Nur noch Zwei-Cent-Stück groß und verlässlich bei der Flimmer-Fahndung: Implantierbares kardiales Monitoring

Simone Reisdorf

Interessenkonflikte

9. April 2015

Mannheim – Ein Telemonitoring vom Herzrhythmus mit einem implantierbarem kardialen Ereignisrecorder (ICM oder Loop-Recorder) nützt einer ganzen Reihe von Patienten. Das wurde bei der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim deutlich [1].

 
Ein ICM dient einerseits zur zeitnahen Ermittlung von Hochrisikopatienten, die eine Primärprävention benötigen, um Schlaganfälle zu vermeiden. Dr. Axel Müller
 

„Ein ICM dient einerseits zur zeitnahen Ermittlung von Hochrisikopatienten, die eine Primärprävention benötigen, um Schlaganfälle zu vermeiden“, erklärte Dr. Axel Müller, Kardiologe am Klinikum Chemnitz und Stellvertretender Sprecher der AG Telemonitoring der DGK, im Gespräch mit Medscape Deutschland. Denn ein beachtlicher Anteil der Patienten mit Vorhofflimmern verspürt keinerlei Symptome und wenn doch, dann sind diese oft unspezifisch, wie zum Beispiel in der PAFAC-Studie beobachtet werden konnte.

So können Menschen mit unklarer Schwäche und Schwindel, die zusätzlich einen der klassischen Risikofaktoren laut CHADS2 bzw. CHA2DS-VAS2c-Score aufweisen (Hypertonie, Diabetes, Herzinsuffizienz, Alter ≥ 75 Jahre), einen ICM erhalten. „Dieser übermittelt dann alle Episoden automatisch und zeitnah an den behandelnden Kardiologen, er ist der Ansprechpartner für die weitere Auswertung und gegebenenfalls für eine Therapieumstellung“, so Müller.

Kryptogen oder doch fast immer thromboembolisch?

 
Die meisten kryptogenen Schlaganfälle gehen auf thrombembolische Ereignisse zurück. Prof. Dr. Roland Veltkamp
 

Aber auch für die Sekundärprävention kann das Telemonitoring Klarheit schaffen, etwa nach kryptogenem Schlaganfall. „Die meisten kryptogenen Schlaganfälle gehen auf thromboembolische Ereignisse zurück“, konstatierte Prof. Dr. Roland Veltkamp vom Imperial College in London. Deshalb werden nicht-lakunäre ischämische Schlaganfälle ohne klar definierte Ursache heute im Rahmen eines neuen klinischen Konzepts auch als „embolic stroke of unknown source“ bezeichnet, kurz: ESUS.

Bei ESUS-Patienten liegen entweder mehrere moderate thromboembolische Risikofaktoren vor, die jeweils für sich genommen keinen Schlaganfall begründen und erst im Zusammenspiel gefährlich werden. Oder aber die Risikofaktoren sind schwer zu detektieren und werden erst nach dem Ereignis gefunden. Letzteres ist beim paroxysmalen Vorhofflimmern häufig der Fall, mit sensiblen Methoden und Instrumenten kann es bei 10 bis 20% der ESUS-Patienten nachgewiesen werden.

Hohe Detektionsraten mit ICM

Die neueste Generation der kontinuierlich arbeitenden Loop-Recorder sind solche sensiblen Instrumente. Die Implantation eines modernen ICM ist nicht allzu aufwändig: „Er ist nur so groß wie ein Zwei-Cent-Stück, es handelt sich um eine minimal-invasive Maßnahme, die den Patienten kaum belastet“, betonte Prof. Dr. Jörg Otto Schwab, Privatpraxis für Kardiologie, Beta Klinik Bonn, Sprecher der AG Telemonitoring, auf Nachfrage von Medscape Deutschland.

 
Er (ICM-Recorder) ist nur so groß wie ein Zwei-Cent-Stück, es handelt sich um eine minimal-invasive Maßnahme, die den Patienten kaum belastet. Prof. Dr. Jörg Otto Schwab
 

In der aktuellen Leitlinie der American Heart Association (AHA) zur Sekundärprävention nach Schlaganfall wird bei kryptogenem ischämischen Schlaganfall erstmals eine verlängerte Rhythmusüberwachung für etwa 30 Tage innerhalb von 6 Monaten nach dem Schlaganfall empfohlen.

Insbesondere Patienten, deren Läsionen ein so genanntes „embolisches“ Verteilungsmuster aufweisen, sowie Patienten, die zum Zeitpunkt des Schlaganfalle hohe Werte im CHADS2 bzw. CHA2DS-VAS2c-Score, atriale Extrasystolen oder Salven, eine Mitralklappeninsuffizienz oder/und eine Vergrößerung des linken Vorhofes zeigen, kommen als Kandidaten für ein dauerhaftes Telemonitoring/ICM in Frage.

