
Prof. Dr. Jörg Heil
Patientinnen mit BCRA1-Mutation und Brustkrebsdiagnose sollte auch zu einer möglichst raschen Ovarektomie geraten werden. Dies empfehlen die Autoren einer kanadischen Studie in JAMA Oncology [1]. Bei BCRA1-Trägerinnen war nach einem solchen Eingriff über den Beobachtungszeitraum die Sterblichkeit durch Brustkrebs allgemein um 62% und durch Östrogenrezeptor-negative Mammakarzinome um 93% niedriger.
„Die Studie liefert belastbare Erkenntnisse zum konkreten klinischen Management von BRCA-positiven Mammakarzinompatientinnen“, bewertet Prof. Dr. Jörg Heil, Leiter der Sektion Senologie und Koordinator des Brustzentrums der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, die Publikation der Forschergruppe aus Toronto.
Frauen, die eine Keimbahnmutation im Gen BRCA1 oder BRCA2 tragen, haben lebenslang ein bis zu 70% erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Wurde einmal die Diagnose Brustkrebs gestellt, steigt das Risiko für einen weiteren Ausbruch von Brustkrebs und für Ovarialkrebs. Frauen mit BRCA-Mutation wird deshalb ab einem Alter von 35 Jahren die Salpingo-Ovarektomie empfohlen, die die Entfernung der beiden Eileiter einschließt. „Eine Salpingo-Ovarektomie ist heute der State-of-the-Art für Frauen, die eine BRCA-Mutation tragen“, unterstreicht auch Heil.
Bisher war allerdings unklar, welchen Einfluss eine Ovarektomie auf die langfristige Überlebensrate von Frauen hat, die bereits an BRCA-bedingtem Brustkrebs erkrankt sind.
Patientinnendaten ab 1975 analysiert
Um diese Frage mit einer ausreichend großen Datenmenge klären zu können, ging eine Autorengruppe um Prof. Dr. Kelly Metcalfe und Prof. Dr. Steven A. Narod, Direktor am Women´s College Research Institute in Toronto, Kanada, bis in die 1970er-Jahre zurück: Die Autoren analysierten retrospektiv die Daten aus 12 klinischen Zentren mit genetisch basierter Beratung von insgesamt 676 Frauen mit Brustkrebs der (frühen) Stadien I und II und Mutationen der Gene BRCA1 oder BRCA2.
Die Erstdiagnose für Brustkrebs wurde in den Jahren 1975 bis 2008 gestellt. Die Frauen wurden bis zu 20 Jahre, im Mittel 12,5 Jahre lang beobachtet. Dabei verglichen die Autoren die Überlebensraten für Frauen mit und ohne Ovarektomie nach der Brustkrebsdiagnose. Sie fanden eine signifikant niedrigere Sterblichkeit nach Ovarektomie um 56% über die Gesamtpopulation der Teilnehmerinnen.
BRCA1-Trägerinnen profitieren am meisten
Bei 90% der 676 Frauen, die aus 493 verschiedenen Familien stammten, waren Mutationen im Gen BRCA1 oder BRCA2 nachgewiesen. Die übrigen Frauen waren nicht getestet worden, erschienen aber durch familiäre Verknüpfungen als wahrscheinliche Trägerinnen. Die Überlebensrate nach 20 Jahren betrug insgesamt 77,4%. Bei 345 der Frauen wurde nach der Brustkrebs-Diagnose eine Ovarektomie durchgeführt, 331 Frauen behielten ihre Eierstöcke.
In der Studie war nach einer Ovarektomie die Mortalität von Brustkrebspatientinnen mit einer BCRA1-Mutation signifikant um 62% niedriger, mit einem negativen Östrogenrezeptorstatus sogar um 97%. Die Sterblichkeit von BCRA2-Trägerinnen lag in geringerem Maße um 43% niedriger, die von Patientinnen mit positivem Östrogenrezeptorstatus um 24%. Der Östrogenrezeptorstatus war allerdings lediglich bei 73% der Population überhaupt bekannt.
Diese Daten machen auch für Prof. Dr. Mary L. Disis, Pathologin und Gynäkologin der Universität Washington, in einem begleiten Editorial deutlich, dass eine Ovarektomie bei Frauen mit Brustkrebs in frühem Stadium definitiv in Erwägung gezogen werden sollte, falls diese eine BRCA-Mutation tragen [2].
