Die neuen PCSK9-Inhibitoren beim ACC-Kongress: Dramatische LDL-Senkungen und Hinweise auf Reduktion des Infarktrisikos

San Diego – Mit monoklonalen Antikörpern, die Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) inhibieren, lassen sich LDL-Cholesterinsenkungen erzielen, die dramatisch sind – dies auch zusätzlich zu einer Statintherapie. Doch trotz aller Euphorie über die neuen Lipidsenker, die 2- oder 4-wöchentlich subkutan injiziert werden, fehlt es bislang an Daten, dass die Anwendung langfristig sicher ist – und vor allem, dass der eigentliche Zweck der Therapie, das kardiovaskuläre Risiko zu reduzieren, damit erreicht wird.

Jetzt beim Kongress des American College of Cardiology (ACC) in San Diego, Kalifornien, vorgestellte Studiendaten schließen – zumindest zum Teil – diese Lücke. In San Diego sind Langzeitergebnisse mit zwei der neuen Lipidsenker vorgestellt worden, die sehr positiv aussehen. Damit wird die von den Firmen angestrebte Zulassung der Substanzen, etwa durch die FDA noch in diesem Jahr, wahrscheinlicher.   

Wie die Untersucher der Studien OSLER-1 und OSLER-2 (Open-Label Study of Long-Term Evaluation Against LDL-C) während ihrer Präsentation bei einer „Late-Breaking-Trials“ Sitzung mitgeteilt haben, konnten mit Evolocumab (Repatha®, Amgen) additiv zu einer Standardtherapie die LDL-Cholesterinspiegel um 61% nach 11 Monaten reduziert werden – dies im Vergleich zur Standardtherapie allein. Eine explorative Datenanalyse ergab, dass dies auch mit einer reduzierten Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, und Tod assoziiert war.

Die Studien sind zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert worden [1]. In der gleichen Ausgabe finden sich auch die Ergebnisse der ODYSSEY Long Term Studie, deren Hauptresultate schon früher bekannt geworden waren [2].

Prof. Dr. Marc Sabatine

ODYSSEY hat nachgewiesen, dass Hochrisiko-Patienten mit Hypercholesterinämie, die den PCKS9 monoklonalen Antikörper Alirocumab (Sanofi/Regeneron Pharmaceuticals) plus einem Statin erhielten, über 78 Wochen durchgehend deutlich niedrigere LDL-Spiegel hatten als diejenigen, die Placebo plus ein Statin erhielten. Auch hier zeigten Posthoc-Analysen eine signifikant geringere Rate an kardialen Ereignissen.

„Wir haben damit Studien in ganz unterschiedlichen Populationen, die die Fähigkeit dieser Substanzen bestätigen, das LDL-Cholesterin signifikant zu senken“, sagte der OSLER Hauptautor Prof. Dr. Marc Sabatine, Brigham and Women's Hospital, Boston, Massachusetts, gegenüber Medscape.com. „Und alle bisherigen Daten weisen darauf hin, dass die Reduktion der klinischen Ereignisse mit der Reduktion des LDL-Cholesterins verbunden ist“, sagte Sabatine.

„Wir benötigen noch Endpunkt-Studien, aber es scheint, als ob wir auf dem richtigen Weg sind mit diesen Substanzen“, ergänzte die ODYSSEY-Hauptautorin Prof. Dr Jennifer G. Robinson, University of Iowa, Iowa City, die auch an den OSLER Studien beteiligt ist.

 
Wir haben damit Studien in ganz unterschiedlichen Populationen, die die Fähigkeit dieser Substanzen bestätigen, das LDL-Cholesterin signifikant zu senken. Prof. Dr. Marc Sabatine
 

Das OSLER-Programm

OSLER-1 schloss 1.324 Patienten ein, die an einer von 5 Phase-2-Studien beteiligt waren, in OSLER-2 waren es dagegen 3.141 Patienten, die an einer von 7 Phase-3-Studien teilgenommen hatten. Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 58 Jahren.

Sabatine erläuterte, dass die Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten der beiden Studien für die Präsentation und die Publikation als „OSLER Programm“ kombiniert worden waren. Alle Teilnehmer hatten randomisiert für etwa 1 Jahr entweder nur eine Standardtherapie (n = 1.489) oder diese kombiniert mit einer Injektion Evolocumab (n = 2.976) alle 2 Wochen in einer Dosis von 140 mg oder einmal monatlich 420 mg erhalten.

Der primäre Endpunkt war die Inzidenz behandlungsassoziierter unerwünschter Ereignisse. Sekundäre Endpunkte schlossen die Veränderungen im LDL-Cholesterin im Vergleich zum Ausgangswert ein. Die kardiovaskulären klinischen Endpunkte waren vorher festgelegt („prespecified“) und „explorativ“.

Insgesamt berichteten 69,2% in der Evolocumab-Gruppe und 64,8% der Standardtherapie-Gruppe von einem unerwünschten Ereignis und 7,5% jeder Gruppe von einem schweren Ereignis. Obwohl insgesamt niedrig, war vor allem die Rate von neurokognitiven unerwünschten  Ereignissen in der PCSK9-Gruppe höher als unter der Standardtherapie (0,9% vs 0,3%).

In den ersten 12 Behandlungswochen nahm in der Evolocumab-Gruppe das LDL-Cholesterin von zuvor im Median 120 mg/dl auf 48 mg/dl (p < 0,001) ab und dieser Level wurde dann über 48 Wochen gehalten. Die explorative Analyse ergab, dass 0,95% der Interventionsgruppe ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten, in der Standardgruppe waren es 2,18% (p = 0,003).

