Bei Patienten mit Hodgkin-Lymphom kann nach einer autologen Stammzelltransplantation das progressionsfreie Überleben verlängert werden, wenn früh mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab Vedotin behandelt wird. Dies hat die randomisierte, doppelblinde Phase-3-Studie AETHERA ergeben, die von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Craig H. Moskowitz vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, in Lancet publiziert worden ist [1].
„AETHERA ist eine positive Studie, die einen vielversprechenden neuen Therapieansatz für Patienten mit Hodgkin-Lymphom und hohem Rezidivrisiko etabliert“, so das Urteil von Prof. Dr. Andreas Engert, Hämatoonkologe an der Universitätsklinik Köln im begleitenden Editorial [2].
Patienten, die an einem Hodgkin-Lymphom erkrankt sind, haben eine hohe Heilungschance – je jünger der Patient ist, desto besser ist das Therapieergebnis. Die Prognose ist aufgrund der kombinierten Chemotherapie über die letzten Jahrzehnte immer besser geworden, 80 bis 90% der Patienten überleben.
Tritt jedoch ein Rezidiv auf, verschlechtert sich die Prognose erheblich. Die meisten Patienten erhalten dann eine Hochdosis-Chemotherapie, gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation. Von denjenigen Patienten, die nach einer Stammzelltransplantation ein Rezidiv erleiden, sterben mehr als 90%. „Für diese Patienten besteht ein hoher Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten“, erläuterte Engert.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugat zur gezielten Therapie
Die Reed-Sternberg-Zellen des Hodgkin-Lymphoms exprimieren vermehrt das Transmembranprotein CD30. Mit Brentuximab Vedotin steht seit Oktober 2012 ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat zur Verfügung, in dem ein monoklonaler Antikörper gegen CD30 über einen Peptid-Verbinder (Linker) an das Zytostatikum Monomethyl-Auristatin E gekoppelt ist.
Das Konjugat wird nach Bindung des Antikörpers an das CD30-Protein in die Zelle aufgenommen. Dort wird das Zytostatikum vom Antikörper abgekoppelt und kann nun in hoher Konzentration seine Wirkung als Hemmer der Tubulinpolymerisation entfalten.
Brentuximab Vedotin ist derzeit zur Behandlung von Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem CD30-positivem Hodgkin-Lymphom (HL) nach einer autologen Stammzelltransplantation (ASCT) oder nach mindestens 2 vorangegangenen Therapien zugelassen, wenn eine ASCT oder eine Kombinationschemotherapie nicht als Behandlungsoption in Frage kommen. Darüber hinaus kann es zur Behandlung von Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem systemischem anaplastischem großzelligem Lymphom eingesetzt werden.
Brentuximab Vedotin als Konsolidierungstherapie
In der von Seattle Genetics und Takeda Pharmaceuticals International finanzierten Phase-3-Studie AETHERA untersuchten nun Moskowitz und seine Kollegen den Effekt einer früh nach autologer Stammzelltransplantation einsetzenden Konsolidierungstherapie mit Brentuximab Vedotin bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Hodgkin-Lymphom. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben.
Die Patienten mussten mindestens einen Risikofaktor für eine Progression nach der Stammzelltransplantation aufweisen, z.B. extranodale Erkrankung, primär refraktäres Hodgkin-Lymphom oder Rezidiv innerhalb von 12 Monaten nach Remission. Randomisiert erhielten 165 Patienten 16 Zyklen Brentuximab Vedotin (1,8 mg/kg i.v. alle 3 Wochen) oder Placebo. Die Therapie begann 30 bis 45 Tage nach der Stammzelltransplantation.
Mehr Patienten ohne Progression
Nach einer medianen Beobachtungszeit von 30 Monaten wurde der primäre Endpunkt, das progressionsfreie Überleben, durch Brentuximab Vedotin im Vergleich zu Placebo signifikant von 24,1 Monaten auf 42,9 Monate verbessert (Hazard-Ratio: 0,57 p = 0,0013). Der Nutzen von Brentuximab Vedotin war in allen vordefinierten Subgruppen nachweisbar.
Eine Interimsanalyse des Gesamtüberlebens zeigte keinen Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Dies kann aber nach Engert damit erklärt werden, dass es den Patienten der Placebo-Gruppe bei Progression erlaubt war, in die Brentuximab-Vedotin-Gruppe zu wechseln, was auch 85% nutzten.
Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat wurde relativ gut vertragen. Am häufigsten traten unter Brentuximab Vedotin periphere Neuropathien als unerwünschte Wirkungen auf, die möglicherweise die Verblindung der Studie gefährdeten.
Festlegung der Risikofaktoren hinterfragt
Die Autoren ziehen aus ihren Ergebnissen den Schluss, dass eine Konsolidierungstherapie mit Brentuximab Vedotin bei Patienten mit Hodgkin-Lymphom und hohem Risiko die Chance auf eine Heilung erhöhen und eventuell eine Belastung mit nachfolgenden toxischen Therapien vermeiden könne.
Engert hinterfragt allerdings die Festlegung der Risikofaktoren für die Aufnahme der Patienten in der AETHERA-Studie. Risikofaktoren sollten sich in der klinischen Praxis unkompliziert und eindeutig definieren lassen. Dies sei bei zwei der drei in der AETHERA-Studie ausgewählten Risikofaktoren nicht der Fall gewesen.
Derzeit arbeite eine internationale Arbeitsgruppe an der Definition der Hochrisiko-Population, die einer Konsolidierungstherapie bedürfe. „Wir erwarten eine bessere Definition von Patienten mit rezidiviertem Hodgkin-Lymphom, die eine Konsolidierungstherapie mit Brentuximab Vedotin erhalten können“, so Engert.
REFERENZEN:
1. Moskowitz CH, et al: Lancet (online) 19. März 2015
2. Engert A: Lancet (online) 19. März 2015
Diesen Artikel so zitieren: Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab Vedotin verbessert die Prognose bei rezidiviertem Hodgkin-Lymphom - Medscape - 24. Apr 2015.
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