Seit die „Women’s Health Initiative-Studie“ (WHI) im Jahr 2002 die Risiken der Hormonersatztherapie (HRT) eindeutig offenlegte, geht es immer wieder um die Frage, ob Hormongaben in den Wechseljahren Herz und Gefäßen eher nützen oder schaden. Denn außer einem erhöhten Brustkrebsrisiko hat die berühmt gewordene Auswertung im JAMA der HRTauch eine höhere Rate an Herzinfarkten, Schlaganfällen und venösen Thrombembolien bescheinigt.
Zu einem eindeutigen Ergebnis kamen die bisherigen Studien nicht und die Bilanz eines aktualisierten Cochrane-Reviews fällt erneut ungünstig aus: In absoluten Zahlen war eine Hormontherapie dem Review zufolge bei 1.000 Frauen mit 6 zusätzlichen Schlaganfällen (durchschnittliche Beobachtungszeit: 4,21 Jahre) assoziiert ist. Außerdem kam es zu 8 zusätzlichen venösen Thrombembolien (Beobachtungszeit: 5,95 Jahre) und 4 zusätzlichen Lungenembolien (Beobachtungszeit: 3,31 Jahre) im Vergleich zu einer Gruppe, die keine Hormone einnahm.
Das Team um Dr. Henry Boardman vom Department of Cardiovascular Medicine an der Universität Oxford, fand außerdem in eine Subgruppenanalyse, dass zwar weniger Herzinfarkte auftreten, wenn die Frau früh mit der Behandlung beginnt, dass sich das erhöhte Risiko für venöse Thrombembolien dadurch jedoch nicht verringern ließ. Auf das Schlaganfallrisiko hatte der frühe im Vergleich zum späten Beginn der Therapie keinen nachweisbaren Einfluss, weder einen positiven, noch einen negativen [1].
„Die aktuellen Ergebnisse bestätigen eigentlich nur, was wir aus den verschiedenen Subanalysen bereits erfahren haben: Ein später Beginn der Hormontherapie geht mit erhöhten Risiken für eine Thrombose oder einen Schlaganfall einher“, kommentiert Prof. Dr. Kai Bühling, Leiter der Hormonsprechstunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf den neuen Review.
Mortalität und Infarktrisiko nach HRT nicht gesenkt
Die Hormoneinnahme senkte weder das Sterberisiko noch die Wahrscheinlichkeit für einen Infarkt oder eine Revaskularisierung – dies galt sowohl für die primäre als auch für die sekundäre Präventionsgruppe. Dagegen war das relative Risiko für Schlaganfälle unter Hormontherapie um relativ 24% signifikant erhöht (95%-Konfidenzintervall: 1,10-1,41), ebenso das Risiko für venöse Thrombosen (RR: 1,92; 95%-KI: 1,26-2,69) und Lungenembolien (RR: 1,81; 95%-KI: 1,32-2,48).
Der überarbeitete Cochrane-Review bezog 6 neue Studien mit 2.239 Probandinnen zusätzlich in diese aktualisierte Auswertung ein. Somit gingen die Daten von insgesamt 19 randomisierten Studien mit über 40.000 Frauen ein, die zufällig entweder eine Hormontherapie (mit Östrogenen oder einer Kombination aus Östrogenen und Progesteron), ein Placebo oder keine Behandlung erhalten hatten. 9 Studien des Reviews haben die HRT als primäre Prävention bei gesunden Frauen, 10 haben sie als sekundäre Prävention bei Frauen mit kardiovaskulärer Vorerkrankung analysiert.
Bühling weist auf den Umstand hin, dass in den meisten der im Review eingeschlossenen Studien Hormone oral verabreicht worden sind: „Aktuelle Studien lassen vermuten, dass dieser negative Einfluss auf das Gefäßsystem bei der transdermalen Gabe nicht vorhanden ist oder klinisch bei weitem keine so große Signifikanz erreicht.“ Insofern widerspreche der Review diesen jüngsten Beobachtungen nicht. Die Studienautoren wollen ihre Ergebnisse auch nicht zwingend verallgemeinern. Die Thematik sei komplex, da die gleiche Behandlung manchen Frauen nütze, anderen aber eher schade.
