Achtung CO-Vergiftung: Risiken des Wasserpfeifen-Rauchens werden unterschätzt

Susanne Rytina

Interessenkonflikte

15. April 2015

Seit fruchtig-süß aromatisierte Tabakmischungen wie Doppelapfel oder Melone konsumiert werden können, ist das Rauchen von Wasserpfeifen Teil der Jugendkultur geworden. Ein beträchtlicher Anteil, rund 30% der 12- bis 17-Jährigen in Deutschland, hat schon Wasserpfeife geraucht, wie jetzt eine neue, große Befragung des Robert Koch-Instituts (RKI) belegt, die auch im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht wurde [1].

Dr. Benjamin Kuntz

„Während das Rauchen von Zigaretten bei Jugendlichen in Deutschland in den letzten 15 Jahren deutlich zurückgegangen ist, hat sich das Wasserpfeife-Rauchen als alternative Form des Tabakkonsums etabliert“, stellt Dr. Benjamin Kuntz von der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring des RKI fest.

Auch wenn es nach Fruchtaromen riecht, atmet der Shisha-Raucher doch die gleichen gesundheitsschädigenden Substanzen ein wie beim Zigarettenrauchen – insbesondere Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid. Die American Lung Association warnt daher schon seit Jahren vor den möglichen gesundheitlichen Folgen wie Lungen-, Mund und Blasenkrebs, Herz-Kreislauf-Störungen und koronare Herzkrankheit und weist auf die Suchtgefahr hin.

Durch das Teilen des Mundstücks können zudem Infektionen wie Herpes, Hepatitis und Tuberkulose übertragen werden. 2005 hatte die WHO ein Gutachten vorgelegt und erheblichen Forschungsbedarf postuliert. Zur Erhitzung des Tabaks wird außerdem Wasserpfeifenkohle verbrannt, wobei wie beim Grillen erhebliche Mengen an Kohlenmonoxid entstehen.

Neue Fallberichte aus der Notaufnahme von Schweizer Krankenhäusern und Einzelberichte aus anderen Ländern zeigen, dass es bei Wasserpfeifen-Konsumenten zu Kohlenmonoxid-Intoxikationen mit vorübergehender Bewusstlosigkeit kommen kann, wenn die Wasserpfeife in schlecht gelüfteten Räumen geraucht wird: Im Gegensatz zur Zigarette wird der Tabak in der Wasserpfeife nicht direkt verbrannt, sondern bei niedrigen Temperaturen verschwelt.

Jeder vierte Junge unter den 16- bis 17-Jährigen hat schon Wasserpfeife geraucht

Das RKI hat im Zuge der bundesweit größten Kinder- und Jugendgesundheitsstudie KIGGS, an der im Zeitraum von 2009 bis 2012 mehr als 12.000 Kinder und Jugendliche teilgenommen haben, neue repräsentative epidemiologische Daten zum Wasserpfeifen-Konsum erhoben:

 
Das Wasserpfeife-Rauchen hat sich als alternative Form des Tabakkonsums etabliert. Dr. Benjamin Kuntz
 

28,9% von insgesamt 4.543 Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren gaben an, schon einmal im Leben eine Wasserpfeife geraucht zu haben (95%-Konfidenz-Intervall: 26,9 -31,0). Jeder zehnte tat es innerhalb der letzten 30 Tage (95%-KI: 86-11,6) und jeder fünfte innerhalb der vergangenen 12 Monate (95%-KI: 18,8-22,6). 

„Die Zahlen sind relativ hoch, wenn man bedenkt, dass Zigaretten und auch alle anderen Tabakprodukte seit 2007 nicht mehr an unter 18-Jährige verkauft werden dürfen“, gibt Kuntz, der Erstautor der Studie, zu bedenken. Die Zahlen sind aber wohl verlässlich, eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2011 kam zu ähnlichen Ergebnissen.

Bei beiden Geschlechtern steigen die Prävalenzen mit zunehmendem Alter deutlich an. Bei den 16- bis 17-Jährigen gibt rund jeder vierte Junge und jedes siebte Mädchen an, innerhalb der letzten 30 Tage Shisha geraucht zu haben.

Shisha – erster Schritt zum Zigaretten- und Drogenkonsum?

Es kommt nur äußerst selten vor, dass die Jugendlichen täglich Shisha rauchen. In der KIGGS-Studie gaben 0,6% (n = 5) an, in den letzten 30 Tagen Wasserpfeife geraucht zu haben. „Das ist eine gewisse Beruhigung, dass es nicht mehr Jugendliche sind“, wertet dies PD Dr. Thomas Schulz vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Ihn beschäftigt die Frage, ob das Shisha-Rauchen ein Einstieg in den Zigarettenkonsum sein kann.

 
Gerade für tabakunerfahrene Jugendliche ist der Wasserpfeifenrauch zumeist angenehmer als der relativ heiße Rauch von Zigaretten. Dr. Benjamin Kuntz
 

Darauf antwortet die aktuelle Erhebung zwar nicht, aber es gibt internationale Daten dazu. So wurde in einer Umfrage unter 105.012 US-Studierenden ermittelt, dass 50% der aktuellen Wasserpfeifen-Raucher keine Zigaretten rauchen. Eine Studie mit 1.701 jordanischen Schülern zeigte, dass der Konsum der Wasserpfeife das Risiko verdoppelt, auch zum Zigarettenraucher zu werden. Auch eine Studie aus Dänemark unter 762 Jugendlichen fand heraus, dass Wasserpfeifenkonsum ein Prädiktor für den Griff zur Zigarette ist.

