Mannheim – Welchen Nutzen haben junge Patienten von Koronarinterventionen? Und welche Risiken disponieren zu einem Herzinfarkt vor einem Lebensalter von 45 Jahren? Diesen Fragen ging Prof. Dr. Ruth Strasser, die Direktorin des Herzzentrums inDresden, beim Kardiologenkongress in Mannheim nach [1]. Angesichts der insgesamt schlechten Datenlage in Deutschland fasste Strasser die Erkenntnisse aus verschiedenen internationalen Studien zusammen.

Prof. Dr. Ruth Strasser
So ergab die Bifurcation Study aus 22 italienischen Zentren, dass sich die Therapieresultate bei älteren und jüngeren Patienten nicht signifikant unterscheiden. 195 Patienten unter 45 Jahren wurden dazu mit den Resultaten von 4.119 Patienten älter als 45 Jahre verglichen. Es zeigte sich weder bei den klinischen Ereignissen nach 30 Tagen (MACE-Major Adverse Cardiac Events) noch bei den Todesfällen zwischen beiden Gruppen ein signifikanter Unterschied (2,1 vs 1 MACE p = 0,439) (0,5 vs 1,2 Todesfälle p = 0,388).
Jüngere brauchen nach Infarkt seltener Schrittmacher
Im Gespräch mit Medscape Deutschland erläuterte Dr. Karin Rybak, niedergelassene Kardiologin aus Dessau, dass es gerade bei jungen Patienten in der Schrittmacher-Therapie Unterschiede zu Älteren nach einem Herzinfarkt gibt. So bestehe bei jungen Herzinfarktpatienten nicht immer gleich eine Indikation zur Implantation eines Schrittmachers. Nach ihrer Erfahrung könne bei den meisten Patienten nach Herzinfarkt zunächst 3 Monate optimal Leitlinien-gerecht medikamentös behandelt werden.
Dies geschieht in aller Regel nach den Herzinsuffizienz-Leitlinien aufgrund einer entsprechenden Akut-Symptomatik nach Infarkt. Nach 3 Monaten kann dann reevaluiert und entschieden werden, ob ein Schrittmacher-System benötigt wird. Hier scheint es so zu sein, dass jüngere Patienten – bei gleichen Evaluationszeiträumen von 3 Monaten – seltener ein Schrittmachersystem benötigen als ältere Patienten.
Eine weitere Metaanalyse hatte bei einem Vergleich von jungen und alten Patienten zeigen können: Unter den älteren Patienten sind häufiger Frauen, die älteren haben im Vergleich zu den Jüngeren eher einen Diabetes und eine Hypertonie und leiden eher an einer Herzinsuffizienz. Unter den jungen Patienten sind im Vergleich zu den Älteren mehr Raucher.
In der CRAGS-Studie wurde ein 10-Jahres-Vergleich zwischen 2002 und 2012 für Patienten nach perkutaner Koronarintervention (PCI) angestellt. Die Resultate: Die unter 50-Jährigen hatten ein 5-Jahres-Überleben von 97,85%, 74% hatten keine MACE und 77% benötigten keine Revaskularisierung. Hauptprädiktoren einer Progression der Atherosklerose waren in dieser Reihenfolge: Mehr-Gefäßerkrankung, Diabetes mellitus, Hypertonie und Rauchen. Frauen schnitten bei den Therapieergebnissen in aller Regel schlechter ab.
Woher das schlechte Outcome bei den koronarkranken Frauen?
Warum Frauen die schlechteren Resultate bei einer Behandlung wegen koronarer Herzkrankheit haben, erklärte Strasser gegenüber Medscape Deutschland so: „Die Frauen wissen in aller Regel um eine koronare Herzkrankheit, sind aber auch – vielleicht mehr als Männer – in der Gefahr, Symptome nicht ernst zu nehmen. Frauen neigen auch dazu, Übelkeit und Erbrechen anderen Organen zuzuordnen, ohne dabei an ein akutes Koronarereignis zu denken“, so die Herzspezialistin.
Sie erläuterte, dass bei Frauen die Symptomatik nicht so klar sei: „Auch Schwindel kann durchaus ein Symptom sein, dass bei Frauen in Verbindung mit einem Koronarereignis steht. Frauen werden gelegentlich auch mit einer solchem Symptomatik in der eigenen Familie nicht ernst genommen.“
Im Dresdener Herzinfarktregister habe sich gezeigt, dass bei Frauen mit einem akuten Myokardinfarkt die Prähospitalzeit im Vergleich zu Männern vom ersten Auftreten der Symptomatik bis zum Kontakt mit der Rettungskette 25 Minuten verlängert ist. Auch sind nach Einschätzung von Strasser Männer sportlich aktiver, so dass hier auch die Wahrnehmung dafür, dass am Herzen etwas sein könnte, früher als bei Frauen stattfindet.
Dramatischer Wandel: Mehr junge Frauen mit schweren Herzinfarkten
Dabei wäre es wichtig, bei Frauen an einen Herzinfarkt zu denken. Denn eine aktuelle Auswertung des Berliner Herzinfarktregisters belegt einen deutlichen Wandel zuungunsten der Frauen: Von einem schweren Herzinfarkt (STEMI) sind deutlich mehr jüngere Frauen betroffen als noch vor 15 Jahren, so die Zusammenfassung der Daten, die jetzt in Mannheim präsentiert worden sind. Waren um die Jahrtausendwende nur 10% der Frauen mit einem STEMI (ST-Elevation Myocardial Infarction) jünger als 55 Jahre, sind es heute bereits 17%.
„Die prozentuale Verteilung der Altersgruppen hat sich seit 1999 über die Zeit vor allem bei Frauen hin zu jüngeren Altersgruppen verschoben“, betonte Dr. Jens-Uwe Röhnisch, Leitender Oberarzt am Vivantes Klinikum Hellersdorf in Berlin, in einer Mitteilung der DGK.
Auch Schwindel kann durchaus ein Symptom sein, dass bei Frauen in Verbindung mit einem Koronarereignis steht.
Im Berliner Register hat das Rauchen vor allem in den jüngeren Altersgruppen zugenommen und liegt bei den unter 55 Jahre alten Patienteninnen mit STEMI bei 80%. Rauchten 1999 noch 47% der STEMI-Patientinnen der Altersgruppe 55 bis 64, sind es heute bereits 62%. „Auch Adipositas hat bei jüngeren Frauen zugenommen“, so Röhnisch.
Die gute Nachricht: Die Behandlung des ST-Hebungsinfarktes (STEMI) ist im Verlauf der letzten 15 Jahre zunehmend erfolgreicher geworden. Im Berliner Register werden seit 1999 prospektiv Daten zur stationären Therapie von Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) erhoben. In die Untersuchung wurden 15.436 STEMI-Patienten aus bis zu 25 Kliniken aufgenommen.
REFERENZEN:
Überraschend effektiv: Präventive Koronarintervention beim Herzinfarkt
Herzinfarkt am Wochenende? In Deutschland weit weniger ein Nachteil als in den USA
Herzinfarkte bei jungen Frauen – zu spät erkannt und zu spät behandelt
FAST-MI-Register: Jüngere Frauen rücken verstärkt in den Fokus der Myokardinfarkt-Prävention
Diesen Artikel so zitieren: Jüngeren mit Myokardinfarkt nützt die Therapie wie den Älteren – aber Männern mehr als Frauen - Medscape - 10. Apr 2015.
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