Berlin – Die Alterungsvorgänge der Haut und anderer Organsysteme hängen offenbar viel enger zusammen als bisher vermutet: Sie teilen nicht nur gemeinsame Risikofaktoren – wie das Rauchen, sondern sie beeinflussen sich gegenseitig. Ob sich daraus therapeutische Ansätze ableiten lassen, um die Zellalterung allgemein zu bremsen, die Organsysteme länger fit zu halten und die in relativem Wohlsein und Unabhängigkeit verbrachte „gesunde Lebensspanne“ im Alter zu verlängern, das erforscht Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek, Ärztliche Direktorin des Klinikums für Dermatologie und Allergologie der Universitätsklinik Ulm.
Alternde Fibroblasten als Entzündungsquelle
Beim Dermatologenkongress in Berlin erklärte Scharffetter-Kochanek [1]: „Dermale Fibroblasten altern, und sie hören auf, sich zu teilen.“ Dies sei von Vorteil, weil dadurch keine fehlerhaften Erbinformationen weitergegeben werden können. „Zugleich mit diesem Mitosestopp werden die Fibroblasten aber resistent gegen Apoptose“, führte die Expertin weiter aus: „Statt einfach zu sterben, entwickeln sie einen seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyp, kurz SASP.“
Das hat Folgen, so Scharffetter-Kochanek gegenüber Medscape Deutschland: „Alternde Fibroblasten verbreiten in ihrem Umfeld proinflammatorische Zytokine, Interleukine und Proteasen. Damit richten sie nicht nur in der Haut, sondern auch im Bindegewebe und in regenerationsfähigen Stammzellen beträchtlichen Schaden an.“
Therapieansatz: Gezielte Apoptose
Derzeit werden mehrere Ansätze untersucht, um die schädlichen Signalwege zu unterbrechen, die durch seneszente Fibroblasten überall im Körper ausgelöst werden. Die Ideen gehen in alle Richtungen und befinden sich alle noch im Stadium der Grundlagenforschung.
Ebenso einfach wie genial erscheint der Gedanke, die seneszenten Fibroblasten aus dem Gewebe zu entfernen. „Bei Mäusen funktioniert das schon“, berichtete Scharffetter-Kochanek auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Bei ihnen können wir Zellen, die p16Ink4a, einen Biomarker der Seneszenz, tragen, durch Transgentherapie in die Apoptose treiben.“
Beobachtungen aus der klinischen Dermatologie lassen darüber hinaus vermuten, dass sowohl die Photodynamische Therapie als auch die Fraktionierte Lasertherapie die seneszenten Fibroblasten beim Menschen zum Absterben bringen können: „Möglicherweise sind alternde Fibroblasten besonders sensibel gegenüber diesen Behandlungen“, vermutet Scharffetter-Kochanek. Dies muss aber noch genauer untersucht werden.
Umgekehrter Therapieansatz: Seneszenz vorbeugen
Der umgekehrte Weg ist, die Alterung der Fibroblasten von vornherein zu verhindern, zu verzögern oder quantitativ zu verringern. Weil die Ausprägung des SASP-Phänotyps in Fibroblasten auf Einflüsse aus dem mTOR-Signalweg (mammalian Target of Rapamycine) zurückgeht, bietet die Blockade dieses Signalwegs die besten therapeutischen Chancen gegen den SASP-basierten Alterungsprozess.
Ein Auslöser des mTOR-Signalwegs ist anaboler Stress. Versuche mit Wirbellosen, aber auch mit Nagern und Primaten zeigen, dass eine Verminderung des anabolen Stresses, also eine reduzierte Nahrungsaufnahme, die Alterung von Haut und Organen bremst.
So hatten in einer Longitudinalstudie Rhesusaffen mit Kalorienrestriktion im Vergleich zu normal ernährten Kontrollen deutlich weniger kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes, weniger maligne Neoplasien und Hirnatrophien – und nicht zuletzt ein intaktes Hautbild mit vollständig erhaltener Behaarung. Auch die Gesamtsterblichkeit war reduziert: Nach 20 Jahren lebten noch 80% der auf gesunde Diät gesetzten Affen, aber nur 50% der Kontrollen.
„Zu diesem metabolischen Ansatz passt, dass Menschen, die mit dem Antidiabetikum Metformin behandelt werden, über eine Hochregulierung der AMP-Kinase ebenfalls eine Hemmung des mTOR-Signalwegs erreichen“, erklärte Scharffetter-Kochanek gegenüber Medscape Deutschland. Allerdings gibt es keine belastbaren Studien dazu.
Die Implementierung einer kalorienreduzierten, gesunden Ernährung hat sich allerdings beim Menschen als schwierig erwiesen. Und es ist derzeit noch zu früh, um Stoffwechselgesunden zur Prävention der Alterungsvorgänge Metformin zu empfehlen. Auch dies erfordert zunächst umfangreiche klinische Studien.
Rapalogika: Balance aus mTOR-Suppression und Immunkompetenz
Theoretisch denkbar, aber ebenfalls noch nicht klinisch umgesetzt, ist eine präventive Gabe von Rapamycin, das den mTOR-Signalweg wirksam hemmen würde. Die Maßnahme hat sich bei Mäusen bereits bewährt und wirkt bei ihnen lebensverlängernd.
Rapamycin ist therapeutisch als Sirolimus verfügbar und wird beim Menschen eingesetzt, um Abstoßungsreaktionen nach Transplantation zu verhindern. Es wird auch als Beschichtung in Koronarstents verwendet, um Restenosen vorzubeugen. Rapamycin unterdrückt gezielt und gewünscht Immunreaktionen.
„Die Entwicklung ähnlicher Substanzen, sogenannter Rapalogika, die den mTOR-Signalweg inhibieren, ohne eine überschießende Immunsuppression zu induzieren, wäre eine Lösung des Problems“, erklärte Scharffetter-Kochanek gegenüber Medscape Deutschland. „Damit könnte die Seneszenz der Fibroblasten verzögert beziehungsweise unterdrückt werden.“ Die Zielgruppe für solche Medikamente wäre noch zu identifizieren, denn immerhin ginge es dabei um breite Primärprävention.
Langlebige Eltern haben schönere Kinder Dass die Zusammenhänge der Hautalterung mit der Zellalterung in anderen Geweben komplex sind, bestätigt eine Studie mit Nachkommen langlebiger Vorfahren. Dort wirkten Männer im Alter um 60 Jahre deutlich jünger, wenn mindestens ein Elternteil und ein Onkel oder eine Tante ein Lebensalter über 90 Jahre (Frauen: 92 Jahre) erreicht hatten. Die Gesichtsmerkmale der Söhne aus langlebigen Familien blieben vorteilhafter als bei gleichaltrigen Kontrollen. Zudem hatten die Söhne und Töchter der Hochbetagten weniger Falten in lichtgeschützten Hautarealen, beispielsweise an der Innenseite des Oberarms. Umgekehrt zeigten Auswertungen des kardiovaskulären Risikos in dieser Population, dass Frauen mit niedrigem Framingham-Score um 2 Jahre jünger wirkten, als sie tatsächlich waren. Gemeinsame Risikofaktoren der Haut und des Herz-Kreislauf-Systems – wie Adipositas und Rauchen – waren dabei bereits herausgerechnet. |
REFERENZEN:
1. 48. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), 29. April bis 2. Mai 2015, Berlin
Diesen Artikel so zitieren: Neue Erkenntnisse zur Zellalterung: Lässt sich über die Hautalterung auch das Altern insgesamt beeinflussen? - Medscape - 13. Mai 2015.
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