Anders als bei der Zigarette, die in 3 Minuten geraucht ist, zieht sich eine Shisha-Session, bei der der Schlauch in der Runde kreist, oft über eine Stunde hin. Was früher nur ältere Männer in orientalischen Ländern praktiziert haben, übt heute eine große Faszination auf junge Menschen aus. Nicht zuletzt haben auch dieses Zelebrieren des Gemeinschaftserlebnisses und das gemeinsame „Chillen“ zur Verbreitung der Wasserpfeife in westlichen Ländern beigetragen. Durch das Teilen des Mundstücks können jedoch Infektionen wie Herpes, Hepatitis und Tuberkulose übertragen werden.

Irrtümer und Mythen zum Wasserpfeife-Rauchen führen zur Verharmlosung

Die fälschliche Annahme, dass Wasserpfeife-Rauchen weniger gesundheitsschädlich sei als das Zigarettenrauchen, ist noch immer verbreitet. Weniger als ein Drittel (31,4%) der befragten Jugendlichen gab im Rahmen einer Repräsentativerhebung der BzgA 2007 an, dass es ziemlich oder sehr schädlich für die Gesundheit sei, während Passivrauchen (69,2%) und Zigarettenrauchen (91,1%) von einer deutlichen Mehrheit als schädlich eingestuft wurde.

Ein weit verbreitet ist auch die irrtümliche Vorstellung, das Wasser im Bodengefäß, der so genannten  „Bowl“, würde den Tabakrauch filtern. Das relativ leichte Konsumieren von fruchtig schmeckenden Tabaksorten verleitet zudem bereits die Jüngsten: „Gerade für tabakunerfahrene Jugendliche ist der Wasserpfeifenrauch zumeist angenehmer als der relativ heiße Rauch von Zigaretten, da der durch das Wasser gekühlte und mit Feuchtigkeit angereicherte Rauch weniger Kratzen im Hals verursacht“, erläutert Gesundheitswissenschaftler Kuntz. Der relativ kühle Rauch aus Wasserpfeifen lässt sich leichter inhalieren, wodurch die im Rauch enthaltenen Schadstoffe tiefer in die Atemwege gelangen können.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat zuletzt 2009 das Wasserpfeife-Rauchen gesundheitlich bewertet und kam zu dem Schluss, dass die Gefahr der Suchtentwicklung vergleichbar der Gefahr der Zigaretten sei. Das BfR warnt insbesondere Schwangere und Personen mit vorgeschädigtem Herz-Kreislauf-System vor dem Konsum von Wasserpfeifen, wie Toxikologe Schulz betont.

Bestimmte krebserzeugende Stoffe wie Benzpyren und Formaldehyd sind im Rauch der Wasserpfeife stärker konzentriert als in der Zigarette – doppelt oder sogar vierfach höher, wie aus eigenen Untersuchungen des BfR hervorgeht. Andere Karzinogene wie Butadien sind nur im Zigarettenrauch, nicht aber im Wasserpfeifenrauch enthalten.

Intoxikationen: Neue Herausforderung für Ärzte in der Notaufnahme

 
Daher sollte das Personal der Notaufnahme bei unspezifischen neurologischen Symptomen gezielt den Wasserpfeifen-Konsum erfragen. Joscha von Rappard
 

Akut ist laut einem Fallbericht von Joscha von Rappard und seinen Kollegen vom Kantonsspital St. Gallen in der Schweiz die Gefahr, CO-Intoxikationen infolge des Wasserpfeife-Rauchens. In 3 von 4 dokumentierten Fällen aus der Notaufnahme wurde eine vorübergehende Bewusstlosigkeit festgestellt.

Solche akzidentellen CO-Intoxikationen kommen ansonsten durch kohlebetriebene Grille, Heizkamine oder Heißwasserboiler zustande. Die Wirkung: das Kohlenmonoxid diffundiert nach der Inhalation rasch durch die Alveolarmembran und bindet mit einer 240fach höheren Affinität als Sauerstoff an das zweiwertige Häm-Eisen, wobei Carboxyhämoglobin (COHb) gebildet wird. Auf zellulärer Ebene führt die Bindung von CO an Cytochrome zu einer Störung der Atmungskette in den Mitochondrien.

„Die Symptome der akuten CO-Vergiftung hängen weniger mit der Konzentration von CO-Hämoglobin zusammen, sondern eher mit der Dauer der Exposition“, stellt von Rappard klar. Neben unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Übelkeit sowie Kopfschmerzen können auch Bewusstlosigkeit, Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen, myokardiale Ischämien und Tod auftreten.

Als therapeutische Optionen stehen die hochkonzentrierte Sauerstoffapplikation mittels Maske und die hyperbare Sauerstofftherapie durch die Druckkammer zur Verfügung. Rappard und seine Kollegen gehen davon aus, dass solche CO-Intoxikationen unterschätzt werden. „Daher sollte das Personal der Notaufnahme bei unspezifischen neurologischen Symptomen gezielt den Wasserpfeifen-Konsum erfragen“, so von Rappard seiner Publikation.

 

REFERENZEN:

1. Kuntz B, et al: Bundesgesundheitsblatt (online) 10. Februar 2015

 

Kommentar

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