Entfernung der Eierstöcke wegen Gen-Risiko: Tat Angelina Jolie das Richtige?

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

27. März 2015

Erst ließ sie sich die Brüste abnehmen, nun die Eierstöcke entfernen: Aufgrund ihres erhöhten Krebsrisikos als Trägerin des BRCA1-Gens hat sich die Schauspielerin und Filmemacherin Angelina Jolie für diese radikal anmutende Form der Vorsorge entschieden. Kelly Osbourne teilte daraufhin in den Medien mit: „Auch ich habe dieses Krebsgen.“ Die US-Musikerin plant nun, sich später ebenfalls operieren zu lassen, weil sie „Kinder haben und diese aufwachsen sehen“ wolle [1].

„Bei Anlageträgerinnen von BRCA1 und -2 empfehlen wir dringend die prophylaktische Entfernung der Eierstöcke.“ Dr. Karin Kast

Für eine sinnvolle und richtige Entscheidung hält dies Dr. Karin Kast. „Bei Anlageträgerinnen von BRCA1 und -2 empfehlen wir dringend die prophylaktische Entfernung der Eierstöcke“, erklärt die Oberärztin an der Frauenklinik der Universität Dresden. „Unsere Erfahrung zeigt aber, dass sich gesunde Anlageträgerinnen mit der Überlegung, eine Ovarektomie vornehmen zu lassen, sehr, sehr schwer tun.“

Die Entscheidung von Angelina Jolie hat für Kast deshalb Vorbildfunktion: „Das ist ein gutes Signal und eine gute Hilfe für betroffene Frauen. Sie sehen daran, wie man rational und verantwortungsbewusst diese Entscheidung treffen kann und auch keine Angst davor haben muss, durch diese Operation seine Weiblichkeit zu verlieren.“

Dass Jolie mit ihrer Entscheidung eine wichtige Vorbildfunktion einnehme, hebt auch Dr. Dorothee Speiser, Funktionsoberärztin an der Klinik für Gynäkologie mit Brustzentrum der Charité hervor. Jolies Mutter war mit 49 Jahren an Brustkrebs erkrankt und starb 8 Jahre später daran. Mit 39 Jahren habe Jolie mit beiden Operationen deshalb die für sich richtige Entscheidung getroffen, meint Speiser.

Allerdings hätte die Empfehlung des Deutschen Konsortiums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs ein wenig anders ausgesehen: „Wir hätten zuerst zu einer Entfernung der Eierstöcke und später dann zu einer prophylaktische Mastektomie geraten“, erklärt Speiser. Hintergrund ist, dass für Brustkrebs eine gute Früherkennung existiert, für Eierstockkrebs aber nicht, so dass das Ovarialkarzinom in der Regel erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt wird.

Eierstockkrebs für Genträgerinnen gefährlicher als Brustkrebs

Je früher etwa die Mutter, eine Schwester oder eine Tante an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt ist, desto wahrscheinlicher ist, dass die Krebsfälle nicht zufällig gehäuft in der Familie auftreten, sondern genetische Ursachen vorliegen. Am häufigsten sind Veränderungen an den Genen BRCA1 und -2, die an der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen und der Regulation der Zellteilung beteiligt sind.

„Das (die Entscheidung von Jolie) ist ein gutes Signal und eine gute Hilfe für betroffene Frauen.“ Dr. Karin Kast

Ist eines dieser Gene verändert, steigt die Gefahr des unkontrollierten Zellwachstums. Das Lebenszeitrisiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, liegt normalerweise etwa bei 1,5%. Liegen aber Genveränderungen an den BRCA-Genen vor, erhöhe sich das Risiko deutlich, so Kast. Sie verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2013: Durch das Vorliegen von BRCA1 ist das Risiko um 60%, mit BRCA2 um 17% erhöht.

Das Ovarialkarzinom gehört zu den aggressivsten Tumoren und ist die zweithäufigste Krebserkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane. Kast betont, dass die Ovarektomie für Anlageträgerinnen ab 40 deshalb noch dringlicher ist als die Mastektomie: „Die Brust ist gut zugänglich und es gibt eine gute Früherkennung.“ Für das Ovarialkarzinom gibt es weder eine geeignete Früherkennung, noch zeigen sich frühzeitig eindeutige Symptome. Nur in 29% der Fälle wird der Tumor entdeckt, wenn er noch auf das Eierstockgewebe begrenzt ist, in 59% der Fälle aber erst, wenn sich schon Metastasen in der Bauchhöhle gebildet haben.

