Infektionsscreening vor Biologika-Gabe: Vor allem latente Tuberkulose und Hepatitis B ausschließen

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

7. Mai 2015

Mannheim – Die Verordnungen für Biologika steigen unaufhaltsam – Infektionsrisiken deshalb auch. „Dass es unter Biologika – über alle Substanzen hinweg – zu einer Verdopplung von Infektionen kommt, ist belegt. Lediglich bei Rituximab sieht es etwas besser aus“, hielt Prof. Dr. Bernd Salzberger auf dem Internistenkongress fest [1]. Dort erläuterte der leitende Oberarzt der Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg auf einem klinischen Symposium, wie man vor allem Reaktivierungen von latenten Infektionen rechtzeitig vorbeugen kann.

 
Ein Röntgen-Thorax vor Biologika-Verschreibung gehört unbedingt zum Screening dazu. Prof. Dr. Bernd Salzberger
 

Das Risiko, dass es unter Biologika zum Beispiel zu einer Reaktivierung der Tuberkulose kommt, ist um das 12-fache erhöht. „Das ist dramatisch, deshalb gehört ein Röntgen-Thorax vor Biologika-Verschreibung unbedingt zum Screening dazu.“

Durch ein gutes Screening lasse sich auch akutes Leberversagen verhindern, so Salzberger. Er berichtete von einer Patientin mit ANA-positiver Polyarthritis, die mit Prednison und MTX therapiert wurde und während eines Urlaubsaufenthaltes zusätzlich Adalimumab erhielt, ohne dass der Arzt von der chronischen Hepatitis B der Patientin wusste. Es kam zu einem akuten Leberversagen, die Patientin benötigte eine Lebertransplantation.  

„Bei ihrem Arztbesuch während des Urlaubs hatte kein richtiges Screening stattgefunden, die Diagnose Hepatitis B war in Deutschland zwar gestellt worden, die Patientin hatte die Arztbriefe aber nicht in den Urlaub mitgenommen“, so Salzberger.

Infektionen unter Biologika: Meist im ersten Jahr der Therapie

 
Gerade weil unter Biologika vermehrt schwere opportunistische Infektionen auftreten, ist es notwendig, Risikopatienten durch gutes Screening noch klarer zu identifizieren. Prof. Dr. Bernd Salzberger
 

„Gerade weil unter Biologika vermehrt schwere opportunistische Infektionen auftreten, ist es notwendig, Risikopatienten durch gutes Screening noch klarer zu identifizieren. Überlegt werden sollte auch, welche Impfstrategien infrage kommen.“

Salzberger betonte, dass sich das verdoppelte Infektionsrisiko meist früh bemerkbar machte und mit den Infektionen meist im ersten Jahr der Biologika-Therapie zu rechnen sei. Er schilderte den dramatisch verlaufenden Fall einer 42 Jahre alten Patientin mit Colitis ulcercosa, die mit Steroiden behandelt wurde. Im September 2013 wurde zusätzlich eine Adalimumab-Therapie begonnen, was die Patientin zunächst gut vertrug. Im dritten Zyklus Mitte Dezember entwickelte die Patientin dann Fieber, klinisch zeigte sich kein Fokus. Sie kam in die Klinik, ein Thorax-CT folgte.

„Man muss in dem Fall berücksichtigen, dass durch die ganzen Feiertage die Therapie sehr langsam ablief“, so Salzberger. Ein Röntgenbild folgte und wurde als Sarkoidose missdeutet. Als sich der Zustand der Patientin verschlechterte, folgte eine Bronchoskopie, die säurefeste Stäbchen in hoher Konzentration zeigte. Da sich die Lage zuspitzte, wurde die Patienten in die Universitätsklinik Regensburg überwiesen „Es kam zu einer Media-Tuberkulose in allen Organen“, berichtete Salzberger.

Eine Therapie wurde noch begonnen, doch nach 2 Tagen starb die Patientin an respiratorischem Kreislauf- und Gerinnungsversagen. „Ein solcher Verlauf ist typisch für eine Infektion unter Biologika – wenn so etwas auftritt, breiten sich die Erreger explosionsartig aus.“ In diesem Fall traf eine reaktivierte TB auf eine Patientin mit vollkommen gelähmtem Immunsystem.

Salzberger skizzierte dabei typische Gefahren. Unter Anti-TNF-Substanzen wie Infliximab und Adalimumab (weniger unter Etanercept) sind die Patienten für folgende Infektionen und Reaktivierungen gefährdet: Tuberkulose, Aspergillosen, Hepatitis B, Pneumocystis-Pneumonien, Salmonellen, Listerien, Legionellen, Nocardien und Toxoplasmose.

Für die Praxis ebenfalls wichtig ist, dass ein Herpes Zoster unter einer Biologika-Behandlung zu ca. 60% häufiger auftritt. In 5 bis 20% dieser Fälle ist mit schweren Episoden der Gürtelrose zu rechnen. Vor allem unter Efalizumab und Natalizumab sind Fälle von progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) beschrieben.

Fieber unklarer Genese: Antibiotika first

Ein anderes klinisches Spektrum ist unter den immunsuppressiven Nebenwirkungen einer Chemotherapie zu erwarten. Hier kommt es bei vielen Patienten zu einem drastischen Abfall der neutrophilen Granulozyten sowie Fieber, zur febrilen Neutropenie. „Die Infektabwehr ist stark reduziert und das Risiko für schwerwiegende bakterielle Infektionen ist deutlich erhöht“, erklärte Prof. Dr. Georg Maschmeyer in Mannheim.

Als Erreger kommen die gram-negativen und die meisten gram-positiven Bakterien in Frage, Multiresistenzen haben deutlich zugenommen, ergänzte der Chefarzt der Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin des Klinikums Ernst von Bergmann, Potsdam. Eine Indikation zur antimikrobiellen Intervention bei Tumorpatienten liege vor, wenn:

  • • Granulozyten < 500/ μl oder < 1.000 liegen, mit einer erwarteten Reduktion unter 500 innerhalb der nächsten 1 bis 2 Tage,  

  • • eine einmalige orale Temperatur von > 38,3 °C vorliegt (cave: antipyretischer Effekt von Steroiden, NSAID, Paracetamol, Novaminsulfon) oder

  • • zweimal eine Temperatur ≥ 38,0 °C innerhalb 12 h (oder über ≥ 38,0 °C über ≥ 1 h) gemessen wird und

  • • keine offensichtlich nicht-infektiöse Ursache (z.B. Reaktion auf Blutprodukte oder Medikamente z.B. Zytokine) erkennbar ist.

„Dann sollten Sie innerhalb von maximal zwei Stunden eine Therapie mit einem Breitspektrum-Antibiotikum einleiten“, betonte Maschmeyer und fügte hinzu: „Das heißt nicht, auf Diagnostik zu verzichten, sondern man sollte das Eine tun und das Andere nicht lassen.“ Der Experte warnte davor, erst dann zu behandeln, wenn das Ergebnis der Diagnostik vorliegt. Damit werde notwendige Zeit vertan. Der so frühe Behandlungsbeginn ist sehr wichtig, so Maschmeyer. Die Mortalität dieser Patienten für Pseudomonas liege – werde nicht früh genug behandelt – bei 50%.

Kommentar

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