Zwischen den Stühlen: Die Physician Assistants stoßen auf Vorbehalte der etablierten medizinischen Berufsgruppen

Christan Beneker

Interessenkonflikte

25. Februar 2015

Zukunftsmodell oder Geschäftsmodell für private Hochschulen? Die eben erst gegründete Deutsche Gesellschaft für Physician Assistance drängt mit immer mehr Berufsanfängern auf den Markt.

 
Angesichts der ständig neuen Aufgaben und des Ärztemangels in deutschen Kliniken können die PAs die Ärzte entlasten und ergänzen. Prof. Dr. Achim Jockwig
 

In der Tat könnte das Gesundheitssystem der neuen Berufsgruppe der Arztassistenten vor allem in den Krankenhäusern ein weites Betätigungsfeld bieten: Dokumentation, OP-Management, Wundmanagement, Vorbereitung von Anamnesen, Patientenberatung, Assistenz bei Endoskopien und vieles mehr. „Angesichts der ständig neuen Aufgaben und des Ärztemangels in deutschen Kliniken können die PAs die Ärzte entlasten und ergänzen“, meint denn auch Prof. Dr. Achim Jockwig, Vizepräsident der Hochschule Fresenius, gegenüber Medscape Deutschland.

Neben seiner Institution gehören auch die Duale Hochschule Baden-Württemberg, die Fliedner-Hochschule Düsseldorf und die Mathias-Hochschule Rheine zur Gesellschaft für Physician Assistants, die damit ausschließlich aus privaten Hochschulen besteht. „Der Beruf ist im Kommen und wird kritisch diskutiert werden. Deshalb brauchen wir so einen Zusammenschluss“, sagt Jockwig. Tatsächlich sind nicht alle Ärzte und Pflegenden glücklich über die neuen Kollegen.

 
Mich hat keines der Ausbildungsangebote überzeugt. Das sind Schmalspurangebote. Johanna Knüppel
 

Substitution durch die Hintertür?

So erklärt Johanna Knüppel, Sprecherin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK): „Mich hat keines der Ausbildungsangebote überzeugt. Das sind Schmalspurangebote.“ Sie kritisiert die Studiengänge als „heiteres Berufebasteln der Hochschulen“, die vor allem Geld verdienen wollen.

Die Absolventen täuschten sich zudem in ihren Berufsaussichten, meint Knüppel. „Sie stehen im Krankenhaus zwar auf der ärztlichen Seite, sind aber für die niedrigsten Assistenzjobs zuständig und haben keine Aufstiegschancen.“ So gäbe ein Arzt niemals das OP-Management in die Hände eines Physician Assistant, meint Knüppel. Und wenn die Krankenhausleitung die Mittel verteilt, würden die Arztassistenten stets das Nachsehen haben.

Auch auf ärztlicher Seite stoßen die Physician Assistants oft auf wenig Gegenliebe. Stichwort: Substitution. Beim letzten Ärztetag haben Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) keinen Zweifel daran gelassen, wie wenig sie von Versuchen halten, ärztliche Aufgaben anders als bisher zu verteilen. So erklärte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV: „Eine Substitution durch die Hintertür über Bachelor-Studiengänge à la Physician Assistant et cetera lehnen wir rigoros ab.“

Dr. Andreas Gassen

© Anke Jakob

Auch die KBV-Vertreterversammlung widersprach 2014 vehement einer neuen Berufsgruppe, die etwa Behandlungspläne aufstellen oder eigenständig kleine Operationen vornehmen könnte. „Die genannten Aufgaben stellen eine originär ärztliche Tätigkeit dar, die im Hinblick auf die Qualität der Versorgung der Patienten und zur Vermeidung einer Zweiklassenmedizin nicht auf nichtärztliches akademisches Personal übertragen werden dürfen“, heißt es in einem entsprechenden Beschluss der Versammlung [2].

