Leberkongress: Diabetesmedikamente als neue Waffe gegen nicht-alkoholische Steatohepatitis

Andrea Warpakowski

Interessenkonflikte

30. April 2015

Wien Gegen die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) könnten künftig Antidiabetika zum Einsatz kommen. Auf der 50. Jahrestagung der European Association for the Study of the Liver (EASL), dem International Liver Congress (ILC) 2015, wurden 2 Studien mit unterschiedlichen Diabetesmedikamenten vorgestellt, die jeweils die Fibroseprogression aufhalten und metabolische Risikofaktoren günstig beeinflussen konnten [1]. Sport führt jedoch bei dieser Erkrankung offenbar nicht zur Besserung, so eine weitere beim Kongress vorgestellte Studie.

Die nicht-alkoholische Fettleber ist die häufigste Lebererkrankung und entwickelt sich in 15 bis 20% der Fälle zu einer Leberzirrhose. Schätzungen zufolge wird im Jahr 2020 eine NASH die häufigste Form der Lebererkrankungen darstellen. Die Patienten haben jedoch häufig Schwierigkeiten, eine Diät einzuhalten und ihren Lebensstil zu ändern. Noch stehen keine medikamentösen Therapien zur Reduktion der Verfettung des Lebergewebes zur Verfügung.

Liraglutid lässt NASH bei mehr als einem Drittel der Patienten verschwinden

 
Obwohl NASH die häufigste chronische Lebererkrankung ist, gibt es bisher kein Medikament, das für diese Indikation zugelassen ist. Dr. Matthew Armstrong
 

„Obwohl NASH die häufigste chronische Lebererkrankung ist, gibt es bisher kein Medikament, das für diese Indikation zugelassen ist“, sagte Dr. Matthew Armstrong vom National Institute for Health Research der University Birmingham. Er stellte die Ergebnisse der Phase-2-Studie LEAN vor, in der das Glucagon-like Peptid-1(GLP-1)-Analog Liraglutid im Vergleich zu Placebo eine histologische Besserung der NASH bei 39% der Patienten ergab (Abstract G01).

„Diese Ergebnisse belegen den potenziellen Nutzen einer medikamentösen Therapie der NASH, der mit einer Phase-3-Studie weiter untersucht werden sollte“, so Armstrong. Das Inkretinmimetikum ist in den USA und in Europa zur Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes und starkem Übergewicht zugelassen (Victoza®, Novo Nordisk).

Natürliches GLP-1 hat Armstrong zufolge mehrere Effekte: Neben der Stimulierung der Insulinsekretion beschleunigt es die Magenentleerung und hemmt den Appetit, es hat aber nur eine Halbwertszeit von 2 Minuten. In Tiermodellen und klinischen Studien hat GLP-1 die Leberenzyme gesenkt und die hepatische Steatose gebessert, so Armstrong.

 
Diese Ergebnisse belegen den potenziellen Nutzen einer medikamentösen Therapie der NASH, der mit einer Phase-3-Studie weiter untersucht werden sollte. Dr. Matthew Armstrong
 

In einer retrospektiven Analyse von Diabetes-Studien habe sich mit Liraglutid eine dosisabhängige Normalisierung der Leberenzyme gezeigt, deshalb sollte nun überprüft werden, ob dieses Medikament auch bei NASH wirksam ist. Der primäre Endpunkt der LEAN-Studie war eine Verbesserung der Leberhistologie, definiert als Verschwinden der NASH und keiner weiteren Progression der Fibrose.

In der Studie spritzten sich jeweils 26 übergewichtige Patienten 48 Wochen lang einmal täglich 1,8 mg Liraglutid oder Placebo. In beiden Gruppen wurde die Dosis wöchentlich von 0,6 mg über 1,2 mg auf 1,8 mg ab Tag 15 aufdosiert. Bei 45 Studienteilnehmern wurde die NASH mittels Biopsie diagnostiziert. Die Patienten waren durchschnittlich 51 Jahre alt, mehr als die Hälfte waren Männer, rund ein Drittel Diabetiker und der Body-Mass-Index (BMI) lag bei rund 35 kg/m2. Fast die Hälfte der Patienten hatte einen Fibrosescore F3-4.

Den primären Endpunkt erreichten 9 (39%) der 23 auswertbaren Patienten in der Liraglutid-Gruppe und nur 2 (9%) der 22 auswertbaren Patienten aus der Placebo-Gruppe (p < 0,05). Bei den sekundären Endpunkten war Liraglutid bei Verschlechterung der Fibrose (8,7% vs 36,4%) und der Verbesserung der Steatose (82,6% vs 45,5%) ebenfalls signifikant wirksamer (jeweils p < 0,05). Im Verlauf der 48 Wochen sanken der BMI, das Körpergewicht und der Blutzucker. Der Effekt blieb nach Absetzen des Medikaments jedoch nicht erhalten und die Parameter stiegen wieder.