Prof. Dr. Johannes Brachmann

Mit dem ICM werden deutlich mehr Fälle von paroxysmalem Vorhofflimmern entdeckt, als es mit dem 24-Stunden-EKG (Holter-EKG) möglich wäre. Das ist spätestens seit der CRYSTAL-AF-Studie bekannt. Prof. Dr. Johannes Brachmann, Coburg, war daran beteiligt und präsentierte die Daten in Mannheim: „Nach sechs Monaten hatte man bei 8,9 Prozent der Telemonitoring- vs. 1,4 Prozent der Kontrollpatienten Vorhofflimmern detektiert, nach zwölf Monaten waren es 12,4 vs 2,0 Prozent und nach drei Jahren 30,0 vs 3,0 Prozent.“

Das passt ins Bild der aktuellen Studienlandschaft: Auch in anderen Untersuchungen sei bis dato nicht bekanntes Vorhofflimmern bei 25% oder mehr Patienten mit kryptogenem Schlaganfall gefunden, so Brachmann.

Immer gleich antikoagulieren?

Ob dieser Befund zu einer oralen Antikoagulation führe, hängt laut Schwab im Grunde nur davon ab, ob der Patient noch mindestens einen weiteren Risikofaktor laut CHADS2 hat. „Ist das der Fall und liegen keine Kontraindikationen vor, so ist die Behandlung entsprechend der aktuell gültigen Leitlinien der Fachgesellschaften indiziert“, betonte der Experte gegenüber Medscape Deutschland. Wegen des geringeren Blutungsrisikos werden heute immer häufiger die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten bevorzugt; sie sind Teil der aktuellen Empfehlungen.

Leitliniengerecht sollte die orale gerinnungshemmende Therapie lebenslang fortgesetzt werden nach dem Motto „Einmal Vorhofflimmern – immer Vorhofflimmern“. Neuere Studiendaten geben jedoch Hinweise darauf, dass das Schlaganfallrisiko unter paroxysmalem Vorhofflimmern – entgegen früheren Erwartungen – geringer ist als bei persistierendem oder permanentem Vorhofflimmern.

„Diesen Aspekt muss man differenzierter sehen als bisher“, forderte Schwab. So zeigte eine aktuelle Analyse der ACTIVE-A- und der AVERROES-Daten ischämische Schlaganfälle pro Jahr bei 2,1% vs 3,0% vs 4,2% der Patienten mit paroxysmalem vs persistierendem vs permanentem Vorhofflimmern. Die Unterschiede waren signifikant.

Zudem spielt offenbar innerhalb der Diagnose „paroxysmales Vorhofflimmern“ die Dauer der täglichen Belastung eine Rolle. In einer Auswertung der Daten von mehr als 10.000 Patienten der SOS-AF-Studie war eine längere tägliche Gesamtbelastung immer mit einer höheren Schlaganfallhäufigkeit verbunden als eine kürzere Belastung. So hatten Patienten mit mehr als 6 Minuten Gesamtbelastung pro Tag eine 1,8-fach höhere Schlaganfallrate als Patienten mit weniger als 6 Minuten pro Tag. Und beim Cut-off mehr als 1 Stunde vs Weniger als 1 Stunde war das Risiko sogar 2,1-fach erhöht.

Eine längere, klinisch relevante Belastungszeit ist indes keine Seltenheit bei paroxysmalem Vorhofflimmern: In der CRYSTAL-AF-Studie litten 92% der „Flimmerer“ täglich mehr als 5 Minuten unter der Rhythmusstörung.

Gerinnungshemmer wieder absetzen?

„Das Telemonitoring kann möglicherweise aber auch Argumente dafür liefern, die Antikoagulation wieder zu beenden, wenn sich etwa nach einer Ablation oder auch spontan im Krankheitsverlauf kein Vorhofflimmern mehr nachweisen lässt“, betonte Brachmann.

„Gerade hier sollte man unbedingt eine Phase intensiven Monitorings mit dem Loop-Recorder vorschalten, falls der Patient bis dahin noch keinen Recorder hatte“, so Schwab auf Nachfrage von Medscape Deutschland: „Hier ist dann eine wesentlich individuellere Behandlung möglich. Unter Zuhilfenahme eines solchen Monitorings kann im Falle von Wiederauftreten von Vorhofflimmern zeitnah die Antikoagulation wieder gestartet werden, ohne den Patienten bezüglich eines möglichen Schlaganfalles zu gefährden. “

 

REFERENZEN:

1. 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 8. bis 11. April, Mannheim

 

Kommentar

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