IGeL-Monitor: Glaukom-Früherkennung fällt durch, nur vier von 37 Maßnahmen „tendenziell positiv“

Heike Dierbach

Interessenkonflikte

3. März 2015

Berlin – Die Augenspiegelung mit Messung des Augeninnendrucks hat nach Einschätzung des IGeL-Monitors keinen nachgewiesenen Nutzen für die Glaukom-Früherkennung. In einer aktuellen Bewertung erhält das Verfahren die zweitschlechteste Note „tendenziell negativ" [1]. Generell zieht der Monitor des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbands (MDS) 3 Jahre nach seiner Einführung ein eher vernichtendes Fazit zu individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL): „Die Mehrzahl der IGeL schneidet schlecht ab und hat keinen nachweisbaren Nutzen für die Patienten oder sie können sogar schaden", sagte Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS, während einer Veranstaltung in Berlin [2].

Die Wissenschaftler des IGeL-Monitors haben inzwischen 37 IGeL bewertet. Insgesamt stellten sie den Selbstzahler-Leistungen ein schlechtes Zeugnis aus: 16 dieser Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wurden mit „negativ“oder „tendenziell negativ“ bewertet, 13 IGeL schnitten mit „unklar” und nur 4 mit „tendenziell positiv” ab. Keine IGeL bekam bislang die Bewertung „positiv”.

Patienten sind verunsichert, ob sich Ausgabe für Glaukom-Früherkennung lohnt

 
Die Mehrzahl der IGeL schneidet schlecht ab und hat keinen nachweisbaren Nutzen für die Patienten oder sie können sogar schaden. Dr. Peter Pick
 

Rund 1.000 Menschen erblinden pro Jahr in Deutschland wegen eines Glaukoms. Tückisch an der Krankheit ist, dass sie lange symptomfrei verläuft: Erst wenn große Teile des Gesichtsfeldes ausgefallen sind, gehen die Erkrankten in der Regel zum Arzt. Einer der Hauptrisikofaktoren für ein Glaukom ist bekanntlich ein erhöhter Augeninnendruck. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) empfiehlt daher, diesen ab einem Alter von 40 Jahren alle 3 Jahre, ab 65 Jahren alle 1 bis 2 Jahre zu kontrollieren, kombiniert mit einer Untersuchung des Sehnervs (Augenspiegelung). Die Kosten von 20 bis 40 Euro muss der Patient allerdings selbst tragen, sofern es nicht Risikofaktoren oder bereits Anzeichen für ein Glaukom gibt. Viele Patienten sind verunsichert, ob sich die Ausgabe lohnt.

Der IGeL-Monitor meint: eher nicht. „Wir konnten keine Studien finden, die zeigen, dass die Untersuchung Glaukome frühzeitig erkennen oder ihre Entstehung verhindern kann", sagte Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs „Evidenzbasierte Medizin" beim MDS. Wichtigste Quelle war dabei ein Report der US-Agency for Healthcare Research and Quality (AHQR) von 2012 [3].

 

Wir konnten keine Studien finden, die zeigen, dass die Untersuchung Glaukome frühzeitig erkennen oder ihre Entstehung verhindern kann. Dr. Michaela Eikermann
 

Der Nutzen sei nicht ausreichend begründet, so der IGeL-Monitor – auch, wenn er nicht auszuschließen sei. Das Screening berge zudem gewisse Risiken wie Augenreizungen oder eine Hornhautabschürfung. Zwar gibt es auch dazu keine Studien. Dennoch warnt der IGeL-Monitor, Schäden könnten „prinzipiell auftreten".

Behandlung sinnvoll, Screening fragwürdig

Der Report der AHQR berücksichtigt nur Studien, die den Nutzen des Screenings gesunder Personen untersuchen – nicht den der Behandlung eines zu hohen Augeninnendrucks. Die Ocular Hypertension Treatment Study ergab, dass eine solche Behandlung das Risiko, innerhalb von 5 Jahren ein Glaukom zu entwickeln, um die Hälfte senkt – von 9,5 auf 4,4%. Wegen einer unterschiedlichen Risikoverteilung und sehr hoher Kosten sei es aber dennoch fraglich, ob ein erhöhter Augeninnendruck grundsätzlich behandelt werden sollte.

Dass die Behandlung Erkrankter möglichweise Schäden am Sehnerv vermindern kann, räumt auch der IGeL-Monitor ein. Das Screening identifiziere aber die Erkrankten nicht zuverlässig genug (geringe Sensitivität). Umgekehrt würde vermutlich bei vielen Gesunden fälschlicherweise ein Glaukom diagnostiziert (geringe Spezifität) – mit negativen Folgen für die Gesunden. Daten gibt es auch hierzu nicht.

Eine Bestimmung der Testgüte werde erschwert, da das Glaukom eine eher geringe Prävalenz von 2 bis 4% der Über-65-Jährigen hat, und die Krankheit nur langsam fortschreitet. Die DOG wollte sich auf Nachfrage zu der schlechten Bewertung nicht äußern und verwies auf eine Stellungnahme von 2012. Darin wird behauptet, die Untersuchung des Sehnervs könne ein Glaukom „sicher diagnostizieren".

Nur vier IGeL „tendenziell positiv“

Nur 4 von 37 Maßnahmen werden vom IGeL-Monitor „tendenziell positiv" bewertet:

  • - die Akupunktur zur Migräneprophylaxe,

  • - Laserbehandlung von Krampfadern,

  • - Lichttherapie bei Winterdepression und

  • - Stoßwellentherapie bei Fersenschmerz.

Für letztere hat der GKV-Verband einen Antrag auf erneute Nutzenbewertung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gestellt – sie könnte also künftig erstattet werden.

Individuelle Gesundheitsleistungen werden am häufigsten angeboten von Gynäkologen, gefolgt von Zahnärzten und Augenärzten. Pick kritisiert, dass Mediziner ihre Patienten oft nicht ausreichend über Nutzen und Risiken informieren: „Alternativen, die von den Kassen bezahlt werden, werden oft nicht genannt."

Immer wieder meldeten sich auch Patienten, die sich vom Arzt unter Druck gesetzt fühlen. Der Monitor hat daher zu jeder Leistung ein Merkblatt entwickelt, das Patienten mit in die Sprechstunde nehmen können. Für Ärzte, die IGeL fair anbieten wollen, gibt es eine Checkliste der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

 

REFERENZEN:

1. IGeL-Monitor: Augenspiegelung mit Messung des Augeninnendrucks zur Glaukom-Früherkennung. 26. Februar 2015

2. Pressekonferenz: 3 Jahre IGeL-Monitor, 26. Februar 2015, Berlin

3. Ervin AM, et al.: Comparative Effectiveness Reviews, 2012;59

 

Kommentar

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