Morbus Bechterew: Bekannt und doch lange unerkannt
Eine der häufigsten und schwersten Formen dieser Erkrankungen ist die ankylosierende Spondylitis, bekannter als Morbus Bechterew. Oft wird sie erst dann diagnostiziert, wenn bereits Versteifungen und damit irreversible Schäden eingetreten sind. „Es dauert in der Regel fünf Jahre nach Eintreten der Beschwerden, bis die richtige Diagnose gestellt ist“, monierte Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim auf dem Symposium.
„Auch bei der Psoriasis-Arthritis, die ebenfalls zu den häufigeren Spondylarthropathien zählt, dauert es viel zu lang, da viele der Patienten zunächst vom Dermatologen behandelt werden. Erst wenn Gelenk- oder periphere Schmerzen mit ins Spiel kommen, werden sie zusätzlich zum Rheumatologen geschickt“, sagte Müller-Ladner weiter.
AS und nicht-radiologische SpA bilden ein Kontinuum. Das heißt, „es gibt Rückenschmerzen in einem ersten Stadium, in dem die Erkrankung radiologisch noch nicht erkennbar ist, die wir aber – würden wir es denn tun – mit der MRT bereits als iliosakrale Sakroiliitis nachweisen könnten“, erläuterte Wigand.
Später dann setzt das röntgenologische Stadium ein, bei dem zunächst nativ-radiologische Sakrolilitis und dann Syndesmophyten die Rückenschmerzen verursachen. „Die AS wird oft erst in diesem Stadium diagnostiziert, aber dann sind bereits irreparable Schäden eingetreten“, mahnte der Frankfurter Rheumatologe.
Genetischer Hinweis auf SpA
Es gibt jedoch auch genetische Hinweise auf die SpA durch das Oberflächenmolekül HLA-B27, das bei den verschiedenen SpA-Erkrankungen eine unterschiedlich große Rolle spielt. Bei AS ist es mit 94% Prävalenz praktisch immer vorhanden. Bei der mit CED verbundenen Arthritis findet man HLA-B27 noch in 64% aller Patienten, bei der reaktiven Arthritis dagegen schwankt es relativ stark mit 45% bis 75% – je nach Studie. In der juvenilen Form hat das Molekül eine Prävalenz von 45%. Aber auch unter gesunden Menschen tragen 5-10% dieses Molekül in sich, ohne zu erkranken.
„In Deutschland betreffen HLA-B27-assoziierte Erkrankungen etwa 1,5% der Bevölkerung. Sie können also davon ausgehen, dass sie wenigstens einmal in der Woche einen betroffenen Patienten in Ihrer Praxis haben“, warnte Müller-Ladner.
Die ankylosierende Spondylitis als Prototyp der axial auftretenden SpA tritt in der Regel bei jungen Menschen unter 40 Jahren auf und startet mit entzündlichen Reaktionen an den Kreuzdarmbeingelenken (Sakroiliakalgelenk). Da sie schon in jungem Lebensalter zu starken funktionellen Einschränkungen bis hin zu Behinderung und Erwerbsunfähigkeit führen kann, ist es besonders wichtig, die aSpA-Patienten unter der großen Zahl von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen herauszufinden.
Klinische Symptome sind laut Wigand vor allem entzündliche Rückenschmerzen (ERS), Sehnenansatzentzündungen (Enthesitiden), häufig an der Ferse, CED, Arthritiden oft an den großen Gelenken der unteren Extremitäten und Uveitis anterior mit Trübungen bis in den Glaskörper hinein.
Wigand wies darauf hin, dass sich auch aus der Therapie diagnostische Schlüsse ziehen lassen: „Wir beobachten ein extrem gutes Ansprechen auf nicht-steroidale Antirheumatika, dadurch unterscheiden sich übrigens Patienten mit chronischen mechanischen Rückenschmerzen von SpA-Patienten. Die positive Familienanamnese ist meiner Erfahrung nach in der Praxis weniger bedeutend, weil die Patienten es schlichtweg nicht wissen. Erhöhte Werte für C-reaktives Protein (CRP) und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sind zwar wichtig, schließen aber nicht unbedingt die Psoriasis-Arthritis aus. Und nicht zuletzt ist natürlich auch die Bildgebung ganz wichtig, insbesondere die MRT.“
Klassifikationskriterien erleichtern Diagnose
Orientierung geben die ASAS-Klassifikationskriterien für aSpA der Assessment of Spondylo-Arthritis International Society. Seit 2 Jahre gibt es zudem ASAS-Klassifikationskriterien für periphere Spondylarthropathien, zu denen auch die reaktive und die Psoriasis-Arthritis zählen.
„Das mag zunächst verwirren, aber auch diese Klassifikation hilft bei der Diagnosestellung eines sehr variablen Krankheitsbildes“, erläuterte Müller-Ladner. „So gehen manche Patienten mit einer peripheren SpA zuerst einmal wegen einer Uveitis zum Augenarzt oder wegen einer Psoriasis zum Hautarzt. Deswegen müssen diese Ärzte trainiert werden, auch an entzündliche Wirbelsäulen- oder Darmerkrankungen zu denken.
Als Diagnose-Hilfe steht seit neuestem auch ein Praxisfragebogen der Deutschen Gesellschaft für Schmerz (DGS) e.V. zur „Frühdiagnose von Patienten mit axialer Spondylarthritis / M. Bechterew“ zur Verfügung. Ziel der DGS ist, damit den Diagnosezeitraum von 5 bis 14 Jahren zu verkürzen. Er ist bei der DGS zu beziehen und für Mitglieder kostenlos.
Als Therapie empfahl Wigand zuallererst nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), „die wirken phantastisch. Und dann unterscheiden Sie zwischen der axialen und der peripheren Manifestation. Unter der peripheren Manifestation sollte man Sulfasalazin geben. Bei der axialen Manifestation können auch lokale Kortikosteroide gegeben werden, wobei auch die womöglich irgendwann nicht mehr wirken. Dann helfen TNF-alpha-Blocker, die stoppen die Krankheit, sowohl bei axialer als auch die peripherer Manifestation.“
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Morgens steif, nachts wach? Bechterew & Co. mit einfachen Fragen diagnostizieren - Medscape - 19. Mär 2015.
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