Die WHO warnt vor zu viel Zucker: Weniger als fünf Prozent der Gesamtenergie sollten es sein

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

13. März 2015

Wer sein Gewicht halten und gesunde Zähne haben möchte, sollte nicht mehr als 10% der täglichen Kalorien in Form von Zucker aufnehmen. Dies hatte die WHO bereits in ihrem ersten Entwurf der Leitlinien zum Zuckerkonsum  empfohlen und um Stellungnahmen dazu gebeten, wie Medscape Deutschland berichtete [1].

Mehr als 170 Expertenkommentare sind nun in der endgültigen Fassung der neuen Leitlinie berücksichtigt worden [2]. Bei den 10% Obergrenze der täglichen Zuckeraufnahme ist es geblieben, der Hinweis allerdings, den freien Zucker am besten gleich auf 5% zu reduzieren, ist noch ein wenig deutlicher ausgefallen als seinerzeit im Entwurf.

So empfiehlt die WHO jetzt nachdrücklich, den Zuckerkonsum lebenslang einzuschränken. Sowohl für Erwachsene als auch für Kinder sollte die Aufnahme von freiem Zucker bei weniger als 10% der täglichen Gesamtenergieaufnahme liegen. Darüber hinaus regt die WHO eine weitere Reduktion auf möglichst unter 5% der Gesamtkalorienmenge an.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht die WHO-Empfehlungen eher kritisch. Ihr reichen die wissenschaftlichen Belege für einen Zusammenhang von Fettleibigkeit und Zuckerzufuhr noch nicht aus.

WHO hat vor allem Softdrinks, Säfte und verarbeitete Lebensmittel im Visier

5% freier Zucker pro Tag – das entspricht 25 g also etwa 6 Teelöffeln pro Tag. Die WHO-Empfehlung umfasst sowohl Monosaccharide (Glukose, Fruktose) als auch Disaccharide (Rohrzucker, Tafelzucker). Als kritischer freier Zucker gilt dabei der Zucker, der Speisen und Getränken zugesetzt wird sowie Zucker, der natürlicherweise in Honig, Sirup, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten enthalten ist.

 
Wir haben gute wissenschaftliche Belege dafür, dass ein Anteil an freien Zuckern von weniger als zehn Prozent der Energiezufuhr das Risiko für Übergewicht, Fettleibigkeit und Karies reduziert. Dr. Francesco Branca
 

Der Löwenanteil des aufgenommenen Zuckers versteckt sich in verarbeiteten Lebensmitteln. Im Klassiker Ketchup etwa: Ein Esslöffel der roten Soße enthält einen Teelöffel Zucker, eine Dose Softdrink weist bis zu 40 g Zucker auf und auch in 30 g vermeintlich gesunden Frühstücks-Cerealien sind bereits 10 bis 14 g Zucker enthalten. Schon ein Glas Cola (250 ml) enthält mit 27 g Zucker mehr als man an einem Tag konsumieren sollte.

Keine negativen Folgen dagegen habe man beim Konsum von Zucker gefunden, der von Natur aus in Obst, Gemüse oder Milch stecke, eine Einschränkung sei deshalb hier nicht nötig, heißt es in der WHO-Leitlinie.

Mit den neuen Richtlinien hofft die WHO, die Übergewichtsepidemie zu stoppen. Immer mehr Menschen leiden an Übergewicht und weisen dadurch ein höheres Diabetes- und Herz-Kreislauf-Risiko auf. Bei der Vorstellung der neuen Leitlinien in Genf sagte Dr. Francesco Branca, Direktor der Abteilung Nutrition for Health and Development der World Health Organization (WHO): „Wir haben gute wissenschaftliche Belege dafür, dass ein Anteil an freien Zuckern von weniger als zehn Prozent der Energiezufuhr das Risiko für Übergewicht, Fettleibigkeit und Karies reduziert.“

Die Empfehlung den Zuckerkonsum auf weniger als 10% zu beschränken, basiere auf der Evidenz von Beobachtungsstudien von angemessener Qualität. Schon jetzt, gibt Branca zu bedenken, sei eine halbe Milliarde Menschen fettleibig. Und die durch Karies verursachten Kosten belaufen sich in industrialisierten Ländern auf 5 bis 10% des Gesundheitsbudgets. Studien legten nahe, dass eine Zuckeraufnahme von über 10% mit einer höheren Kariesrate einherginge.

DGE: Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Zuckerkonsum überzeugt noch nicht

Die DGE fehlt es jedoch noch an Evidenz für den Zusammenhang von Fettleibigkeit und Zuckerzufuhr:  „Bezogen auf die Adipositas-Prävention lassen weder die DGE-Leitlinie noch die in den Aussagen in der WHO-Guideline zugrunde liegende Meta-Analyse von Te Morenga et al aus 2013 den Schluss zu, dass Zucker damit in einem kausalen Zusammenhang steht, da ein isokalorischer Austausch von Zucker gegen andere Kohlenhydrate nicht mit einer Gewichtsveränderung assoziiert war“, teilte die DGE in ihrer Stellungnahme mit [3].

 
Wenn Länder ihren Versprechungen, die Last nicht-übertragbarer Krankheiten zu reduzieren, nachkommen wollen, sind (politische) Kurswechsel, die dies unterstützen, entscheidend. Dr. Francesco Branca
 

Zwar sei plausibel, dass ein höherer Zuckerkonsum zum Gewichtsanstieg beitrage, das treffe aber genauso auf den Fettkonsum zu, betont die DGE. Dass es einen Zusammenhang zwischen der Menge und der Häufigkeit der Zufuhr von freien Zuckern und der Entstehung von Karies gebe, sei belegt. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Zuckerkonsum und Karies abzuleiten, erscheine dennoch schwierig.

Die DGE kritisiert, dass Ernährungsempfehlungen sich nicht allein auf einen Nährstoff bzw. ein Lebensmittel konzentrieren, sondern die Kombination im Blick haben sollten.

Politische Kurswechsel nötig, um Krankheitslast zu reduzieren

Weltweit variiert die Aufnahme freien Zuckers nach Alter, Situation und Land. In Europa liegt die tägliche Zuckeraufnahme von Erwachsenen beispielsweise in Ungarn und Norwegen bei 7 bis 8% der Gesamtkalorienmenge, in Spanien und England bei 16 bis 17%. Kindern nehmen noch mehr Zucker zu sich: 12% in Dänemark, Slowenien und Schweden bis hin zu 25% in Portugal. Es gibt auch Unterschiede bezüglich Stadt und Land. In ländlichen Gegenden Südafrikas liegt die Aufnahme bei 7,5%, in städtischen Regionen hingegen bei 10,3%.

Auch die Deutschen sparen nicht am Zucker: Jeder Bundesbürger nimmt im Schnitt 90 bis 100g Zucker pro Tag auf – das liegt deutlich über den empfohlenen 10%.

Die WHO sieht in ihren Guidelines klare Handlungsempfehlungen für die Länder: Branca mahnt: „Wenn Länder ihren Versprechungen, die Last nicht-übertragbarer Krankheiten zu reduzieren, nachkommen wollen, sind (politische) Kurswechsel, die dies unterstützen, entscheidend.“

 

REFERENZEN:

1. WHO: WHO opens public consultation on draft sugars guideline, 5. März 2014

2. WHO: Draft Guideline: Sugars intake for adults and children

3. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Kommentare der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu: Guideline: Sugars intake for adults and children, 31. März 2014

 

Kommentar

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