Liraglutid verursachte vor allem gastrointestinale Nebenwirkungen, insbesondere Diarrhoe (Verum 42,3% vs Placebo 19,2%) und Übelkeit (46,2% vs 38,5%). Über Anorexie berichteten 30,8% vs 7,7% der Patienten.

Remoglifozin Etabonat – intrinsische antioxidative Effekte

Der noch nicht zugelassene SGLT2(sodium depending glucose co-transporter)-Inhibitor Remoglifozin Etabonat habe in Studien die Insulin-Sensitivität und Betazell-Funktion verbessert sowie das Körpergewicht und die Leberenzyme reduziert, erklärte Dr. William Wilkison vom Unternehmen Islet Sciences Inc., Raleigh, North Carolina/USA, die Wirksamkeit bei Diabetes mellitus (Abstract O046). SGLT2-Inhibitoren hemmen die Rückresorption von Glukose in der Niere. 

In präklinischen Studien habe Remoglifozin Etabonat auch die Fettakkumulation in der Leber und die Konzentration von Markern für oxidativen Stress verringert. Diese intrinsische antioxidative Wirkung könnte Wilkison zufolge die Steatohepatitis und den oxidativen Stress, die mit der Erhaltung und der Progression der NASH assoziiert sind, umkehren. Um das zu untersuchen, wurde eine Post-hoc-Analyse einer randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Diabetes-Studie durchgeführt.

In dieser Studie erhielten zuvor unbehandelte Diabetes-Patienten 12 Wochen lang zweimal täglich 50, 100, 250, 500 oder 1.000 mg Remogliflozin Etabonat oder Placebo oder einmal täglich 30 mg Pioglitazon. In der Studie verbesserte sich unter dem SGLT2-Inhibitor die Insulinsensitivität um 6 bis39% und die Betazell-Funktion um 23 bis 43% im Vergleich zu Placebo. Zusätzlich verringerte sich der mittlere Blutzuckerwert.

Die aktuelle Post-hoc-Analyse zeigte auch eine Verringerung der Alanin-Aminotransferase um 32 bis 42% unter dem Verum-Präparat. Zusätzlich sei anhand der Oxyden Radical Antioxidant Capacity (ORAC) eine relevante antioxidative Aktivität festgestellt werden, die höher als bei anderen SGLT2-Inhibitoren ist, betonte Wilkison. Im ersten Halbjahr 2015 soll eine prospektive Studie starten, um die Wirksamkeit der Substanz bei NASH-Patienten zu untersuchen.

Vom Gewichstverlust unabhängiger Effekt?

Beide Studien wurden auch auf einer EASL-Pressekonferenz vorgestellt. Für den Moderator der Pressekonferenz, den EASL-Sekretär Dr. Markus Peck-Radosavljevic, stellte sich die Frage, ob der positive Effekt auf die Leber in den beiden Studien nur durch den Medikamenten-induzierten Gewichtsverlust eintrat.

„Ich frage mich, ob diese Substanzen einen vom Gewichtsverlust unabhängigen Wirkmechanismus haben“, so Peck-Radosavljevic „In beiden Studien verlieren die Patienten an Gewicht und wir wissen, dass ein Gewichtsverlust aus welchen Grund auch immer, einen positiven Effekt auf die NASH hat. Aber es gibt auch NASH-Patienten, die weder übergewichtig sind, noch Diabetes haben“, gibt Peck-Radosavljevic zu bedenken.

„Es wäre interessant, ob auch diese Patienten von einem dieser Medikamente profitieren. Um das herauszufinden, sind größere Studien mit verschiedenen Subgruppen nötig. Falls in diesen Studien bei normalgewichtigen Patienten ohne Gewichtsverlust eine Verbesserung der NASH-Histologie nachgewiesen würde, wäre das phantastisch“, resümierte Peck-Radosavljevic.

Sport alleine bessert NASH nicht

Dass Sport einen positiven Effekt auf die NASH hat, die Fettleber aber alleine nicht bessern kann, wurde in einer Studie belegt, die als Poster vorgestellt wurde. 12 Patienten mit histologisch gesicherter NASH und einem mittleren BMI von 33 kg/m2 führten 12 Wochen ein intensives Training durch oder sie erhielten eine normale Behandlung ohne Sport. In der Trainingsgruppe verbesserten sich zwar die Fette in der Leber, das viszerale Fett und die Triglyzeride im Plasma im Vergleich zur Kontrollgruppe. Keinen Effekt hatte der Sport dagegen auf die zirkulierenden NASH-Entzündungsmarker Interleukin-6 und TNF-alpha und auch nicht auf das abdominale Fett und das Körpergewicht.

 

REFERENZEN:

1. 50th Annual Meeting of the European Association for the Study of the Liver (EASL), The International Liver Congress (ILC), 22. bis26. April 2015, Wien

 

Kommentar

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