Tyrosinkinase-Hemmer der 3. Generation gegen Resistenzmutationen beim Bronchialkarzinom

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

30. April 2015

Tyrosinkinase-Inhibitoren der 3. Generation verbessern bei Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom die Ansprechraten, wenn zuvor ihre Erkrankung nach Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor der 1. Generation progredient war. Wie die Ergebnisse von zwei zeitgleich im New England Journal of Medicine publizierten Studien belegen, sprechen insbesondere Patienten mit einer T790M-Mutation gut auf die beiden EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren der 3. Generation, AZD9291 und Rociletinib, an [1, 2].

 
Diese Studien unterstreichen die Bedeutung wiederholter Biopsien und molekularer Analysen bei Krankheitsprogression eines EGFR-mutierten NSCLC. Prof. Dr. Ramaswamy Govindan
 

„Diese Studien unterstreichen die Bedeutung wiederholter Biopsien und molekularer Analysen bei Krankheitsprogression eines EGFR-mutierten NSCLC“, so Dr. Ramaswamy Govindan, Washington University School of Medicine in St. Louis, USA, im begleitenden Editorial [3].

Bei etwa 15% der Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) können aktivierende Mutationen der Tyrosinkinase-Domäne des epidermalen Wachstumsfaktors (EGFR) nachgewiesen werden. Bei ihnen verbessern Tyrosinkinase-Inhibitoren der 1. Generation wie Erlotinib oder Gefitinib im Vergleich zu einer Chemotherapie die Gesamtansprechrate und das progressionsfreie Überleben (wie Medscape Deutschland berichtete).

Allerdings schreitet die Erkrankung bei der Mehrzahl der Patienten innerhalb einiger Monate fort. Als Ursache gilt eine Mutation an der ATP-Bindungsstelle der Kinase, bei der Threonin durch Methionin ersetzt wird (T790M). Als Folge dieser Mutation wirken die Tyrosinkinase-Inhibitoren der 1. und auch der 2. Generation (z.B. Afatinib) nicht mehr ausreichend.

AZD9291 und Rociletinib – hohe Ansprechraten bei T790M-Mutation

In der aktuellen Ausgabe des New England Journal of Medicine sind nun 2 Studien publiziert worden, in der die Ergebnisse von Phase-1-Studien mit den oral applizierbaren Tyrosinkinase-Inhibitoren AZD9291 und Rociletinib vorgestellt werden. Diese EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren der 3. Generation sind bei den üblichen EGFR-Mutationen, aber auch bei der T790M-Mutation wirksam.

In beide Studien wurden Patienten mit EGFR-mutiertem fortgeschrittenem NSCLC aufgenommen, deren Erkrankung nach Behandlung mit einen EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor der ersten Generation progredient war.

Prof. Dr. Pasi A. Jänne, Direktor des Lowe Zentrums für Thorax-Onkologie am Dana-Farber-Krebsinstitut in Boston, USA, und seine Kollegen setzten AZD9291 (AstraZeneca) bei 253 Patienten in Dosierungen von 20 bis 240 mg/Tag ein. Bei 31 Patienten der Dosiseskalationsgruppe wurden keine dosislimitierenden toxischen Effekte gesehen. Weitere 222 Patienten wurden in 5 Dosisexpansionsgruppen behandelt.

Eine Expansionsgruppe wurde dann gebildet, wenn sich bei der Dosiseskalation ein Effekt bei einer bestimmten Dosierung bei akzeptabler Verträglichkeit zeigte. In eine Expansionsgruppe konnten nur diejenigen Patienten aufgenommen werden, von denen eine Tumorbiopsie nach der ersten Progression der Erkrankung vorlag. Stichtag für die vorliegende Analyse war der 1. August 2014, die Studie läuft derzeit noch.

Alle 253 Patienten waren mindestens einmal mit einem EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor behandelt wurden, 80% hatten eine Chemotherapie erhalten. 138 von 222 Patienten (62%) wiesen eine EGFR-T790M-Mutation auf. Die Gesamtansprechrate konnte bei 239 der 253 Patienten ausgewertet werden, sie betrug 51%. 61% der Patienten mit T790M-Mutation sprachen auf die Therapie an, jedoch nur bei 21% der Patienten ohne T790M-Mutation. Das mediane progressionsfreie Überleben dauerte bei Patienten mit 790M-Mutation mit 9,6 Monaten deutlich länger als bei Patienten ohne diese Mutation mit 2,8 Monaten.

Seltener Hautausschläge als bei TKI der 1. Generation

Ähnliche Ergebnisse mit Rociletinib (Clovis Oncology) berichteten Dr. Lecia V. Sequist und ihre Kollegen vom Massachusetts General Hospital, Boston, USA. In ihre Phase-1/2-Dosisfindungsstudie nahmen sie 130 Patienten auf, von denen die ersten 57 Patienten mit Rociletinib in Form der freien Base in Dosen von 150 mg einmal täglich bis 900 mg zweimal täglich behandelt wurden.

Die nächsten 73 Patienten erhielten das Hydrobromid-Salz von Rociletinib in einer Dosierung von 500 mg bis 1.000 mg zweimal täglich. Es konnten keine dosislimitierenden toxischen Reaktionen gesehen werden außer einer Hyperglykämie.

In einer Wirksamkeitsanalyse mit den Patienten, die die Salzform und die freie Base in einer Dosierung von 900 mg zweimal täglich erhalten hatten, sprachen 59% der Patienten mit T790M-Mutation auf die Therapie an. Die Autoren berechneten ein progressionsfreies Überleben von 13,1 Monaten. Bei den Patienten ohne T790M-Mutation wurde ein Ansprechen in 29% der Fälle und ein progressionsfreies Überleben von 5,6 Monaten erreicht.

Beide neuen Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) lösten seltener Hautausschläge und Durchfälle aus als die Tyrosinkinase-Inhibitoren der 1. Generation.

Wiederholte Biopsien bei Krankheitsprogression sinnvoll

Werden in Biopsien T790M-Mutationen nachgewiesen, nachdem die Krankheit nach Behandlung mit Tyrosinkinase-Inhibitoren der 1. Generation fortgeschritten war, habe dies nun eine praktische Bedeutung, so Govindan.

„Bevor die neuen Substanzen zugelassen und breit verfügbar sind, muss in der nahen Zukunft überlegt werden, ob diese Patienten in laufende Studien mit T790M-spezifischen Tyrosinkinase-Inhibitoren aufgenommen werden“, sagt der Onkologe. Patienten, deren Krankheitsprogression eine andere Mutation zugrunde liegt, sollten wenn möglich ebenfalls in die entsprechenden Studien aufgenommen werden.

Govindan wies darauf hin, dass aber noch viele Fragen geklärt werden müssten. So sei offen, ob eine frühe Therapie mit AZD9291 oder Rociletinib die Entwicklung der T790M-Mutation verzögern könne. Seiner Meinung nach ist auch damit zu rechnen, dass die Krebszellen gegen diese neuen Agenzien ebenfalls Resistenzen entwickeln werden. Deshalb seien entsprechende Analysen und die Umsetzung der im Labor gewonnenen Erkenntnisse in die Klinik von zentraler Bedeutung für den weiteren Erfolg in diesem Therapiegebiet.

 

REFERENZEN:

1. Jänne PA, et al: NEJM 2015;372:1689-1699

2. SequistLV, et al: NEJM  2015;372:1700-1709

3. Govindan R: NEJM 2015;372:1760-1761

 

Kommentar

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