Große Nachfrage

Der Kritik der Berufsverbände steht offenbar erhebliches Interesse auf Seiten der Bewerber am neuen Beruf entgegen. Derzeit gehen von der Fresenius jährlich rund 20 Absolventen auf den Markt und suchen vor allem in den Chirurgien und Notaufnahmen der Krankenhäuser einen Job.

„In diesem Jahr stocken wir auf 60 Studierende auf und auch die anderen Hochschulen bilden in entsprechenden Größenordnungen aus“, sagt Jockwig. Rund 15.000 bis 17.000 Euro müssen die Studierenden an den verschiedenen Hochschulen für das Bachelor-Studium auf den Tisch legen. Rund 200 PAs arbeiten derzeit vor allem in den Krankenhäusern des Landes.

Konkurrenz vielleicht, aber nicht für Ärzte

Die Ablehnung Knüppels und der KBV-Vertreter sei zunächst nachvollziehbar, meint Jockwig. Immerhin ziehe mit den Physician Assistants auch eine neue Gehaltsklasse „zwischen der Pflege und den Ärzten“ in die Stationen ein. Allerdings würden auch die Pflegenden von Aufgaben entlastet und könnten sich auf ihre Kerngebiete konzentrieren.

 
Eine Substitution durch die Hintertür über Bachelor-Studiengänge à la Physician Assistant et cetera lehnen wir rigoros ab. Dr. Andreas Gassen
 

Der Kritik der Ärzteseite hält Jockwig entgegen, die Sorge, dass den Ärzten etwas weggenommen werde, sei nicht rational. Gewiss, man bilde bewusst einen „Arzt light“ aus. „Aber wir wollen auf gar keinen Fall die Substitution ärztlicher Leistungen. Es ist nicht unsere Idee, ärztliche Leistungen auszugliedern. Sondern wir delegieren bestimmte Leistungen an eine Gruppe, die speziell für diese Leistungen ausgebildet ist.“

 
Wir wollen auf gar keinen Fall die Substitution ärztlicher Leistungen. Prof. Dr. Achim Jockwig
 

Nach seiner Erfahrung seien alle Ärzte, die es im Berufsalltag mit Physician Assistants zu tun bekommen haben, von dem neuen Beruf sehr angetan. Jockwig verweist auf die USA. „Dort arbeiten heute rund 100.000 PAs als verlängerter Arm des Arztes. Den Beruf gibt s dort schon seit 50 Jahren – und er ist heute die am stärksten wachsende Gruppe unter den Gesundheitsberufen.“

Tatsächlich öffnet auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) den PAs behutsam die Tür. „Wir protegieren die Physician Assistants“, sagt Ralf Neiheiser vom Dezernat für Personalwesen und Krankenhausorganisation der DKG. „Aber wir machen den Häusern keine Vorgaben.“

„Möglicherweise könnten die PAs den ärztlichen Weiterbildungsassistenten allerdings bei den notwendigen praktischen Erfahrungen im Krankenhaus das Wasser abgraben“, räumt Neihiser ein. „Aber letztlich ist das eine Frage der innerklinischen Organisation.“

Prof. Dr. Stefan Görres vom Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP) der Universität Bremen sieht in den PAs sogar ein Element, das die ständige Rivalität von Ärzten und Pflegenden in den Krankenhäusern besänftigen könnte: „Vorausgesetzt, die Akademisierung der Pflege schreitet voran, dann könnten die Ärzte in den PAs ihre Assistenten haben und die akademisch gebildete Pflege in nicht-akademischen Pflegenden“, meint Görres. „Das wäre ein Befreiungsschlag für die Pflege.“

 

REFERENZEN:

1. 24. Sitzung der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, 26. Mai 2014, Düsseldorf, TOP 2, Antrag 1: Keine Substitution ärztlicher Leistungen durch nichtärztliche akademische Gesundheitsberufe

 

Kommentar

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