„Es laufen mehrere spezielle kardiovaskuläre Endpunkt-Studien. Aber in der Zwischenzeit, haben wir genug Patienten und ausreichend Follow-up-Daten gesammelt, um einen Eindruck zu gewinnen, welchen Effekt diese Substanzen auf kardiovaskuläre Endpunkte haben“, sagte Sabatine.

ODYSSEY und Alirocumab

 
Wir benötigen noch Endpunkt-Studien, aber es scheint, als ob wir auf dem richtigen Weg sind mit diesen Substanzen. Prof. Dr Jennifer G. Robinson
 

Auch wenn frühere Studien bereits belegt haben, dass 8 bis 12 Wochen Behandlung mit Alirocumab plus Statin das LDL-Cholesterin signifikant senken, benötigt auch das ODYSSEY-Studienteam Daten zur Kombination über einen längeren Zeitraum.

Die vorliegende Analyse umfasst 2.341 Patienten (63,2% Männer; mittleres Alter 60 Jahre) mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und einem LDL-Cholesterin von 70 mg/dl trotz maximaler Dosis eines Statins. Alle wurden randomisiert und erhielten entweder eine 150-mg-Dosis Alirocumab (n = 1.553) oder entsprechend Placebo (n = 788) als Injektion alle 2 Wochen.

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung im LDL-Cholesterin im Vergleich zum Ausgangswert in Woche 24. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das LDL in der Alirocumab-Gruppe um 61% reduziert, in der Placebo-Gruppe dagegen nur um 0,8% (p < 0,001). Die mittleren LDL-Spiegel in Woche 24 lagen bei 48 mg/dl vs 119 mg/dl. Auch hier blieben die LDL-Werte über die gesamte Beobachtungsdauer von 78 Wochen so niedrig.

Behandlungsassoziierte unerwünschte Ereignisse waren in der Alirocumbab-Gruppe häufiger als unter Placebo. Es handelte sich u.a. um Reaktionen an der Injektionsstelle (5,9% vs 4,2%), Myalgien (5,4% vs 2,9%), and neurokognitive Ereignisse (1,2% vs 0,5%). Die letzteren schlossen z.B. Amnesien und Einschränkungen des Gedächtnisses mit ein.

Ebenso wie in der Evolocumab-Studie, hatten diejenigen, die Alirocumab erhielten, signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse (1,7% vs 3,3%; Hazard Ratio: 0,52; p = 0,02).

„Wichtige Pfeile im Köcher"

Beide Medikamente erhalten viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Auf dem ACC-Kongress konnte man der Werbung der beteiligten Firmen für die neuen Lipidsenker kaum entgehen: Transparente, Plakate an den Bushaltestellen und sogar an den Rolltreppen machten die Aufregung über die neue Wirkstoffklasse deutlich. Aber, wie Sabatine betonte, es fehle noch die große Endpunktstudie. „Es wird noch etwa zwei Jahre dauern, bis wir diese Daten haben – aber zumindest haben wir jetzt in der Zwischenzeit ganz ermutigende Ergebnisse.“

Nach den Mortalitätsdaten gefragt, verwies er auf die kommende FOURIER Studie mit 27.500 Patienten mit bekannter kardiovaskulärer Erkrankung, die über mehrere Jahre verfolgt werden. Die Studie wird als Endpunkte auch Todesfälle erfassen.

In einem begleitenden Editorial  schreiben Prof. Dr. Neil J. Stone und Prof. Dr. Donald M. Lloyd-Jones, Bluhm Cardiovascular Institute, Northwestern University, Chicago, dass „das Neue“ in beiden Studien OSLER und ODYSSEY vor allem die Daten zu den kardiovaskulären Ereignissen sind und die Tatsache, dass unter beiden PCSK9-Inhibitoren diese nach ein bis eineinhalb Jahren um rund 50% reduziert waren [3]. Sie betonen, dass in den Statin-Studien, die Ereignisraten nach dem ersten Jahr oft wieder höher waren – eventuell aufgrund von Complianceproblemen. „Mit dem Potenzial für eine bessere Therapieadhärenz und eine stärkere LDL-Senkung mit den neuen Wirkstoffen könnten die Daten von längeren und größeren Studien mit den PCSK9-Inhibitoren schlicht überwältigend sein.“

Sie schreiben: Die aktuellen Studien „wecken den Appetit auf weitere Ergebnisse die einen kardiovaskulären Benefit zeigen und die Sicherheit dokumentieren – auch bei deutlich niedrigeren LDL-Cholesterinwerten als wir bislang erreicht haben“. Jedoch, so räumen Stone and Lloyd-Jones auch ein, diese Wirkstoffe verbreitet einzusetzen, bevor es mehr Studiendaten gibt, wäre sicherlich „verfrüht“.

„Es bleibt noch viel zu tun, aber die PCSK9 Inhibitoren scheinen auf dem besten Weg zu sein, zu wichtigen Pfeilen in unserem Köcher zu werden, um kardiovaskuläre Ereignisse zu reduzieren bei Hochrisiko-Patienten, bei denen die Statine allein einfach nicht genug sind“, lautet ihr Fazit.  


Dieser Artikel wurde von Sonja Böhm aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

REFERENZEN:

1. Sabatine MS, et al: NEJM (online) 15. März 2015

2. Robinson JG, et al: NEJM (online) 15. März 2015

3. Stone NJ, et al: NEJM (online) 15. März 2015

 

Kommentar

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