Ovarektomie sollte möglichst rasch nach Brustkrebsdiagnose erfolgen
Die betrachteten Frauen hatten sich im Mittel allerdings erst nach 6,1 (0,1 bis 31,8) Jahren der Ovarektomie unterzogen. Wurden die Daten derjenigen 70 BRCA1-Trägerinnen, deren Eierstöcke innerhalb von 2 Jahren nach der Brustkrebsdiagnose entfernt worden waren, gesondert analysiert, ergab sich eine signifikante Reduktion der Mortalität um 73% gegenüber BRCA1-Trägerinnen, deren Eierstöcke nicht entfernt wurden.
Dieser Schutzeffekt setzte unmittelbar nach der Operation ein, und blieb über 15 Jahre, also auch über die Wechseljahre hinaus, bestehen. Außerdem war der Effekt unabhängig davon, ob Brustkrebs in Stadium I oder II diagnostiziert oder mit Chemotherapie behandelt worden war oder nicht.
Therapie entspricht nicht mehr heutigem Standard
In der Diskussion geben die Autoren selbst zu bedenken, dass die hier analysierten Diagnose- und Therapiewege allerdings nicht mehr heutigem Standard entsprechen: Viele der Brustkrebsdiagnosen wurden nach klinischen Befunden gestellt, viele der Behandlungen erfolgten noch ohne Aromatase-Inhibitoren oder antihormonale Wirkstoffe. Auch der HER2-Status der Karzinome war in den meisten Fällen unbekannt.
„Man könnte kritisieren, dass die Therapie von Brustkrebs im letzten Jahrtausend – aus dem ein erheblicher Teil der untersuchten Patientinnen kommt – von der heutzutage deutlich verschieden ist und damit die Effekte möglicherweise etwas abgeschwächt sein könnten. Aber es bleibt plausibel und auf dieser Datenbasis mit hoher Sicherheit anzunehmen, dass im Prinzip entsprechend selektierte Patientinnen von einer Salpingo-Ovarektomie profitieren werden“, ordnet Heil die Studienergebnisse in den aktuellen Erkenntnisstand ein.
Vorteil für BRCA2-Trägerinnen noch nicht abschließend geklärt
Zwei Ergebnisse passen nicht wirklich zu den bisherigen Erkenntnissen: Nach einer anderen Studie profitierten auch BRCA2-Trägerinnen ähnlich gut wie BRCA1-Trägerinnen von einer Ovarektomie. In diesem Zusammenhang verweisen Metcalfe und ihre Kollegen darauf, dass in ihren Datensätzen nur eine Minderheit der Patientinnen BRCA2-Trägerinnen waren und deshalb die errechneten Daten weniger aussagekräftig sind. Die Kanadier planen hierzu eine weitere Studie.
Benefit auch nach der Menopause
Das andere überraschende Ergebnis ist der Benefit der Ovarektomie über das 50. Lebensjahr hinaus, der auch in einer anderen Studie der Gruppe um Narod bestätigt worden ist. Die Autoren folgern daraus, dass postmenopausale Ovarien immer noch Androgene produzieren, die entweder direkt oder durch Aromatasen in Östrogene umgebaut die Krebsentwicklung begünstigen.
Die kanadische Forschergruppe hat in der Vergangenheit schon andere wichtige Ergebnisse vorgelegt: So hatte sie in früheren Studien bereits gezeigt, dass die Ovarektomie das Risiko für die Entstehung eines Mammakarzinoms reduzierte. Außerdem führte bei Brustkrebspatientinnen mit BRCA-Mutationen eine bilaterale Mastektomie zu einer höheren Überlebensrate als eine einseitige Mastektomie.
REFERENZEN:
1. Metcalfe K, et al: JAMA Oncol. (online) 23. April 2015
2. Disis ML: JAMA Oncol. (online) 23. April 2015
Diesen Artikel so zitieren: Aktuelle Daten untermauern Empfehlung: Beim Mammakarzinom mit BRCA1-Mutation ist Ovarektomie ratsam - Medscape - 13. Mai 2015.
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