Unheilvolles Duo – Chlamydieninfektionen und Gonorrhoe kommen häufig gemeinsam vor

Simone Reisdorf

Interessenkonflikte

4. Mai 2015

Prof. Dr. Norbert H. Brockmeyer

Berlin – Sexuell übertragbare Infektionen (STI) sind weiter auf dem Vormarsch in Deutschland – und dies oft im Zweierpack: „Gerade Chlamydieninfektionen und Gonorrhoe treten oft gemeinsam auf“, berichtete Prof. Dr. Norbert H. Brockmeyer bei der DDG-Jahrestagung in Berlin [1]. „Nicht vergessen werden darf bei der Suche nach Chlamydien und Gonokokken der Anal- und Oralbereich“, legte der Leiter des Zentrums für Sexuelle Gesundheit und Medizin, Dermatologische Klinik der Ruhruniversität Bochum, und Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG), den Kollegen nahe.

Brockmeyer riet, grundsätzlich allen STI-Patienten den Test auf weitere STI anzubieten. So zeigen Daten aus Großbritannien bei 30% der infizierten heterosexuellen Männer und bei bis zu 50% der infizierten Frauen eine Koinfektion mit Chlamydien und Gonorrhoe.

Bei Infektion immer auch im Rachen- und Analbereich testen!

 
Nicht vergessen werden darf bei der Suche nach Chlamydien und Gonokokken der Anal- und Oralbereich. Prof. Dr. Norbert H. Brockmeyer
 

Vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), sollte bei der Suche nach Chlamydien und Gonokokken auch der Anal- und Oralbereich einbezogen werden: „5,5 Prozent der MSM haben Gonokokken im Rachenbereich und 4,6 Prozent weisen eine Gonokokkenbesiedelung im Analbereich auf“, so Brockmeyer. Und Chlamydia trachomatis sei bei 1,5% der MSM im Rachen und bei 8% im Analbereich nachweisbar. Das zeigten die Daten der PARIS-Studie (Pharyngeal and Rectal Infection Study).

„Aber auch bei Frauen lohnt sich die Fahndung nach Chlamydien, Gonokokken und weiteren STI-Erregern im Rachen- und Analbereich“, fügte Brockmeyer auf Nachfrage von Medscape Deutschland hinzu: „Oralverkehr ist häufig. Und in die Analregion können die Keime selbst ohne Analverkehr gelangen, durch Schmierinfektion. Die Tatsache, dass nicht immer alle Regionen untersucht und mitbehandelt werden, ist ein wichtiger und vermeidbarer Grund für die aktuelle Zunahme der STI.“

Chlamydien mittels PCR aufspüren

Die häufigsten bakteriellen STI sind Chlamydieninfektionen, so Brockmeyer. Während die Zahl der mit Chlamydien infizierten Personen unter 15 Jahren noch im einstelligen Prozentbereich liegt, sind in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen etwa 15% der Männer und 9% der Frauen mit Chlamydien infiziert. Bei den 20- bis 24-Jährigen sind es sogar 18% der Männer und 8% der Frauen. Erst ab dem Alter von 25 Jahren nimmt die Infektionsrate allmählich wieder ab.

 
Einen Teil der Menschen mit Chlamydieninfektionen – etwa in sehr frühen oder späten Stadien – werden wir aber mit herkömmlichen Methoden nicht entdecken. Prof. Dr. Angelika Stary
 

Unbehandelte oder zu spät behandelte Chlamydieninfektionen sind ein häufiger Grund für ungewollte Kinderlosigkeit. Deshalb riet Brockmeyer im Gespräch mit Medscape Deutschland: „Ein Screening auf Chlamydieninfektionen ist empfehlenswert bei sexuell aktiven Frauen unter 25 Jahren, bei Männern mit anderen STI oder mit urogenital-infektiöser Symptomatik sowie bei Männern und Frauen mit entzündlicher Proktitis oder Colitis.“

„Einen Teil der Menschen mit Chlamydieninfektionen – etwa in sehr frühen oder späten Stadien – werden wir aber mit herkömmlichen Methoden nicht entdecken“, gab Prof. Dr. Angelika Stary, Pilzambulatorien Wien, Österreich, zu bedenken. Dazu sei eine hochsensitive Untersuchung auf Basis von Nukleinsäure-Amplifikationstests (NAAT) notwendig, also eine besondere Polymerase-Kettenreaktion (PCR).

„NAAT ermöglichen die Untersuchung von Proben, die nicht-invasiv gewonnen werden, etwa per Tupferabstrich oder aus dem Morgenurin“, nannte Stary einen weiteren Vorteil der Test neben der hohen Sensitivität. In einer Umfrage bevorzugten die meisten jungen Frauen und ihre Ärzte eine solche Methode. Der Abstrich ist bei Frauen sensitiver als eine Urin-Untersuchung. NAAT sei in Deutschland bereits Standard, so Brockmeyer.

Therapie der Chlamydieninfektion und Gonorrhoe: Partner mit einbeziehen

Die Behandlung bei Gonorrhoe erfolgt nach der aktuellen Leitlinie  einmalig mit 1,5 g Azithromycin peroral plus1 g Ceftriaxon intravenös oder intramuskulär. Weniger darf es nicht sein. Denn es gibt bereits erste Neisseria-gonorrhoeae-Stämme mit Resistenzen gegen Ceftriaxon, dies betonten sowohl Brockmeyer als auch Stary. „Diese Gonorrhoetherapie wirkt im Falle einer komorbiden Chlamydienerkrankung auch dagegen gleich mit“, so Brockmeyer.

 
Gerade bei Gonorrhoe und Chlamydieninfektionen sollten – wenn irgend möglich – immer der oder die Sexualpartner mitbehandelt werden. Prof. Dr. Norbert H. Brockmeyer
 

Umgekehrt ist die leitliniengerechte Therapie einer isolierten Chlamydieninfektion aber nicht geeignet, auch Gonorrhoe zu heilen. Sie besteht aus zweimal 100 mg Doxycyclin für 7 Tage oder 1,5 g Azithromycin einmalig.

Bei Lymphgranuloma venereum, das vorwiegend bei MSM auftritt, sollte die Chlamydienbehandlung sogar noch verlängert werden: Hier werden 3 Wochen lang täglich zweimal 100 mg Doxycyclin oder 3 Wochen lang jede Woche einmal 1,5 g Azithromycin gegeben.

„Gerade bei Gonorrhoe und Chlamydieninfektionen sollten – wenn irgend möglich – immer der oder die Sexualpartner mitbehandelt werden“, so Brockmeyer.

Nachbeobachtung nicht vergessen

Auch die Überprüfung des Behandlungserfolgs bei Chlamydieninfektionen und Gonorrhoe sollte mittels NAAT erfolgen, betonte Brockmeyer auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Der beste Zeitpunkt dafür ist etwa 3 bis 6 Wochen nach dem Abklingen der Läsionen; bei Beschwerden früher“, erklärte er. Im Falle der Gonorrhoe gehöre außerdem eine Bakterienkultur dazu.

Dieses sorgfältige Monitoring der Patienten sei bedeutsam, um Resistenzen zu erkennen und Infektionsketten zu unterbrechen.

 

REFERENZEN:

1. 48. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie (DDG), 29. April bis 2. Mai 2015, Berlin - Symposium „STI – Die neue Herausforderung 2016“ und Plenarvortrag „Neue Herausforderungen bei STI“, 29. April / 1. Mai 2015

 

 

Kommentar

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