„Wir hätten zuerst zu einer Entfernung der Eierstöcke und später dann zu einer prophylaktische Mastektomie geraten.“ Dr. Dorothee Speiser

Anlageträgerinnen wird in der Regel zur prophylaktischen Entfernung der Ovarien ab 40 geraten,  „allerdings immer in Abhängigkeit davon, wie früh Brust und Eierstockkrebs bei Familienmitgliedern aufgetreten sind“, betont Speiser.

Eine Studie hatte dazu 2014 ein sehr großes Kollektiv untersucht und festgestellt, dass bei frühem Auftreten von Brust- oder Eierstockkrebs in der Familie das optimale Operationsalter bereits zwischen 36 und 38 Jahren liegen kann. Eine prophylaktische Operation senke das lebenslange Risiko für Eierstockkrebs um mehr als 85%, so Kast.

Hormonersatztherapie bis zum 50. Lebensjahr

„Das Problem der Ovariektomie sind die Nebenwirkungen, also der sofortige Eintritt der Wechseljahre“, erklärt Speiser.Bei gesunden Patientinnen lässt sich das durch eine Hormonersatztherapie (HRT) mit Östrogen und Progesteron gut kompensieren.

„Voraussetzung ist aber, dass die Frau nicht an Brustkrebs erkrankt ist“, betont sie.Da bei Angelina Jolie kein natürliches Brustdrüsengewebe mehr vorliege, sei eine Hormonersatztherapie in ihrem Fall ohnehin unproblematisch. Grundsätzlich gilt, dass auch das Brustkrebsrisiko durch eine Ovarektomie halbiert wird. Und: In einer Studie von Domcheck und ihrem Team erhöhte eine postoperative HRT das Brustkrebsrisiko nicht.

Die Therapie sei sicher, betont Kast. „Die Daten zeigen, dass die Vorteile einer Hormonersatztherapie für Frauen nach einer frühzeitigen Entfernung der Eierstöcke größer sind als das Risiko, dadurch an Brustkrebs zu erkranken“, so Kast.

„Die Vorteile einer Hormonersatztherapie für Frauen nach einer frühzeitigen Entfernung der Eierstöcke sind größer als das Risiko, dadurch an Brustkrebs zu erkranken.“ Dr. Karin Kast

Mit Bedacht müsse die Ersatztherapie dennoch gewählt werden, betont Speiser. Wenn auch die Gebärmutter entfernt wurde, sei eine HRT unproblematisch, denn die Substitution könne allein mit Östrogen erfolgen. Würde man die Substitution hingegen mit Östrogen und Progesteron vornehmen, so verändere das die Dichte des Brustdrüsengewebes. Das wiederum erschwert die MRT-Untersuchung im Rahmen der Früherkennung und kann das Risiko so wieder leicht erhöhen.

Die Vorbehalte mancher Patientinnen gegenüber einer Hormonersatztherapie könnte auf die Woman’s Health Study zurückzuführen sein, die hormonsubstituierte Frauen nach der Menopause untersucht und einen Anstieg des kardiovaskulären Risikos erbracht hatte, so Kast. Sie stellt aber klar: „Die Studie ist mit der Situation in der sich Anlageträgerinnen befinden, denen frühzeitig die Ovarien entnommen werden, nicht zu vergleichen.“

Dass Jolie mit ihrem mutigen Schritt ihr Krebsrisiko deutlich gesenkt, aber nicht völlig ausräumen kann, ist der Schauspielerin bewusst. Sie schreibt in der New York Times [2]: „Ich habe meine Mutter, meine Großmutter und meine Tante an den Krebs verloren. Doch auch wenn jetzt die Gefahr gebannt ist, an Brustkrebs oder Eierstockkrebs zu sterben: Es ist nicht möglich, alle Risiken auszuschalten. Tatsache ist, dass ich anfällig für Krebs bleibe.“

REFERENZEN

1. CBS: The Talk: Kelly Osbourne on having cancer gene, 24. März 2015

2. New York Times: Angelina Jolie Pitt: Diary of a Surgery, 24. März 2015

Kommentar

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