
Dr. Maren Knödler
Von einer Gleichberechtigung von Männern und Frauen scheint die Medizin auch im Jahr 2015 noch weit entfernt zu sein. Obwohl zunehmend mehr Frauen Medizin studieren, wird die Zahl der Lehrstuhlinhaberinnen trotzdem nicht mehr. Dr. Maren Knödler hat deshalb mit anderen engagierten Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) den Arbeitskreis Frauen in der der DGHO gegründet. Im Interview mit Medscape Deutschland verrät die Oberärztin und Leiterin der Portalambulanz am Universitären Krebszentrum Leipzig (UCCL), wofür sich der Arbeitskreis engagiert und in welchem Bereich es noch besonders viel Änderungsbedarf gibt.
Medscape Deutschland: Derzeit studieren mehr Frauen als Männer Medizin, ebenso gibt es eine Vielzahl an Oberärztinnen. Trotzdem bleibt die Zahl an Chefärztinnen und Lehrstuhlinhaberinnen gering. Gibt es auf den letzten Schritten nach oben etwa spezielle Barrieren für Frauen? Ist womöglich die Familienplanung daran Schuld?
Dr. Knödler: Es ist durchaus erstaunlich, dass 70% der Medizinstudenten weiblich sind, wir aber bislang noch keine einzige Ordinaria im Fachbereich Hämatologie/Onkologie haben. Ich denke, dass das unter anderem daran liegt, dass die Karriereverläufe der Frauen nicht ganz so strukturiert verlaufen wie die der männlichen Kollegen. Für Frauen stellt sich meist die Frage von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber auch das Networking spielt eine Rolle, bei dem Frauen zwar zunehmend besser werden, aber noch immer nicht gut genug sind. Außerdem arbeiten wir noch immer in einer sehr Männer-dominierten Welt. Es gibt zu wenige Rollenmodelle und Vorbilder für junge Ärztinnen und zu wenige Frauen, die andere Frauen fördern.
Medscape Deutschland: Sie haben eben die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen. Sollten Medizinerinnen am besten früh Kinder kriegen, damit Ihnen später mehr Zeit für die Karriere bleibt?
Dr. Knödler: Ich glaube nicht, dass es den einen richtigen oder falschen Zeitpunkt dafür gibt. Prinzipiell sollte hierfür jeder Zeitpunkt „richtig“ sein, ob im Medizinstudium oder zur Assistenz- oder Facharztzeit – Voraussetzung hierfür ist die adäquate Versorgung der Kinder. Wir brauchen zum Beispiel garantierte Kita-Plätze sowie gute und flexible Unterbringungsmöglichkeiten. Wir arbeiten derzeit an Teilzeitmodellen für Frauen, an Top-Sharing-Positionsmodellen für Frauen sowie flexiblen Modellen für die Unterbringung.
Medscape Deutschland: Würde die Frauenquote Sie bei diesen Vorhaben unterstützen?
Dr. Knödler: Die Frauenquote ist heutzutage ein viel diskutiertes Thema. Auch ich habe mich lange mit ihr beschäftigt, bevor ich mir eine Meinung dazu gebildet habe. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass wir die Quote brauchen, und zwar um einen gewissen prozentualen Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Medizin zu schaffen.
Medscape Deutschland: Was würde sich dadurch ändern?
Dr. Knödler: Frauen sind andere Chefs und haben andere persönliche Qualitäten. Außerdem können Frauen auch andere Frauen fördern, und so den Anteil kontinuierlich erhöhen.
Medscape Deutschland: Sind Frauen denn in manchen Positionen bzw. Fachrichtungen besonders gut als Führungskraft geeignet?
Dr. Knödler: Ich denke schon, dass es ein paar fachspezifische Unterschiede gibt. Die Gynäkologie ist beispielsweise ein sehr weibliches Fach, weil es letztlich auch um frauenspezifische Themen geht. Dagegen ist die Chirurgie noch immer ein Männer-dominiertes Fach, obwohl wir nun zum Glück auch einige Ordinaria in dem Fach Chirurgie haben. Trotzdem bleibt es ein zeitaufwendiges Fachgebiet, das wenig Flexibilität bei den Arbeitszeiten ermöglicht und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nochmals erschwert. Die erforderliche Präsenz ist nochmals um ein Vielfaches höher als beispielsweise in der Radiologie oder Pathologie, die teilweise sogar die Arbeit von Zuhause aus erlauben.
Medscape Deutschland: An dieser mangelnden Flexibilität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig geändert, obwohl sich zumindest zu Beginn ihrer Karriere viele Frauen für eine der weniger flexiblen Fachdisziplinen entscheiden. Wo bleiben die Proteste?
Dr. Knödler: Ich glaube, dass dies teilweise durch den Beruf selbst erklärt werden kann. Mediziner gehen häufig so sehr in ihrer Rolle als Arzt und in der Patientenversorgung auf, dass sie sich weniger mit den politischen Strukturen beschäftigen.
Medscape Deutschland: Und das ändert sich jetzt?
Dr. Knödler: Wir bewegen uns leider noch immer in einem sehr konservativen Umfeld, und ich wünsche mir auch seitens der männlichen Kollegen mehr Engagement – beispielsweise, indem sie ebenso Elternzeit nehmen oder in ein Teilzeitmodell gehen.
Medscape Deutschland: Wie funktioniert die Teilzeit in der Weiterbildung?
Dr. Knödler: Heutzutage wird eine Anwesenheit von mindestens 50 Prozent gefordert, um eine Anerkennung für die Weiterbildung zu erhalten. Wir sind aber dabei eine Forderung an die Ärztekammer zu schicken, die sich für eine Anerkennung ab 25 Prozent ausspricht. Natürlich verlängert sich dadurch die Weiterbildungszeit. Aber vielleicht kann diese Phase ja zukünftig als Chance gesehen werden, um zusätzliche Qualifikationen zu erwerben.
Medscape Deutschland: Vielen Dank für das Gespräch.
REFERENZEN:
1. DGHO: Pressemitteilung zum Weltfrauentag, 5. März 2015
Diesen Artikel so zitieren: Gleichberechtigung für Ärztinnen: „Für junge Frauen gibt es zu wenige Vorbilder“ - Medscape - 15. Apr 2015.
Kommentar