Wer bin ich und wenn ja wie viele? Molekulare Subtypen beim Darmkrebs sind wichtig – nicht nur für die Prognose

Dr. Sylvia Bochum

Interessenkonflikte

15. April 2015

Die Prognose und Behandlung von Patienten mit einem lokalisierten kolorektalen Karzinom wird bislang vor allem durch das TNM-Stadium bestimmt. Allerdings weist der klinische Verlauf innerhalb der einzelnen Stadien eine oft nicht unerhebliche Variabilität auf. Eine wesentlich differenziertere prognostische Einschätzung erlaubt der Mutationsstatus der Onkogene KRAS und BRAF sowie der Schlüsselgene des DNA Mismatch-Reparatur-Systems. Dies zeigten Dr. Frank Sinicrope von der Mayo Clinic in Rochester, USA, und seine Kollegen bei Patienten mit einem kolorektalen Karzinom im Stadium III. Die Ergebnisse publizierten sie in Gastroenterology [1].

Prof. Dr. Uwe Martens

„Die Bestimmung des molekularen Subtyps wird beim kolorektalen Karzinom in Zukunft eine immer zentralere Rolle spielen“, ist auch Prof. Dr. Uwe Martens überzeugt, Vorstand des Tumorzentrums Heilbronn-Franken an den SLK-Kliniken in Heilbronn. Denn entgegen früherer Annahmen handelt es sich beim kolorektalen Karzinom um eine äußerst heterogene Erkrankung. „Das spiegelt sich auch in einer zunehmenden Individualisierung der Therapie wider“, so der Onkologe. Ein Hindernis auf dem Weg zu einer zielgerichten Behandlung ist jedoch nicht nur die intertumorale, sondern auch die häufig beobachtete intratumorale molekulare Heterogenität.

Option für bessere Patientenselektion

Bei kolorektalen Karzinomen im Stadium III liegt die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei ca. 60%. Aktuell wird allen Patienten eine adjuvante Chemotherapie empfohlen, auch wenn letztlich nur ein kleiner Prozentsatz von dieser Behandlung profitiert. Die detaillierte molekulare Charakterisierung des Tumors könnte hier in Zukunft eine bessere Patientenselektion ermöglichen.

Sinicrope und seine Kollegen untersuchten deshalb die Tumore von insgesamt 2.720 Patienten mit einem kolorektalen Karzinom Stadium III (jedes T, N1 oder N2, M0). Die Patienten waren zuvor im Rahmen einer randomisierten Phase-3-Studie zum Vergleich von 2 adjuvanten Therapiearmen (mFOLFOX6 oder mFOLFOX6 + Cetuximab) rekrutiert worden. Je nach Mutationsstatus in den Onkogenen KRAS und BRAF sowie im DNA Mismatch-Reparatur (MMR)-System wurden die Tumoren in 5 Subtypen unterteilt. Die Ergebnisse wurden anschließend in einer unabhängigen Gruppe von 783 Patienten validiert.

Unterschiedliche Entstehungspfade

Rund 10% der untersuchten Tumore wiesen eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) auf, die auf ein defizientes MMR-System zurückzuführen ist. Aus früheren Studien ist bekannt, dass bei MSI-Tumoren in einem Drittel der Fälle eine Keimbahnmutation in einem der MMR-Gene (MLH1, MSH2, MSH6, PMS2) zugrunde liegt (sog. Lynch-Syndrom).

Bei den restlichen Fällen handelt es sich um sporadische Ereignisse, bei denen neben somatischen Mutationen v.a. die epigenetische Hypermethylierung des MLH1-Gens eine ursächliche Rolle spielt. Diese Verteilung spiegelt sich auch in der Studienpopulation wider. Der Subtyp der „familiären“ MSI-Tumore (2,6% aller untersuchten Tumore) wurde in der Studie unter anderem über das Vorliegen eines BRAF-Wildtyps definiert, der Subtyp der sporadischen MSI-Tumore (6,8% aller Tumore) über eine V600E-Mutation im BRAF-Gen und/oder ein hypermethyliertes MLH1-Gen.

 
Die Bestimmung des molekularen Subtyps wird beim kolorektalen Karzinom in Zukunft eine immer zentralere Rolle spielen. Prof. Dr. Uwe Martens
 

Die überwiegende Mehrheit (90%) der kolorektalen Karzinome entwickelte sich aber auf dem Boden der klassischen Adenom-Karzinom-Sequenz, die mit einer chromosomalen Instabilität der Tumorzellen einhergeht, nicht aber mit einer Mikrosatelliteninstabilität. Diese Tumoren verfügen in der Regel über ein kompetentes MMR-System und gelten als Mikrosatelliten-stabil (MSS).

Rund 49% aller untersuchten Tumore in der Studienpopulation waren MSS und wiesen gleichzeitig einen Wildtyp im KRAS- und BRAF-Gen auf. Diese Subgruppe stellte den häufigsten molekularen Subtyp bei Patienten mit einem kolorektalen Karzinom im Stadium III, gefolgt von der Subgruppe der MSS-Tumoren mit einer Mutation im KRAS-Gen (35%). MSS-Tumoren mit einer BRAF-V600E-Mutation fanden sich in 7% der Fälle. Somatische Mutationen in beiden Onkogenen schließen sich dagegen gegenseitig aus. 

Die Autoren zeigten, dass sich die Tumore in ihrem klinischen und pathologischen Erscheinungsbild in Abhängigkeit vom jeweiligen molekularen Subtyp zum Teil erheblich voneinander unterscheiden. So fanden sich sporadische MSI-Tumore häufiger bei Frauen (69%), zudem wiesen Patienten mit diesem Subtyp das höchste Erkrankungsalter von allen auf (Median 66 Jahre).

Patienten mit einem familiären MSI-Tumor dagegen hatten aufgrund der genetischen Prädisposition erwartungsgemäß das niedrigste Erkrankungsalter (Median 46 Jahre). Patienten mit einem MSS-Tumor ohne Mutation im KRAS- und BRAF-Gen waren häufiger männlich (58%), und das Erkrankungsalter betrug im Median 57 Jahre. Das Erkrankungsalter war höher beim Vorliegen einer Mutation in den Onkogenen – 59 Jahre bei einer KRAS- bzw. 63 Jahre bei einer BRAF-V600E-Mutation.

Kommentar

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