
Prof. Dr. Elmar Joura
Die derzeit zugelassenen Impfstoffe zur Prävention des Zervixkarzinoms können durch den Schutz vor den HPV-Typen 16 und 18 etwa 70% der Erkrankungen an Gebärmutterhalskrebs verhindern. „Durch den Einschluss von fünf weiteren krebserregenden HPV-Typen kann eine Impfeffektivität gegenüber dem invasiven Zervixkarzinom von 90 Prozent erreicht werden“, betont der Gynäkologe Prof. Dr. Elmar Joura von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien, der einen neuen 9-fach-HPV-Impfstoff in einer Studie getestet hat [1].
Der bislang erst in den USA zugelassene 9-fach-Impfstoff enthält neben den Virus-Typen des quadrivalenten HPV-Impfstoffes (6, 11, 16 und 18) zusätzlich die 5 HPV-Typen 31, 33, 45, 52 und 58. Im New England Journal of Medicine berichten Joura und Kollegen über ihre randomisierte Phase 2b/3-Studie.
„Eine Erhöhung der Schutzrate auf 90 Prozent ist ein eindeutiger Fortschritt“, kommentiert Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz im Gespräch mit Medscape Deutschland die Studienergebnisse.
Gleich gut wie der Vierfach-Impfstoff
Die Wirksamkeit und Immunogenizität des 9-fach-Impfstoffes ist bei mehr als 14.000 Frauen im Alter von 16 bis 26 Jahren untersucht worden. „Die Studie hatte zwei Aufgaben“, erläutert Joura gegenüber Medscape Deutschland, „sie musste zeigen, dass der Neunfach-Impfstoff dem tetravalenten Impfstoff nicht unterlegen ist und dass durch die 5 weiteren HPV-Stämme mehr Erkrankungen verhindert werden.“
Tatsächlich ließ sich die sehr hohe Serokonversionsrate des 4-fach-Impfstoffes gegenüber HPV 6, 11, 16 und 18 auch bei dem 9-fach-Impfstoff belegen: Einen Monat nach der dritten Impfdosis wiesen fast 100% der mit dem 9-fach-Impfstoff geimpften Population entsprechende spezifische Antikörper auf. Die geringe Zahl an mit HPV 6, 11, 16 und 18 assoziierten Infektionen und Erkrankungen war in den beiden Impfstoffgruppen vergleichbar.
„Das erste Ziel der Studie, die Nichtunterlegenheit des 9-fach-Impfstoffes gegenüber dem Vierfach-Impfstoff zu zeigen, wurde also erreicht“, betont Joura.
Mehr Krebserkrankungen lassen sich verhindern
Der 9-fach-Impfstoff verhinderte außerdem zervikale, vulväre und vaginale Erkrankungen, die von den HPV-Stämmen 31, 33, 45, 52 und 58 ausgelöst werden. Während unter dem 4-fach-Impfstoff 30 Fälle mit diesen Erkrankungen auftraten, war es mit dem 9-fach-Impfstoff nur einer. Die Impfeffektivität lag also bei über 96%.
Gleiches galt für die Inzidenz hochgradiger zervikaler intraepithelialer Neoplasien, Adenokarzinome in situ und zervikaler Krebserkrankungen, die mit den 5 neu hinzugekommenen HPV-Typen assoziiert sind: Mit dem 9-fach-Impfstoff gab es 1 Fall, mit dem 4-fach-Impfstoff 27. Die Impfeffektivität lag auch hier bei über 96%.
„Und damit wurde auch das zweite Ziel der Studie erreicht, zu zeigen, dass die Neunfach-Impfung mehr Krebsvorstufen verhindert als die Vierfach-Impfung“, sagt Joura.
Die Nebenwirkungsraten waren in den beiden Impfstoff-Gruppen größtenteils ähnlich. Lokale Reaktionen auf die Impfung waren mit dem 9-fach-Impfstoff etwas häufiger. „Dieses Ergebnis hatten wir erwartet“, sagt Joura, „da der Neunfach-Impfstoff mehr Totimpfstoff und mehr Adjuvans enthält.“ Die meisten Reaktionen an der Injektionsstelle waren leicht bis mäßig ausgeprägt. Nur sehr wenige Studienteilnehmer brachen die Studie wegen impfbedingter Nebenwirkungen ab.
Mangelnde Durchimpfung
An der mangelnden Impfbereitschaft in der Bevölkerung werde aber auch eine erhöhte Effektivität der Impfung wahrscheinlich nichts ändern, meint Huppertz, ebenso wenig wie an den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO): „Die STIKO wird nur die Impfung, aber nicht einen bestimmten Impfstoff empfehlen,“ ist sich Huppertz, Direktor der Prof.-Hess-Kinderklinik in Bremen, sicher.
Die in allen Impfstoffen enthaltenen HPV-Typen 16 und 18 sind nicht nur die häufigsten sondern auch die aggressivsten Virusstämme. „Es geht bei der HPV-Impfung darum, so früh wie möglich zu impfen, noch vor dem ersten Geschlechtsverkehr – und dies mit einem zugelassenen Impfstoff. Welchen man verwendet, bleibt letztlich der Entscheidung von Arzt und Patienten überlassen“, betont Huppertz, der sich als Mitglied der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) auch mit Sinn und Zweck der HPV-Impfung auseinandersetzt.
Wann ist eine Impfung noch sinnvoll?
Auch mit dem neuen Impfstoff stellt sich wieder die Frage, ob diese Impfung auch für ältere Frauen sinnvoll wäre. „Impfempfehlungen gehen immer von der Populationsebene aus“, sagt Huppertz. „Und auf Populationsebene ist eine Impfung vor dem ersten Geschlechtsverkehr, also möglichst schon mit neun Jahren, am sinnvollsten und auch am kosteneffektivsten. Nichtsdestotrotz kann man natürlich auch noch impfen, wenn bereits eine Infektion mit ein oder zwei HPV-Typen vorliegt. Die Impfung würde dann immer noch Schutz vor sieben anderen Virustypen bieten“, sagt Huppertz.
Und Joura geht noch weiter: „Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von mehr als drei Jahren haben gezeigt, dass bereits infizierte Frauen langfristig auch von der Impfung gegen die bereits vorhandenen HPV-Typen profitieren. Denn anders als bei Masern oder Röteln, kann man sich mit HPV immer wieder infizieren.“ [2;3] Und selbst in der Sekundärprophylaxe scheint die Impfung sinnvoll zu sein: „Nach chirurgischer Therapie bzw. Konisation treten mit HPV-Impfung zwei Drittel weniger Erkrankungen auf als ohne Impfung“, berichtet Joura [4;5].
REFERENZEN:
1. Joura EA, et al: NEJM 2015;372:711-723
2. Olsson SE, et al:Hum Vaccin. 2009 Oct;5(10):696-704
3. Muñoz N, et al: J Natl Cancer Inst. 2010 Mar 3;102(5):325-339
Diesen Artikel so zitieren: Neunfach-HPV-Impfstoff: Krebsschutz könnte auf 90 Prozent steigen - Medscape - 23. Feb 2015.
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