
Prof. Dr. James P. Allison
Frankfurt – „Ich bin ein Konvertit“, so das Bekenntnis von Prof. Dr. Harald zur Hausen anlässlich der Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preise in der Frankfurter Paulskirche. Gemeint war damit nicht seine Einstellung zur Religion, sondern zur Immuntherapie bei Krebs – der er anfangs skeptisch gegenüberstand, inzwischen aber überzeugt ist, dass „die Immuntherapie ein Weg in die Zukunft ist“, wie der Vorsitzende des Stiftungsrats der Paul Ehrlich-Stiftung sagte.
Entscheidend dazu beigetragen haben die beiden US-amerikanischen Wissenschaftler, die dieses Jahr mit dem mit 100.000 Euro dotierten Preis ausgezeichnet worden sind: Prof. Dr. James P. Allison vom MD Anderson Cancer Center der University of Texas in Houston und Prof. Dr. Carl H. June von der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania in Philadelphia.

Prof. Dr. Carl H. June
Beide Wissenschaftler haben Strategien gegen die Immuntoleranz bei Krebs entwickelt. Die von ihnen entwickelten Immuntherapien stehen für einen Paradigmenwechsel in der Onkologie: „Behandelt wird nicht mehr der Tumor selbst, sondern das Immunsystem“, sagte zur Hausen, der 1994 selbst den Paul Ehrlich-Preis und 2008 den Nobelpreis für Medizin erhalten hatte.

Prof. Dr. Raja Atreya
Den mit 60.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis erhielt in diesem Jahr Prof. Dr. Raja Atreya, Oberarzt am Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg. Er wurde für ein neuartiges Diagnostikum ausgezeichnet, mit dem sich der Erfolg einer Therapie mit TNF-Antagonisten bei Patienten mit Morbus Crohn vorhersagen lässt. Denn nur rund die Hälfte der Patienten spricht auf diese Therapie an. Der Internist entwickelte dafür ein neuartiges Spray aus fluoreszierenden Anti-TNF-Antikörpern, das er lokal auf endoskopisch sichtbar entzündete Regionen der Darmschleimhaut appliziert. Die markierten Antikörper binden an die membrangebundenen TNF-Moleküle, so dass die fluoreszierenden Endothelzellen gezählt werden können. Dazu nutzt Atreya die konfokale Laserendomikroskopie. Werden viele dieser leuchtenden Zellen gezählt, deutet das darauf hin, dass die Patienten später besser auf die Therapie ansprechen werden. So kann künftig möglicherweise einigen Patienten eine unnötige und teure Therapie erspart werden.
„Damit hat Herr Atreya mit seiner Arbeitsgruppe erstmals ein Instrument geschaffen, das die Möglichkeit der Vorhersage der Wirksamkeit einer aufwendigen und nicht nebenwirkungsfreien Therapie bei chronischer intestinaler Entzündung erlaubt“, sagte Prof. Dr. Jürgen Schölmerich vom Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt in seiner Laudatio.
Checkpoint-Inhibitoren und CAR-Therapie: „Magic Bullets“ von Paul Ehrlich
Allison „entfesselt das Immunsystem“: Normalerweise werden Immunreaktionen schnell wieder abgebremst, damit keine Kollateralschäden entstehen – bei der Tumorbekämpfung ist diese „Bremse“ allerdings nicht erwünscht. Allison hat die molekulare Bremswirkung systematisch untersucht und Checkpoint-Inhibitoren entwickelt, die die „Bremsen“ bei T-Zellen lösen. Diese können so länger und nachhaltiger gegen Tumorzellen vorgehen. Der erste Checkpoint-Inhibitor wurde 2011 zugelassen: der Antikörper gegen das T-Zell-Oberflächenantigen CTLA-4 (Cytotoxisches T-Lymphozyten-assoziierte Antigen 4). Die Substanz sorgt bei rund 20% der Patienten mit metastasiertem Melanom für langanhaltende Remissionen.
June hat die CAR-Therapie entwickelt: Er nutzt T-Zellen des Patienten als Therapeutikum, indem er sie genetisch verändert. Mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet, können sie bestimmte Tumorzellen besser „aufspüren“. Erste Erfolge zeigten sich bei Patienten mit austherapierten Leukämien. Noch ist die CAR-Therapie eine Nischenbehandlung, wird aber derzeit weiterentwickelt und auch bei soliden Tumoren untersucht.
„Diese zwei amerikanischen Immunologen haben geholfen, eine klinisch-immunologische Antikrebstherapie zu etablieren und sind deshalb wunderbare Kandidaten für einen Ehrlich-Darmstaedter-Preis“, betonte Prof. Dr. Rolf M. Zinkernagel vom Universitätsspital Zürich in seiner Laudatio: „Sie haben die Idee der immunologischen Magic Bullet von Paul Ehrlich umgesetzt. Das heißt eine effiziente und spezifische Zauberkugel schafft ein Problem aus der Krankheitswelt.“
Checkpoint-Inhibitoren: „Eine weitere Säule der Krebstherapie“
„Der große Beitrag von Allison … war, dass er anfänglich nicht nur die Stimulatoren und die Bremser von T-Zell-Antworten wesentlich mitbeschrieben, sondern auch das Konzept mitentwickelt hat, dass Zelloberflächenmarker – wie CTLA-4 auf T-Zellen – zur Immunabwehr gegen Tumore klinisch verwendet werden können“, so Zinkernagel weiter – übrigens selbst Paul Ehrlich-Preisträger 1983 und Nobelpreisträger 1996.
Der 1948 in Alice, Texas, geborene Allison beschrieb in seiner Dankesrede den langen Weg zur Checkpoint-Therapie – beginnend mit der Entdeckung von CTLA-4 Anfang der 1990er-Jahre durch seine Gruppe und die von Jeff Bluestone. Ihn freuen besonders die erfolgreichen Behandlungen der Patienten: Er nannte beispielhaft die Melanom-Patientin mit Lungenmetastasen (eine Tennisspielerin aus Süd-Kalifornien), die 2001 als erste Patientin eine Injektion von Ipilimumab erhalten habe – und der es immer noch gut gehe.
Inzwischen sei in den USA ein weiterer Checkpoint-Inhibitor zugelassen, weitere seien in Entwicklung, berichtete Allison. Derzeit würden Kombinationen von verschiedenen Checkpoint-Inhibitoren sowie Kombinationen mit konventionellen Therapien bzw. mit adoptiven T-Zell-Therapien untersucht, so der Biologe und Immunologe. Außerdem würden diese Substanzen auch bei anderen Krebsarten untersucht, wie Hirntumoren und Karzinomen der Prostata, Lunge, Blase und der Nieren. „Die Immun-Checkpoint-Inhibition ist nun eine weitere Säule in der Krebstherapie. Ihr Erfolg macht optimistisch, dass bald zumindest einige Formen von Krebs heilbar werden“, so der Preisträger.
Diesen Artikel so zitieren: Paul Ehrlich-Preis 2015: Scharfmacher für T-Zellen und Therapievoraussagen beim Morbus Crohn - Medscape - 18. Mär 2015.
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