Achse Darm-Gehirn: Was das Mikrobiom mit Demenz, Multipler Sklerose und Depression zu tun hat

Sarah R. Dash

Interessenkonflikte

17. April 2015

In diesem Artikel

Mikrobiom und Hirnentwicklung

Die mikrobielle und die neurologische Entwicklung teilen während ihrer Entwicklung ähnliche vulnerable Phasen, in denen sie besonders anfällig für schädliche Einflüsse sind.[6] Die Mutter stellt die erste „Bakterienquelle“ für das Neugeborene dar. Somit ist die Gesundheit der Mutter sehr wichtig für die Entwicklung des kindlichen Mikrobioms.[7] Krankheiten der Mutter und die Einnahme von Medikamenten können also den optimalen mikrobiotischen Transfer auf das Kind beeinträchtigen.

Die frühe Lebensphase bleibt weiterhin für die Entwicklung kritisch. Störungen etwa durch schwere Erkrankungen oder Stress können den Informationsfluss zwischen Darm und Gehirn beeinträchtigen und lassen sich mit Hirnerkrankungen im späteren Leben in Verbindung bringen.[6] In verschiedenen tierexperimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Stress in der Frühphase des Lebens die Entwicklung des Stressreaktionssystems mit der Achse Hypothalamus-Hypophyse-Nebenniere beeinflusst und zu einer lebenslang wirkenden Veränderung im Stressreaktionsmuster des Tieres führt.[8,9] Der Grund für dieses Problem liegt wahrscheinlich in der wechselseitigen Beziehung zwischen Stress und Darmflora. Belastungen und Infektionen der Mutter während der Schwangerschaft wurden mit zentralnervösen Störungen im späteren Leben in Zusammenhang gebracht, wie etwa Schizophrenie, autistische und kognitive Störungen sowie Verhaltensauffälligkeiten. Solche Störungen können von den Bakterien, welche den Darm besiedeln, vermittelt sein.[10,11]

Mikrobiom und neurologische Erkrankungen

Es scheint eine Verbindung zwischen gastrointestinalen Störungen oder Veränderungen der Darmflora und neurologischen Erkrankungen wie multiple Sklerose, autistischen Störungen und Parkinson-Krankheit zu bestehen. Die umweltbedingten Risikofaktoren für neurologische Erkrankungen befördern häufig die immuninflammatorische Reaktion.

Manche neurologischen Erkrankungen werden mit einer fehlerhaften Proteinfaltung im Gehirn erklärt. Dafür machen manche Autoren eine Gehirnentzündung mit Ursprung im Darm verantwortlich.[12,13]

Ein präinflammatorischer Zustand infolge einer Dysbiose der Darmflora steht auch mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen im Zusammenhang, wobei auch hier wieder die Multiple Sklerose auftaucht.[14] Ihre weiteste Verbreitung hat sie in den westlichen Industrienationen.[15] Die in diesen Ländern verbreitete Ernährungsweise gilt als Wegbereiter eines präinflammatorischen Profils und als Grund für eine gestörte Darmflora.[16] Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist, dass bei Patienten mit multipler Sklerose und Parkinson-Krankheit Lipopolysaccharide und Antikörper gegen verschiedene Antigene sowie Marker einer erhöhten intestinalen Permeabilität nachgewiesen werden konnten.[17,18]

Ganz ähnlich verhält es sich bei neurodegenerativen Erkrankungen, wie der Alzheimer-Krankheit und einem allgemeinen kognitiven Leistungsrückgang, die durch altersabhängige Hirnveränderungen sowie eine gestörte Immunfunktion und vermehrten oxidativen Stress gekennzeichnet sind.[19] Im Tierversuch lassen sich diese Faktoren über die Ernährung und die Darmflora beeinflussen.[20] Der neurotrope Wachstumsfaktor BDNF (brain-derived neurotrophic factor) schützt gesunde Hirnzellen und fördert das Wachstum neuer Zellen. Seine Produktion wird offenbar von Darmbakterien beeinflusst und ist bei Alzheimer-Patienten verringert.[21] Somit scheint es, dass altersbedingte Veränderungen der Darmflora bidirektional mit altersbedingten neurodegenerativen Erkrankungen verknüpft sind.[22]

Erwähnenswert ist zudem, dass die gleichen ungünstigen Ernährungsweisen, welche die Darmflora beeinträchtigen, auch als Risikofaktoren für eine Depression im Alter gelten[23], während eine gesündere Ernährungsform vor einem kognitiven Leistungsabfall schützt.[29]

Mikrobiom und psychiatrische Erkrankungen

Die Vorstellung von einem Zusammenhang zwischen dem Darm und der Psyche ist vergleichsweise neu. Man hält es heute für möglich, dass verschiedene psychische Störungen, und vor allem die Depression, entzündliche Erkrankungen sind, bei denen der Darm eine wichtige Mediatorfunktion besitzt.[25,26] In zahlreichen Tierversuchen führte die Manipulation der Darmflora zu einem ängstlichen oder depressiven Verhalten[27,28]. Nach einer Studie ließ sich ein solches  ängstliches Verhalten gar über die Darmflora auf ein anderes Tier übertragen.[29]

Die Coping-Mechanismen zum Umgang mit psychischem Stress werden scheinbar bereits in der Frühphase des Lebens angelegt, wobei manche besser wirken als andere.[30] Angesichts der Menge an Serotonin im Darm und des Einflusses der Darmflora auf den Serotonin-Baustein Tryptophan, scheint eine Untersuchung des Einflusses auf die mentale Gesundheit sinnvoll. Mehrere Studien lieferten Hinweise für einen Zusammenhang zwischen einer funktionellen und strukturellen Schädigung des Darmes mit Depressionen[25], Schizophrenie[31] und Autismus[32].

Kommentar

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