26. März 2015

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....