DGK-Kongress: Neuer Troponin-Test bei Verdacht auf ACS – nach einer Stunde kann jeder Zweite wieder nach Hause

Axel Viola

Interessenkonflikte

16. April 2015

Mannheim – Zeit ist für Patienten mit Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) ein wichtiges Gut. Je schneller die Diagnose steht, umso größer die Wahrscheinlichkeit, Herzmuskelgewebe retten zu können.

Doch nicht immer ist die Sache so eindeutig wie beim ST-Hebungsinfarkt (STEMI). Deuten die klinischen Symptome auf einen STEMI und wird dieser im EKG bestätigt, muss der Patient umgehend ins Katheterlabor gebracht werden, wo interventionell die verschlossenen Gefäße rekanalisiert werden können.

 
Von diesen Patienten (mit erhöhten Troponin-Werten) hatten 90 Prozent eine intervenierbare Stenose. Prof. Dr. Stefan Blankenberg
 

Bei Patienten mit Thoraxschmerz unklarer Genese ist derzeit mehr Geduld erforderlich. Erst nach frühestens 3 bis 6 Stunden kann durch die Analyse der Laborparameter Troponin I oder T ein akutes Koronarsyndrom (ACS) verifiziert werden, Zeit, in der das Myokard weiter Schaden nimmt.

Nur noch eine Stunde bis zur Diagnose

Am Universitären Herzzentrum Hamburg (UHH) soll ab Mitte des Jahres dieser Zeitraum auf eine Stunde verkürzt werden können, berichtete der Direktor der kardiologischen Klinik am UHH, Prof. Dr. Stefan Blankenberg, auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim [1].

Möglich wird dies durch ein empfindlicheres Testverfahren auf hochsensitives Troponin I, das vom Unternehmen Abbott entwickelt worden ist. Dieses ermöglicht es, mit großer Sicherheit bereits nach einer Stunde eine Aussage treffen zu können, ob Patienten ein akutes Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung (NSTEMI) haben, das interventionell (oder chirurgisch) behandelt werden muss.

Schon lange wird kardiales Troponin, das aus absterbenden Herzmuskelzellen freigesetzt wird und im Blut gemessen werden kann, zur Diagnostik beim ACS genutzt. Nur ist es bisher wegen der individuellen Schwankungen nötig, bei der Einlieferung des Patienten einen Troponin-Wert zu bestimmen, der mit einem weiteren nach 3 bis 6 Stunden abzugleichen ist. Diese Zeitspanne soll nun deutlich kürzer werden.

Am UHH läuft derzeit die Beobachtungsstudie BACC (Biomarker in acute cardiac care), um das Testverfahren weiter zu überprüfen. Die Ergebnisse der ersten untersuchten 1.045 Patienten haben nun zum Entschluss in Hamburg geführt, ab dem Sommer den Notfall-Algorithmus anzupassen.

Als Grenzwert gelten 6 pg/ml. Ermittelt wurde dieser Referenzwert, wie Blankenberg auf der Tagung berichtete, auf der Basis von Daten einer europäischen Population mit 100.000 Probanden. Liegt die Konzentration des hochsensitiven Troponin I nach nur 1 Stunde niedriger, kann mit einer 99% Gewissheit davon ausgegangen werden, dass kein akutes Koronarsyndrom vorliegt.

40 Prozent der Patienten könnten die Klinik schnell wieder verlassen

 
Wir erwarten, dass dieser Algorithmus die gängigen Leitlinien herausfordern wird. Prof. Dr. Stefan Blankenberg
 

Laut Blankenberg konnten auf Basis des Schnelltest 40 bis 50% der Patienten nach einer Stunde wieder nach Hause geschickt werden, weil ihre Troponinwerte diesen Grenzwert nicht überschritten [2].

„Im Gegensatz dazu wurden zehn bis 15 Prozent der Patienten detektiert, die (aufgrund ihrer Troponin I Werte) ins Katheterlabor gingen. Von diesen Patienten hatten 90 Prozent eine intervenierbare Stenose“, erklärte Blankenberg. Bei ihnen wurde bei Klinikaufnahme ein Wert für das hochsenistive Troponin I von mehr als 6 pg/ml gemessen. Stieg dieser Wert in den nachfolgenden 60 Minuten um mehr als 12 pg/ml an, gingen die Kardiologen von einem  interventionsbedürftigen ACS aus.

Bei etwa 44% der Patienten aus dem BACC-Studienkollektiv führte der Schnelltest zu keinem eindeutigen Ergebnis. Hier müssen weitere klinische Untersuchungen erfolgen, um zu einer Diagnose zu gelangen. „Diese Patienten sollten nicht sofort interventiert werden“, verdeutlichte der Hamburger Kardiologe. In der Studie solle deshalb noch geprüft werden, ob bei diesen unklaren Patienten „ein Computertomogramm oder andere Untersuchungsmöglichkeiten“ bei der Diagnosestellung helfen können.

Dieses zurückhaltende Vorgehen ist für Blankenberg zudem Beleg dafür, dass die Anwendung des hochsensitiven Schnelltests nicht zu einer Ausweitung von Herzkatheteruntersuchungen führen wird. Diese Befürchtung hegt die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA, die aus diesem Grund den Test bislang nicht zugelassen hat. Die bisherigen Ergebnisse aus BACC, so die Argumentation Blankenbergs, würden dieses Szenario jedoch nicht bestätigen.

Für die Hamburger sind die Ergebnisse so überzeugend, dass sie in Kürze auf das neue Diagnose-Verfahren umstellen. „Wir erwarten, dass dieser Algorithmus die gängigen Leitlinien herausfordern wird“, wird Blankenberg in der Pressemitteilung der DGK zitiert.

PD Dr. Dirk Westermann vom UHH, der die Ergebnisse auf der DGK-Tagung präsentierte, wies besonders darauf hin, dass die Diagnostik eines ACS nicht nur auf den Laborwerten beruhen sollte, sondern auch auf klinischen Beobachtungen. „Wir haben in der Studie validiert, was alleine ein Labortest kann. Das Klinische würden wir aber bei einer Entscheidung niemals weglassen.“

 

REFERENZEN:

1. 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 8. bis 11. April 2015, Mannheim

2. DGK-Pressemitteilung vom 9. April 2015

 

Kommentar

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