San Diego – Bypass oder Stent? Für die meisten Patienten mit einer koronaren Mehrgefäßerkrankung bleibt „Bypass“ die richtige Antwort. Die Operation erwies sich auch gegenüber weiterentwickelten Everolimus-freisetzenden Stents als überlegen, so die Ergebnisse der randomisierten klinischen Studie BEST (Bypass Surgery versus Everolimus-Eluting Stent Implantation for Multivessel Coronary Artery Disease), die Prof. Dr. Seung-Jung Park, vom Asan Medical Center in Seoul, Südkorea, am Montag auf dem US-Kardiologen-Kongress ACC 2015 präsentiert hat [1]. Die Resultate wurden zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert [2].
„Während der relativ langen Nachbeobachtungszeit war die Stentangioplastie mit einem signifikanten Anstieg der Todesfälle, Myokardinfarkte und erneuter Revaskularisation der Zielgefäße assoziiert“, erklärte Park, Erstautor der Studie, auf dem ACC Kongress in San Diego gegenüber der Presse. „Unsere Daten zeigen, dass die koronare Bypasschirurgie bei Mehrgefäßerkrankungen die Behandlung der Wahl bleibt”, so Park.
Everolimus-Koronarstent soll Restenose verhindern
Bei Mehrgefäßerkrankungen hatte sich bereits in früheren Studien die koronare Bypassoperation (CABG) gegenüber der minimalinvasiven perkutanen Koronarintervention (PCI) plus Stentimplantation als deutlich vorteilhafter erwiesen.
Allerdings haben sich die Stents seither stark verbessert: Noch vor einigen Jahren kamen lediglich unbeschichtete Metallstents zum Einsatz. Heute stehen dagegen bereits mehrere Generationen neuer weiterentwickelter Stents zur Verfügung. Die medikamenten-freisetzenden Stents (Drug-Eluting Stents, DES) setzen antiproliferative Substanzen wie z.B. Everolimus oder Zotarolimus frei, um das Einwachsen der Gefäßwand und die erneute Verengung der Blutgefäße zu verhindern und haben sich als effektiv beim Offenhalten von Arterien erwiesen. Ob die modernen Stents inzwischen der Bypass-Operation überlegen sind, war jedoch bislang noch nicht erforscht.
Höhere Sterbe-, Herzinfarkt- und Restenoserate unter Everolimus–Stents
Die BEST-Studie verglich den klinischen Nutzen der Implantation von Everolimus-freisetzenden Stents mit dem der Bypass-Chirurgie bei insgesamt 880 Patienten mit Mehrgefäßerkrankung. Patienten, die für eine koronare Revaskularisation mit beiden Methoden geeignet waren, wurden aus 27 Krankenhäusern in 4 verschiedenen ostasiatischen Ländern rekrutiert und im Verhältnis 1:1 in randomisierte Versuchsgruppen eingeteilt – entweder PCI mit Everolimus-freisetzenden Stents oder CABG.
Das Ergebnis: Nach durchschnittlich 4,6 Jahren Nachbeobachtungszeit hatten Patienten der PCI-Gruppe ein um 47% erhöhtes Risiko gegenüber der Bypass-Gruppe, einen der primären Endpunkte – Tod, Myokardinfarkt oder Re-Intervention zum Öffnen blockierter Arterien – zu erreichen. Nach Implantation der Everolimus-Stents war ein wiederholter Eingriff zur Revaskularisation sehr viel häufiger notwendig und doppelt so wahrscheinlich wie bei den Bypass-Patienten. Auch das Herzinfarktrisiko war in der Stent-Gruppe um den Faktor 1,8 erhöht.
Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Versuchsgruppen hinsichtlich des kombinierten Sicherheitsendpunktes (Tod, Schlaganfall und Myokardinfarkt). Jedoch war die Wahrscheinlichkeit erneuter Revaskularisationen und spontaner Myokardinfarkte signifikant höher unter der PCI im Vergleich zur CABG.
„Wir hatten vermutet, dass frühere Studien aufgrund der Verwendung medikamenten-freisetzender Stents der ersten Generation limitiert waren, aber unsere Resultate zeigen dass die Bypass Operation weiterhin bessere klinische Ergebnisse liefert“, kommentiert Park gegenüber der Presse.
BEST-Studie vorzeitig abgebrochen
Eigentlich sollten knapp 1.800 Patienten an der BEST- Studie teilnehmen. Aufgrund von Schwierigkeiten, neue Patienten zu rekrutieren, wurde die Studie jedoch vorzeitig abgebrochen. Dies hatte eine geringere statistische Aussagekraft in Bezug auf einzelne Studienendpunkte zur Folge.
