In Südkalifornien hat in den vergangenen Jahrzehnten die Luftverschmutzung stark abgenommen. Diese Reduktion der Luftschadstoffe korreliert hochsignifikant mit einer besseren Lungenentwicklung bei Kindern, berichten Präventionsmediziner der Universität von Südkalifornien, Los Angeles [1]
Wie Johanna Appelhans, Expertin für Luftreinhaltung beim Umweltbundesamt, gegenüber Medscape Deutschland erläuterte, liegt das Ausmaß der Luftverschmutzung in Südkalifornien in der gleichen Größenordnung wie in der Bundesrepublik, daher seien die Erkenntnisse gleichermaßen wichtig wie übertragbar.
Messungen über 13 Jahre
Als Teil der Children´s Health Study haben Forscher um Prof. Dr. W. James Gauderman insgesamt 2.120 Jungen und Mädchen im Alter von 11 bis 15 Jahren untersucht und verschiedene Parameter der Lungenfunktion in den Zeiträumen 1994 bis 1998, 1997 bis 2001 sowie 2007 bis 2011 erhoben.
Für die Analyse hatte man die Daten von Kindern aus den 5 Gemeinschaften Long Beach, Mira Loma, Riverside, San Dimas und Upland herangezogen. Die Werte zur Luftverschmutzung stammten aus Messstationen, die in den gleichen Regionen seit 1994 kontinuierlich in Betrieb sind und die seitdem im Stunden- oder Tagesrhythmus die Konzentrationen von NO2, Feinstaub mit einer Teilchengröße von 2,5 bzw. 10 µm (PM2,5, PM10) und Ozon ermitteln.
Für jede der Gemeinschaften wurden aus diesen Daten Mittelwerte für die relevanten Vier-Jahres-Zeiträume errechnet. Dabei schwankten die Ausgangswerte für NO2 vor 1995 zwischen etwa 25 und 40 ppb (Parts per Billion = milliardstel Anteile), liegen aber nach 2010 bei 10 ppb. Bei PM2,5 wurden anfänglich zwischen 18 und 33 µg/m3 gemessen, nach 2010 nur noch zwischen 10 und 17 µg/m3. Bei PM10 schließlich lagen die Werte anfänglich bei 37 bis 65 µg/m3, sanken dann aber auf 23 bis 41 µg/m3.
Weniger Stickstoffdioxid und Feinstaub – höheres Lungenvolumen
„Über die 13 Jahre, die von den drei Kohorten abgedeckt werden, waren Verbesserungen im Vier-Jahres-Zeitraum sowohl von FEV1 als auch von FVC mit sinkenden Konzentrationen von Stickstoffdioxid und von Feinstaub-Partikeln unter 2,5 µm und unter 10 µm assoziiert“, notieren die Wissenschaftler. Die forcierte Einsekundenkapazität (FEV1) misst sowohl die Atemstromstärke, als auch das Lungenvolumen. Die forcierte Vitalkapazität (FVC) misst das Lungenvolumen, das nach maximaler Inspiration mit maximaler Geschwindigkeit ausgeatmet werden kann.
Wie Gauderman und seine Kollegen weiterhin feststellen, habe man bei beiden Geschlechtern und bei Kindern sowohl mit als auch ohne Asthma signifikante Verbesserungen in der Entwicklung der Lungenfunktion festgestellt. Der Anteil der 15-jährigen Kinder mit einem klinisch niedrigen FEV1 (definiert als unter 80% des erwarteten Wertes) verringerte sich im Vergleich der 3 Zeitabschnitte von 7,9% über 6,3% auf 3,6%, was einer Reduktion um mehr als die Hälfte entspricht.
„Die regionale Luftqualität hat sich im Verlauf der Children´s Health Study bezüglich einiger Schadstoffe dramatisch verbessert“, schreiben die Forscher. Dies gelte insbesondere für PM2,5 und für NO2, während die Veränderungen beim Ozon weniger ausgeprägt waren.
In ihrer Analyse haben Gaudermann und Kollegen nun die Veränderungen bei den Schadstoffen den Funktionsparametern der Lunge über den Beobachtungszeitraum gegenüber gestellt. Für die Veränderungen beim Ozon fanden die Wissenschaftler dabei keine Korrelation – ein Befund, der eine frühere Arbeit der gleichen Gruppe bestätigt.
Bei den anderen Luftschadstoffen ergaben sich dagegen jeweils statistisch hochsignifikante Korrelationen: Im Mittel der 5 untersuchten Gemeinschaften fand man eine Zunahme des FEV1 um jeweils 91,4 ml für jede Abnahme von NO2 um 14,1 ppb. Außerdem errechneten die Forscher eine Zunahme des Lungenvolumens um 65,5 ml für jede Abnahme der PM10-Werte um 8,7 µg/m3 ebenso wie für jede Abnahme von PM2,5 um 12,6 µg/m3.
Luftschadstoffe auch in Deutschland weiterhin ein großes Problem
Die Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Südkalifornien hätten sich somit ausgezahlt, suggerieren die Autoren: „Wenn wir von der nicht unvernünftigen Annahme einer Kausalität ausgehen, rechtfertigen die Größe der Effekte und die Bedeutung der Lungenfunktion über die menschliche Lebenszeit hinweg die Bemühungen, die zur Verbesserung der Luftqualität unternommen wurden.“
UBA-Mitarbeiterin Appelhans erinnerte daran, dass die gleichen Luftschadstoffe auch in Deutschland weiterhin ein großes Problem darstellen. Vorläufige Auswertungen der Behörde von über 500 Messstationen belegen, dass beim Stickstoffdioxid, das vor allem aus KFZ-Abgasen stammt, an mehr als der Hälfte der Messstationen an stark befahrenen Straßen die Jahresmittelwerte über dem Grenzwert von 40 µg/m3 lagen.
Beim Feinstaub wurden 2014 zwar niedrigere Werte gemessen als sonst, eine Entwarnung möchte die UBA-Präsidentin Maria Krautzberger aber nicht geben. Im Gegenteil sagt sie: „Trotz niedriger Feinstaub-Werte bleibt das Gesundheitsrisiko bestehen. Denn für Feinstaub gibt es keine Wirkungsschwelle – Gesundheitsschäden treten auch bei geringen Feinstaubkonzentrationen auf. Das hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wiederholt festgestellt.“
Erst vor wenigen Tagen hatte auch die Europäische Umweltagentur (EUA) einen Bericht zu den Auswirkungen von Feinstaub auf dem Kontinent veröffentlicht. Dem Dokument „The European Environment – State and Outlook 2015“ zufolge ist dieser Luftschadstoff alleine für jährlich etwa 430.000 vorzeitige Todesfälle in der EU verantwortlich.
REFERENZEN:
1. Gauderman WJ, et al: NEJM 2015;372(10):905-913
Diesen Artikel so zitieren: Der Wert sauberer Luft: Weniger Schadstoffe korrelieren mit größerem Lungenvolumen bei Kindern - Medscape - 6. Mär 2015.
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