Review unterstützt die ‚Timing Hypothesis‘
Eine Subgruppenanalyse ergab, dass es die Mortalität geringer war, wenn die Frauen früher, sprich innerhalb der ersten 10 Jahre nach Beginn der Wechseljahre mit der HRT starteten. Sie hatten dann auch weniger koronare Herzerkrankungen als die Vergleichsgruppe ohne Hormongabe.
Boardman sieht darin ein weiteres Argument für die so genannte ‚Timing Hypothesis’, die besagt, dass die Effekte der Hormongabe vom Lebensabschnitt abhängig sind, in dem damit begonnen wurde. Dem Review zufolge sind bei 1.000 Frauen, die noch vor dem 60. Lebensjahr eine Hormontherapie begonnen haben, in einem Zeitraum von 7 Jahren jeweils 6 Todesfälle und 8 Fälle von Herzerkrankungen weniger zu erwarten als bei den nicht mit Hormonen therapierten Frauen. Aber: Selbst bei frühem Beginn unter der HRT traten 5 zusätzliche Blutgerinnsel auf.
Doch wie kommt es zu diesem zeitabhängigen Effekt? Wie Bühling erklärt, wurde in vielen amerikanischen Studien der Zeitraum unter 10 Jahren nach der Menopause mit dem Zeitraum über 10 Jahren nach der Menopause im Hinblick auf die Hormoneffekte verglichen. Aber, so der Gynäkologe: „Beide Zeiträume sind für eine adäquate Therapie der ja vorher auftretenden Beschwerden recht spät“, denn, so Bühling, „Die klimakterischen Symptome beginnen zumeist einige Jahre vor der Menopause.
Zugleich wurde nachgewiesen, dass bei frühem Beginn die Gefäßwirkungen deutlich geringer sind beziehungsweise hier auch ein protektiver Effekt nachweisbar ist.“ Besonders eine Studie im British Medical Journal aus dem Jahr 2012 hatte Argumente dafür geliefert, dass ein früher Beginn der HRT doch kardioprotektiv sein könnte und dass Thrombemoblien und zerebrovaskuläre Events zumindest nicht zunehmen (wie Medscape Deutschland berichtete).
Bühling führt das darauf zurück, dass dann die Hormontherapie einsetzt, bevor bereits Gefäßschädigungen vorhanden sind und so mögliche günstige Effekte eher zum Tragen kommen. Er schreibt das einer möglichen Absenkung des Blutdrucks, einer Senkung der Blutfette mit Verschiebung zum ‚guten’ HDL-Cholesterin hin sowie einer Reduktion des Diabetesrisikos zu.
Wie verabreicht man die Hormone in welchem Alter am besten?
Gleichzeitig spielt die Art der Verabreichung eine Rolle. Je später die Hormontherapie beginnt, desto eher präferiert Bühling nämlich die transdermale Applikation: „Der Vorteil der oralen Therapie ist eine bessere Blutungskontrolle, die ja bei der jüngeren Patientin häufig im Vordergrund steht“, erklärt er.
„Bei der postmenopausalen Patientin stehen andere Symptome im Vordergrund, die sich durch die transdermale Gabe gut behandeln lassen. Durch die transdermale Gabe lassen sich die Risiken auf das Gefäßsystem außerdem deutlich reduzieren.“ Dies zeige eine fränzosische Studie, die 2010 in Current Opinion in Hematology erschienen ist und die transdermale Gabe von Östrogen untersucht hat. Die Studie kommt dem Schluss, dass sich diese Applikationsform besonders für Frauen mit erhöhtem Risiko für venöse Thrombosen eignet.
REFERENZEN:
1. Boardman HMP, et al: Cochrane Database Syst. Review (online) 10. März 2015
Diesen Artikel so zitieren: Aktuelle Metaanalyse zu Hormonen in den Wechseljahren: Keine Entwarnung bei kardiovaskulären Risiken - Medscape - 16. Mär 2015.
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