Die Ursache sehen die Autoren u.a. darin, dass es schwierig ist, Teilnehmer zu rekrutieren, die bereit sind, die Entscheidung über die Art des Eingriffs der Randomisierung zu überlassen.
Zweite Studie im NEJM ergänzt und bestätigt BEST-Ergebnisse
Auch eine zweite, zeitgleich im NEJM veröffentlichte Studie verglich die Bypass-OP mit der Implantation Everolimus-freisetzender Stents bei Patienten mit Mehrgefäßerkrankung [3]. Für ihre Beobachtungsstudie verwendeten Dr. Sripal Bangalore, Kardiologe und Associate Professor an der New York University School of Medicine und seine Kollegen, Daten des Herzregisters von New York State.
Die Forscher verglichen die Gesamtmortalität (primärer Endpunkt) von Patienten mit Mehrgefäßerkrankung nach einer Revaskularisation durch PCI plus Everolimus-freisetzenden Stents (n = 9.223) mit der nach CABG (n = 9.223). Der Beobachtungszeitraum betrug im Durchschnitt 2,9 Jahre. Sekundäre Endpunkte waren die Rate der Myokardinfarkte, Schlaganfälle und wiederholte Revaskularisation.
Das Ergebnis: Die Autoren verzeichneten zwar etwas weniger Schlaganfälle in der PCI-Gruppe, verglichen mit der CABG Gruppe (0,7% vs 1,0% pro Jahr), aber deutlich mehr Myokardinfarkte (1,9% vs 1,1% pro Jahr) und wiederholte Revaskularisationen (7,2% vs 3,1% pro Jahr). Die Sterblichkeitsraten waren unter der PCI im Vergleich zur CAGB ähnlich (3,1% vs 2,9 % pro Jahr).
Ärzte und ihre Patienten sollten gemeinsam über die beste Therapiestrategie zur Revaskularisation entscheiden …
Bei Patienten, bei denen eine vollständige Revaskularisation erreicht wurde, gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen der Bypass-Gruppe und der PCI-Gruppe bzgl. der Myokardinfarktrate. Bei unvollständiger Revaskularisation war die Rate der Herzinfarkte in der PCI-Gruppe signifikant erhöht.
„Obwohl diese Daten nützlich sind, bleiben doch die für eine Beobachtungsstudie typischen Limitationen“, gibt Prof. Dr. Robert Harrington von der Abteilung Medizin an der Stanford University, Kalifornien, im begleitenden Editorial zu bedenken [4]. Es sei noch keine neue Methode entwickelt worden, die beim Vergleich zweier unterschiedlicher Behandlungsoptionen eine Randomisierung ersetzen könne.
Arzt und Patient sollten gemeinsam über die Therapiestrategie entscheiden
„Unsere Studie bestätigt aktuelle Leitlinien, die eine Bypass-OP bei Patienten mit koronarer Mehrgefäßerkrankung empfehlen“, schreiben Park und seine Kollegen.
„Zwar machen die Schlussfolgerungen der Studien in Anbetracht der aktuellen Daten Sinn, jedoch sollten wir klinische Entscheidungen nicht auf zu kleine randomisierte Studien und mit Mängeln behaftete Beobachtungsstudien stützen“, warnt Harrington und empfiehlt die Erhebung weiterer Daten.
„Ärzte und ihre Patienten sollten gemeinsam über die beste Therapiestrategie zur Revaskularisation entscheiden und dabei ein kurzeitiges Schlaganfallrisiko gegen die Langzeit-Folgen eines Herzinfarkts und wiederholter Revaskularisationen abwägen und individuelle Vorstellungen und Gegebenheiten mit in die Entscheidung einfließen lassen“, rät Harrington. Er empfiehlt, die Resultate der Koronarangiographie dabei zu berücksichtigen. Denn wird eine komplette Revaskularisierung erreicht, dann wäre eine PCI immer noch attraktiver als eine koronare Bypass-OP.
REFERENZEN:
2. Park S-J, et al: NEJM (online) 16. März 2015
3. Bangalore S, et al: NEJM (online) 16. März 2015
4. Harrington R, NEJM (online) 16. März 2015
Diesen Artikel so zitieren: KHK-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung: Bypass bleibt auch den Everolimus-freisetzenden Stents überlegen und meist die beste Option - Medscape - 17. Mär 2015.
Kommentar